Bernhard Peter
Die vielen Gesichter der Göttin:
Parvati - Uma - Durga - Kali

Devi:
Göttliche Mutter, Muttergottheit, universale Göttin, das Prinzip einer weiblichen Göttin schlechthin. Der Name bedeutet „Göttin“. Viele - insbesondere im ländlichen Volksglauben - sehen in der weiblichen Dimension des Göttlichen (Devi) die Quelle allen Lebens und verehren an erster Stelle Gott als Göttin (devi). Devi bedeutet das, was an göttlicher Energie in Manifestation ist (vgl. die Seite über Shaktismus). Devi ist die Kraft, mit der Brahma erschafft, mit der Vishnu erhält und mit der Shiva vernichtet. Devi verkörpert das höchste Bewußtsein, das in seinem mütterlichen Aspekt erscheint. Sie hat das Universum in ihrem Schoß. Ab dem 6. Jh. n. Chr. gewinnt die Verehrung der Devi als Prinzip des weiblich-Göttlichen eine wichtige Rolle, der Kult um zahlreiche einzelne bzw. örtlich verbreitete Göttinnen wird dadurch gebündelt, daß sie nun alle als Erscheinungsformen der Einen Göttin betrachtet werden. Devi hat viele Namen und Erscheinungsformen, wie Uma, Parvati, Kali, Durga. Devi ist die Göttin der Natur, sie bringt den Regen und sie schützt vor Krankheiten. Devi ist als Mutter des Lebens ihrem Charakter nach milde und liebevoll. Als Mutter des Todes hingegen ist sie schrecklich anzusehen, mit 8 Armen, in einem davon ein Schwert. In der rechten Hand hält sie Freude und Schmerz, in der linken Hand hält sie Leben und Tod. Lakshmi gilt als Inkarnation von Devi.

Vier Aspekte - eine Göttin:
Parvati, Uma, Durga und Kali sind die Namen für vier verschiedene Aspekte der selben Göttin. Sie ist die Gattin bzw. Shakti Shivas. In feierlicher Zeremonie wurde sie ihm mit Brahma selbst als Priester angetraut. Sie ist die Mutter des Elefantengottes Ganesha und des Skanda (Karttikeja) sowie des Viraka. Parvati selbst ist die Tochter des Himalaya (Himavan, Himavats) und der Bergnymphe Mena (Menga), die selbst vom Weltenberg Meru abstammt. Parvati hat eine Schwester, Ganga. Parvati kann viele Erscheinungsformen annehmen, dabei sind die als Parvati und Uma die sanften, gnädigen und friedvollen, die als Durga (Durgha) und Kali die schrecklichen und rächenden, wobei Kali noch ein paar Grade furchtbarer ist als Durga, welche die gemäßigtere Form der zornigen Göttin ist. Als Durga und Kali tritt sie auf, um das Böse zu bekämpfen.

1. Aspekt: Parvati:
Eigenschaften: Parvati ist die Weltenmutter, die anmutige, sanfte und gütige Göttin und göttliche Mutter. Sie ist Herrin über Leben und Tod, kann Leben schenken, aber auch zerstören. Sie ist die Shakti des Hochgottes Shiva - Shiva vermag nichts ohne sie, denn sie ist im Shaktismus das weiblich-dynamische und aktive Gegenstück zu ihm. Der Name "Parvati" bedeutet "Tochter der Berge" und spiegelt ihre Abstammung wider. Parvati ist auch die Wiedergeburt von Sati.

Darstellung: sitzend oder stehend, in der rechten Hand eine Lotusknospe haltend. Bei plastischen Skulpturen sind oft die Finger der rechten hand zu einem Ring geschlossen, damit die Gläubigen ihr frischen Lotus geben können. Lakshmi wird in gleicher Haltung portraitiert, aber Lakshmi ist an einem Brustband zu erkennen, welches Parvati fehlt. Parvati ist dunkelhäutig. Ihr Reittier ist ein Löwe.

2. Aspekt: Uma:
Eigenschaften: Das Wort Uma bedeutet "Mutter der ganzen Welt". Andere Bezeichnungen sind: "die Schenkerin der Segnung", "die Glänzende". Sanftmütiger Aspekt der Göttin. Uma symbolisiert die Verantwortlichkeit und die Größe einer idealen und vollkommenen Ehefrau, aber wohl eher nach dem ultrakonservativen KKK-Bild (Kinder-Küche-Kirche: Die vollkommene Frau kümmert sich liebevoll um ihren Pascha-Mann, zieht die Kinder groß und stellt das Wohlergehend er Familie selbst über das eigene Leben). Shiva unterzog Uma schweren Prüfungen, um ihre Hingabe an ihn und ihre Tauglichkeit als Ehefrau zu testen. Aus jeder Prüfung ging Uma siegreich hervor. Zufriedengestellt, nahm Shiva sie zur Gemahlin. Uma repräsentiert die ideale Hindu-Frau aufgrund ihrer vollendeten Hingabe zu ihrem mann Shiva.

