Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Der Sikh-Kalender im Punjab

Name der Zeitrechnung: Sikh-Kalender, Nanakshahi-Kalender, Nanakshahi Samat, Nanakshahi Samvat
Kalender-
Geschichte:
Kalender der Sikh-Religion. Die meiste Zeit ihrer Geschichte haben die Sikh die traditionellen Mondkalender nach der Vikram Samvat-Zeitrechnung benutzt, ihre Feste nach diesem berechnet und diesen Kalender mit Hindus in Nordindien geteilt. Es entstand das Bedürfnis nach einem eigenen religiösen Kalender und eigener Zeitrechnung als Zeichen des Selbstbewußtseins und der Gleichberechtigung des Sikhismus neben dem Hinduismus und dem Islam. Vor allem sollte der neue Kalender Symbol der eigenen Identitätsfindung sein und deutlich sichtbar machen, daß Sikhismus nicht eine Variante des Hinduismus, sondern eine eigenständige Religion darstellt. Der Nanakshahi-Kalender wurde entwickelt von einem kanadischen Sikh namens Pal Singh Purewal, einem Computer-Ingenieur im Ruhestand. Er begann sich in den 60er-Jahren des 20. Jh. mit dem Projekt der Schaffung eines Kalenders zur Identitätsschaffung zu beschäftigen. Das Shiromani Gurdwara Parbandhak Committee (SGPC) kümmerte sich um die Standardisierung der Daten und hat für weltweite Verbreitung des neuen Systems gesorgt.

Der Kalender wurde erstmalig im Jahre 531 (mit Beginn am 14. März 1999 AD) benutzt. Seitdem hat er hohe Anerkennung von Sikh weltweit erfahren. Seit 2003 ist der Kalender in der unten dargestellten Form vom SGPC offiziell und verbindlich. Es ist ein sehr junger Kalender, und die Zukunft wird zeigen, ob er von der Mehrheit der Sikh akzeptiert wird und sich gegen die alten Hindu-Kalender durchsetzt. Man sollte sich aber immer der Tatsache bewußt sein, daß Sikh Datumsangaben auch nach den anderen Kalendern machen können!

Zählung ab (Ereignis), Zählweise: Ab dem Geburtsjahr von Guru Nanak Sahib bzw. auch Guru Nanak Dev genannt, dem allerersten Guru und Gründer des Sikhismus. Das Jahr 1 ist 1469 AD. (Nanakshahi Samat, Nanakshahi Samvat = Nanakshahi Ära)
Typ des Kalenders: Sonnenkalender, arithmetisch. Der Kalender basiert auf dem tropischen Sonnenjahr (von Märzäquinoktie zur nächsten Märzäquinoktie) mit 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 45 Sekunden Länge.
Jahresbeginn am: Im Frühjahr am 14. März.

Wochenstruktur:

1 Woche zu 7 Tagen

Namen der Wochentage:

Die Wochentage sind hier in der Gurmukhi-Schrift wiedergegeben, der Schrift des Punjab, die Sprache ist Punjabi.
1 = Sonntag = Ayat-var
2 = Montag = Shom-var
3 = Dienstag = Mangal-var
4 = Mittwoch = Budha-var
5 = Donnerstag = Vir-var
6 = Freitag = Shukar-var
7 = Samstag = Shani-var
Monate: Anzahl und Länge 1 Jahr zu 12 Monaten. Die Monatslänge ist von vornherein festgelegt. Sie spiegelt die alte Regel der indischen Sonnenkalender wider, daß ein neuer Monat beginnt, wenn die Erde einen neuen 30-Grad-Abschnitt ihrer Umlaufbahn um die Sonne anfängt. Die Monatslänge schwankt aber nicht mehr so stark wie bei den alten Sonnenkalendern, sondern beträgt 30 oder 31 Tage. Dabei sind die kürzeren Monate in der Zeit größerer Sonnennähe zusammengefaßt, die längeren Monate in der Zeit größerer Sonnenferne auf der ekliptischen Bahn der Erde gebündelt. 5 Monate zu 31 Tagen wechseln sich mit 7 Monaten zu 30 Tagen ab.
Monatsnamen: Die Monatsnamen sind hier in der Gurmukhi-Schrift wiedergegeben, der Schrift des Punjab.
1.) Chet - 14. März -13. April - 31 Tage
2.) Vaisakhi, Vaisakh - 14. April - 14. Mai - 31 Tage
3.) Jeth - 15. Mai - 14. Juni - 31 Tage
4.) Haarh, Harh - 15. Juni - 15. Juli - 31 Tage
5.) Saavan, Sawan - 16. Juli - 15. August - 31 Tage
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6.) Bhaadon, Bhadon - 16. August - 14. September - 30 Tage
7.) Assu, Asu - 15. September - 14. Oktober - 30 Tage
8.) Kattak, Katik - 15. Oktober - 13. November - 30 Tage
9.) Maggar, Maghar - 14. November - 13. Dezember - 30 Tage
10.) Poh - 14. Dezember - 12. Januar - 30 Tage
11.) Maagh, Magh - 13. Januar - 11. Februar - 30 Tage
12.) Phagun, Phagan - 12. Februar - 13. März - 30 Tage (31 in einem Schaltjahr)

Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Alle 4 Jahre ist ein Schaltjahr (folgt damit dem System der gregorianischen Schaltjahre). In einem Schaltjahr hat der letzte Monat, Phagun, einen zusätzlichen Tag.
Umrechnung in christliche Zeitrechnung AD = Nanakshahi + 1468 (14. März - 31. Dezember)
AD = Nanakshahi + 1469 (1. Januar - 13. März)

Nanakshahi = AD - 1468 (14. März - 31. Dezember)
Nanakshahi = AD - 1469 (1. Januar - 13. März)

Jetzt, da ich dies am 24.11.2004 schreibe, wäre nach Nanakshahi der 11. Maghar 536, und wir würden der Guruschaft des Guru Gobind Singh und des Märtyrertums des Guru Tegh Bahadur gedenken. In zwei Tagen wäre Vollmond und der Geburtstag von Guru Nanak Dev zu feiern. Das wäre die einzige Ausnahme - dieser Feiertag wird immer noch nach der Hindu-Berechnung am Vollmond des Monats Kartik gefeiert. Alle anderen Gurupurabs liegen dagegen nach dem Nanakshahi-Kalender fest.

Besonderheiten, Bemerkungen: Vorteile des neuen Kalenders:
  • Die heiligen Tage der Sikh bewegen sich nicht mehr im Jahr, sondern haben feste und gleiche Termine. Die Gurpurbs oder Gurupurabs (Tage, an denen einzelne Gurus besondere Verehrung erfahren, Tage an denen besonderer Ereignisse im Leben der Gurus gedacht wird) liegen jetzt auch fest und finden genau einmal im Jahr statt.
  • Wegen der Berechnungsweise liegen die Gurpurbs oder Gurupurabs jetzt auch im gregorianischen Kalender fest, was wegen der weltweiten Verstreutheit der Sikh im Ausland ebenfalls von Bedeutung ist.
  • bessere internationale Vergleichbarkeit, weil er die selbe Jahreslänge wie die westlichen Kalender benutzt: 1 Jahr = 365 Tage 5 Stunden 48 Minuten 45 Sekunden
  • leichter zu erfassen: Alle Monate haben eine feste Anzahl von Tagen (außer im Schaltjahr).
  • kein "unsauberer" Monat im Jahr (vgl. indische Mondkalender!)
  • stabiler Zusammenhang zwischen Monaten und Jahreszeiten
  • Der Jahresbeginn korreliert immer mit dem selben Tag des gregorianischen Kalenders.
  • dient der eigenen Identitätsstiftung
  • Vereinfachung der Schaltproblematik

Nachteile des neuen Kalenders:

  • Problematisch: Der Kalender enthält Gedenktage, die politischen Zündstoff enthalten und nicht gerade des friedlichen Nebeneinanders der Religionen gedenken:
    • Der 4. Juni ist der Jahrestag des Anschlages auf den Akal Takht
    • Der 6. Juni ist der Jahrestag des "Märtyrertums" von Sant Baba Jarnail Singh Bhindranwale.
    • Er gedenkt des Jahrestages des "Märtyrertums" der beiden Mörder von Indira Gandhi.
  • Ausnahmen: Ganz löst der Kalender nicht das Problem der Feiertage. Der Geburtstag des Guru Nanak Dev (Parkash Guru Nanak Sahib) ist am Vollmond des Katik (Katik Poornamashi) nach alter hinduistischer Berechnung, ungeachtet der Tatsache, daß als korrekter Geburtstag der Vaisakh 1 (14. April) ermittelt wurde. Die Feste Hola Mohalla und Bandi Chhor Divas werden ebenfalls nach indischem Mondkalender berechnet und können um mehr als drei Wochen verschoben liegen!

Bedeutung des neuen Kalenders:

  • Der Sikh-Kalender hat wie auch der indische Nationalkalender die konsequente Abkopplung von den Mondkalendern fertiggebracht, ferner den Wechsel auf das tropische Jahr. Fluktuierende Daten gehören der Vergangenheit an.

Sikh-Feste

Kalendersysteme in Indien: Überblick
Zeitrechnungssysteme in Indien: Überblick
Der Hindu-Nationalkalender (Indien)
Der Malayalam-Sonnenkalender in Kerala (Süd-Indien)
Der Orissa-Sonnenkalender (Indien)
Der Tamil-Sonnenkalender in Tamil Nadu (Südindien)
Der Bengal-Sonnenkalender in Westbengalen und Assam (Nordost-Indien)
Der Sikh-Kalender im Punjab (Nordwest-Indien)
Die Amantha-Kalender, lunisolare Kalender in Indien
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