Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Die verschiedenen Amantha-Kalender

Name der Zeitrechnung: Amanta-Mond-Kalender, Chaitra-Kalender, Kartika-Kalender, Ashadha-Kalender
Kalender-
Geschichte:

Zählung ab (Ereignis), Zählweise: Für die lunisolaren Kalender Indiens sind unterschiedliche Zeitrechnungen in Gebrauch:
  • Die Saka Era (Ära) (SE) beginnt mit einem Schaka-König, der 78 n. Chr. in Ujjayin nach einem Sieg die Herrschaft antrat. Verwendung mit dem Chaitra-Kalender z. B. in Andhra Pradesh, Goa, Karnataka, Maharashtra, Orissa.
  • Vikram Samvat: Zählung ab dem Jahre 57 v. Chr., König Vikramaditya Samvat errang nach einem Sieg die Herrschaft in Udayyin. Verwendung in Zusammenhang mit dem Chaitra-, dem Kartika- und dem Ashadha-Kalender, insbesondere in Gujarat.
Typ des Kalenders: Lunisolarer Kalender, Basis ist der Mondmonat, und zwar der Amantha-Monat, der von Neumond zu Neumond geht. Um in Phase mit dem Nirayana-Jahr (Zeit einer Umkreisung der Erde um die Sonne) zu bleiben und die Bindung an das Sonnenjahr und seine Jahreszeiten aufrechtzuerhalten, werden Schaltmonate eingefügt.
Jahresbeginn am: Es gibt drei verschiedene Untertypen. Sie unterscheiden sich darin, ab welchem Monat der Jahresbeginn berechnet wird.
  • Chaitra-Amantha-Kalender, südlicher Amantha-Kalender: Das Jahr beginnt am 1. Chaitra, dem ersten Monat des Jahres. Da aber der Beginn des 1. Monats der Tag nach demjenigen Neumond ist, der in den letzten Monat des Sonnenjahres fällt (Chaitra), beginnt der erste Amanta-Mond-Monat am Tag nach dem letzten Neumond vor Eintritt der Sonne in das Mesha-Rasi, also vor Mesha-Samkranti. Verwendung in Karnataka, Andhra Pradesh und Maharashtra. In den genannten Staaten wird der lunisolare Amantha-Kalender für zivile und für religiöse Zwecke benutzt. In den Staaten, in denen zivile Termine nach einem Sonnenkalender berechnet werden, wird der Mondkalender zur Bestimmung religiöser Termine herangezogen, also in Assam, Westbengalen, Tripura, Kerala, Tamil Nadu; mit Ausnahme von Orissa, Punjab und Haryana, wo der Orissa-Kalender gilt.

  • Kartika-Amantha-Kalender: Das Jahr beginnt am 1. Kartika, mit dem 8. Monat des Chaitra-Kalenders, also am Tag nach dem Neumond, der in den 7. Sonnenjahresmonat fällt. Verwendung in Gujarat.
  • Ashadha-Amantha-Kalender: Das Jahr beginnt am 1. Ashadha, mit dem 4. Monat des Chaitra-Kalenders, also am Tag nach dem Neumond, der in den 3. Monat des Sonnenjahres fällt. Verwendung in Kutch (in Gujarat), Kathiawar.

Tageszählung:

Eine Besonderheit ist die Zählung der Tage nach "Tithi". Ein "Tithi" ist ein Mond-Tag. In einem Tithi macht der Mond 12 Grad im Vergleich zur Position der Sonne gut. Ein Mondmonat hat 30 Tithis, 15 mit zunehmendem und 15 mit abnehmendem Mond. Ein Mondmonat hat aber 29 oder 30 Sonnentage.

Regel: Jeder Tag der 29 oder 30 Tage in einem Amantha-Mondmonat erhält den Namen des Tithis, das bei Sonnenaufgang besteht.

Namen der Mondtage:

Namen der Tithis (Statt "Sukla" und "Krishna" kann auch "Sudi" und "Vadi" verwendet werden):

1. Tithi = Sukla Pratipada, Prathama
2 = Sukla Dvitiya
3 = Sukla Tritiya
4 = Sukla Chaturthi
5 = Sukla Panchami
6 = Sukla Sashthi
7 = Sukla Saptami
8 = Sukla Ashtami
9 = Sukla Navami
10 = Sukla Dasami
11 = Sukla Ekadasi
12 = Sukla Dvadasi
13 = Sukla Trayodasi
14 = Sukla Chaturdasi
15. Tithi = Panchadasi = Sukla Paksha Purnima = Purnima = Vollmond
16 = Krishna Pratipada
17 = Krishna Dvitiya
18 = Krishna Tritiya
19 = Krishna Chaturthi
20 = Krishna Panchami
21 = Krishna Sashthi
22 = Krishna Saptami
23 = Krishna Ashtami
24 = Krishna Navami
25 = Krishna Dasami
26 = Krishna Ekadasi
27 = Krishna Dvadasi
28 = Krishna Trayodasi
29 = Krishna Chaturdasi
30. Tithi = Krishna Paksha Amavasya = Neumond, Konjunktion von Mond und Sonne