Darstellung: Hand in Hand mit ihrem Gatten Shiva, in liebkosender Stellung, manchmal auf dem Schoß von Shiva sitzend, in trauter und zärtlicher Zweisamkeit. Uma wird von einem Löwen begleitet (Simha).

3. Aspekt: Durga:
Eigenschaften: Als heftige, furchtbare, rächende Göttin Durga oder Kali tritt Parvati auf, um das Böse zu bekämpfen. Durga gilt dabei noch als die gemäßigtere Form, Kali als die furchterregendere Form der Göttin. Durga ist "die Unbesiegbare", die gegen das Böse in der Welt antritt. Sie ist freundlich, liebenswürdig und gnädig zu denen, die ihr ergeben sind. In der Welt hat sie die Aufgabe, Dämonen zu vernichten, die Götter und Menschen tyrannisieren oder unterdrücken. Im übertragenen Sinne hilft sie bei der Vernichtung unserer inneren negativen Kräfte und Schwächen, die uns schaden. Gläubige wenden sich an Durga, um ihre eigenen irdischen Antriebe zu zerstören und ihr höchstes Selbst zur Entfaltung zu bringen.

Darstellung: Als Durga reitet sie auf einem Tiger, sie hat die Gestalt einer gelben Frau. Die Anzahl der Arme kann 6, 8 oder gar 10 betragen. Ihr Reittier ist ein Löwe oder ein Tiger. Da sie die Gattin Shivas ist, darf sie auch dessen Attribute benutzen: Dreizack, Schwert, Bogen, Schlange. Manchmal wird sie auch mit Keule, Muschelhorn und Diskus abgebildet, die ja eigentlich Vishnu gehören. Vishnu hat ihr offensichtlich da seine Waffen geliehen, um besser mit dem Büffeldämon Mahisha (Mahisa, Mahishasura, Mahishasura, Mahisa = Büffel, Asura = Dämon) fertigzuwerden. Dieser Dämon war weder von Männern noch von Tieren zu töten, nachdem Brahma ihm die Gunst gewährt hatte, nur durch eine Frau besiegbar zu sein. Mahisasura terrorisierte in Selbstüberheblichkeit die Welt und hinderte die Menschen daran, den Göttern Opfer zu bringen. Durga-Kali rüstete sich mit den Waffen Shivas und Vishnus und zog auf ihrem Reitlöwen aus, den Dämonen zu töten. Erst am zehnten Kampftag konnte Durga dem Büffeldämon den Kopf abschlagen. Da er jedoch ein Dämon war, lebte er noch weiter, in Menschengestalt, worauf Durga ihm Shivas Dreizack in die Brust stieß, um den Dämonen restlos auszutilgen. In Bengalen wird jährlich das Fest namens Durgapuja gefeiert, um des Sieges über den Büffeldämon zu gedenken (September/Oktober). Am zehnten Tage opfert man junge Büffel zu Ehren der Durga-Kali durch Köpfen mit einem Schwerthieb. Und das war nicht die einzige Heldentat von Durga: Mit großer Leichtigkeit tötete sie andere machtvolle Dämonen wie Shumbha, Raktajiva oder Nishumba.

4. Aspekt: Kali:
Eigenschaften: " Die Dunkle", "die Schreckliche", "die Schwarze", die "Herrin der Zeit". Das Wort Kali stammt von dem Wort "kaala", das sowohl schwarz, als auch Zeit bedeutet. Kali verkörpert Zeit und Natur. Grausiger, heftiger und angsteinflößender Aspekt der Göttin. Blutrünstige Göttin der Zerstörung. Todesgöttin und zugleich Schutzgöttin, Dämonenbezwingerin. Nach außen ist sie Tod und Zerstörung, in ihrem Inneren ist sie aber liebevoll und führsorgend. Ihren aufrichtigsten Anhängern erscheint sie in überaus liebevoller und beschützender Form. Den Schaulustigen erscheint Kalis Wut angsteinflößend und zerstörerisch, aber dem geliebten Verehrer bringt sie Freiheit und Schutz vor seinem eigenen zerstörerischen Selbst. Wenn man Kali mit Liebe anbetet, hört ihr drastischer Aspekt auf, Furcht einzuflößen. Sie ist zu Hause auf Scheiterhaufen und Leichenverbrennungsplätzen. Entsprechend wird Kali auch begleitet von Tieren, die auf Verbrennungsplätzen wohnen: Wolf (Vrka), Schakal (Srgala) oder Hund (Svan). Kali ist auch die Pockengöttin, Sitala, "die Kalte".

Darstellung: Als Kali wird sie in schwarzer Farbe mit einer Totenkopfkette und einem Rock aus abgeschlagenen Händen dargestellt. Um den Hals trägt sie Schlangen oder eine Girlande aus Totenköpfen (51 menschliche Schädel repräsentieren die 51 Buchstaben des Sanskrit-Alphabets), in der Hand hält sie oft abgehauene Menschenköpfe. Kali wird mit einem furchterregenden Gesicht, mit großen, weit hervorstehenden Reißzähnen (die leuchtend weißen Zähne symbolisieren Sattwa, die Reinheit), herausgestreckter Zunge (bedeutet Rajas, das aktive Prinzip in der Natur) sowie einem dritten Auge auf der Stirn dargestellt. Ihre drei Augen sehen die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Insbesondere in Bengalen sind ihre Darstellungen eine Fratzenmaske mit heraustretenden roten Augen, übergroßem, breitem Gesicht von dunkler Farbe, mit heraushängender Zunge und gebleckten Hauern als Zähnen. Als Kali besitzt die Göttin 4 Arme. Dabei zeigt eine Hand ein Mudra, die Geste der Ermutigung (abhayamudra, Vertreibung von Angst und Förderung spiritueller Stärke). Die anderen Hände halten einen stilisierten Dreizack, eine Schlinge, die aus einer Schlange geformt wird, welches beides auch Symbole Shivas sind, sowie eine Schale, die sowohl als Almosenschale als auch als Blutschale gedeutet werden kann. Oder sie wird mit einem Schwert (Churi, Opferschwert, mit dem sie das Band der Gebundenheit durchtrennt) und einem abgeschlagenen Dämonenkopf (Rakshasamunda) oder menschlichen Kopf (weist auf die Zerstörung des Egos ihrer Anhänger hin) abgebildet. Um den Kopf wird Kali auch mit einer Flammenaureole abgebildet. Kali wird mit dem linksdrehenden Hakenkreuz assoziiert.

Kali-Kult: Kali wird mit Blutopfern in Verbindung gebracht. Der Glaube besteht darin, dass nur durch Zerstörung etwas Neues entstehen kann. Kali bedeutet die göttliche Kraft der Zerstörung und zugleich die Gewährung von Gnade und Vertreibung von Angst. Kali zerstört das, was den Menschen getrennt hält von seinem göttlichen Ursprung. Liebe zu Kali zerstört die Todesangst, die den Fortschritt auf dem spirituellen Pfad verhindert. Sie erinnert den Sucher ständig daran, daß Erlösung nicht erreicht werden kann, so lange ihn Zeit, Raum und menschliche Begrenzungen binden. Sie zerstört diese Begrenzungen und bringt Freiheit. Kali als göttliche Kraft bekämpft alles, was ungünstig ist oder nicht mit Gott in Verbindung steht, wie z. B. Eingrenzungen, Barrieren für die Erleuchtung, Unwissenheit oder Falschheit. Kali wird vor allem in Bengalen verehrt, besonders in Calcutta. Im alten Indien wurden der Kali Menschenopfer dargebracht. In den Kali geweihten Tempeln werden teilweise noch immer Tieropfer (Ziegenböcke) dargebracht, obwohl die meisten Hindus diese Tieropfer ablehnen. Blut in jeglicher Form ist in den meisten Tempeln verboten. Aus diesem Grund dürfen viele Tempel nicht von Menschen mit Wunden oder von Frauen während der Periode besucht werden. Auch Kali wird wegen des bei dem Aspekt der Durga beschriebenen Heldensieg über den Büffeldämon verehrt. In Bengalen wird Kali während des Festes Kalipuja im Oktober/November gefeiert.

Sati, Shivas erste Gemahlin:
Sati war die Tochter von König Daksha und Shivas erste Gemahlin. Zu ihrem Tod kam es wie folgt: Satis Vater, Daksha, hatte ein Mahayagna ausgeführt. Da er seinen Schwiegersohn Shiva nicht respektierte, lud er ihn nicht dazu ein und beleidigte Shiva absichtlich in Gegenwart aller Gäste und seiner Tochter Sati. Sati, die eine hingebungsvolle Frau war, konnte die Beleidigungen ihres Gemahls nicht ertragen und verbrannte sich von innen und gab ihr Leben auf. Shiva fiel darauf in untröstliche Trauer. Parvati gilt als Wiedergeburt von Sati.

Lexikon der hinduistischen Mythologie:
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