Erste Besonderheit: Es gibt immer 30 Tithis. Ein Mondmonat hat aber 30 oder 29 Sonnentage. Ein Tithi dauert im Schnitt 23.625 Stunden, ein Sonnentag aber 24 Stunden. Deswegen muß in den 29-Sonnentage-Monaten ein Tithi übersprungen werden. Das ist genau dann der Fall, wenn ein neues Tithi z. B. kurz nach Sonnenaufgang eintritt und kurz vor dem nächsten Sonnenaufgang endet. Der neue Sonnen-Tag beginnt dann zwei (!) Mondtage später als der Vortag. Die entsprechende Mondtages-Nummer (Tithi-Nummer) wird beim Zählen ausgelassen. Es kann also sein, daß der 14. eines Monats auf den 12. folgt. Der ausgefallene Mondtag heißt Kshaya-Tag.

Zweite Besonderheit: Die länge eines Tithis mit 23.625 Stunden ist nur eine durchschnittliche. Die effektive Länge kann innerhalb gewisser Grenzen schwanken. Es ist durchaus möglich, daß ein langes Tithi vor Sonnenaufgang beginnt und beim nächsten Sonnenaufgang immer noch andauert, um wenige Minuten nach Sonnenaufgang zu enden und das nächste Tithi beginnen zu lassen. Das führt nach der Benennungsregel dazu, daß zwei aufeinanderfolgende Tage die selbe Nummer tragen! Der zweite Tag mit der selben Nummer trägt den Namen "Adhika"-Tag. Es kann also sein, daß auf den 16. eines Monats der 17. folgt, dann der Adhika-17., dann erst der 18. Ein solcher Fall tritt aber wesentlich seltener ein als der oben beschriebene eines ausgefallenen Tages.

Monate: Anzahl und Länge Basis ist der Mondmonat, und zwar der Amantha-Monat, der von Neumond zu Neumond geht. Ein Mondjahr hat 12 Amantha-Monate. In einem Schaltjahr gibt es 13 Monate. Das System wird auch Mukhya Mana genannt.
Monatsnamen: Der Amantha-Monat ist ein Mondmonat. Er wird aber benannt nach dem Sonnenjahresmonat, in den der den Monat einleitende Neumond fällt. Der neue Monat beginnt mit dem Tag nach Neumond und endet mit Neumond. Ein Sonnenjahresmonat wird definiert als der Abschnitt zwischen zwei aufeinanderfolgenden Samkranti. Ein Samkranti ist definiert als der Eintritt in ein neues Rasi. Ein Rasi ist definiert als ein 30-Grad-Abschnitt der Ekliptik. Ekliptik ist die ovale Umlaufbahn der Erde um die Sonne. Ein Amantha-Monat kann an jedem beliebigen Tag eines Sonnenmonats beginnen, weil die Mondphasen vollständig unabhängig ihgrem eigenen Rhythmus folgen und keiner Bindung an das Sonnenjahr unterliegen. Es kann also passieren, daß nur wenige Tage eines Amanta-Monats im namensgebenden Sonnenmonat liegen und der Großteil außerhalb.

Eine Abweichung dieser Namensgebungs-Regel ergibt sich, wenn der betreffende Amantha-Monat sehr nahe an einem Kshaya-Monat liegt.

Ein Amantha-Monat wird in zwei Hälften unterteilt:

  • Sudi-Hälfte = Sukla-Paksha = "helle Monatshälfte" = zunehmender Mond
  • Vadi-Hälfte = Krishna Paksha = "dunkle Monatshälfte" = abnehmender Mond

Die Sonnenmonate, nach denen die Mondmonate benannt werden, heißen:

1 = Chaitra
2 = Vaisakha
3 = Jyaishtha
4 = Ashadha
5 = Sravana
6 = Bhadra
7 = Asvina
8 = Kartika
9 = Agrahayana oder Margasirsha
10 = Pausha
11 = Magha
12 = Phalguna

Mondmonate können also alle diese Namen tragen, in Schaltjahren können die doppelt vorkommenden Monate mit Präfixen unterschieden werden (s.u.)

Beachte: In Mondkalendern ist Chaitra der erste Monat des Jahres, in Sonnenkalendern ist Vaisakha der erste Monat des Jahres! Die Namen und die Reihenfolge ist im wesentlichen gleich.

Im direkten Vergleich beginnen gleichnamige Monate im Amantha-Kalender 15 Tage später als im Purnimantha-Kalender! Das Gleiche gilt für den Jahresbeginn.

Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Das Mondjahr mit 12 Mondmonaten ist kürzer als das Nirayana-Sonnenjahr. Zum Ausgleich wird ein Schaltmonat eingefügt. Ein Schaltmonat (zusätzlicher Monat) heißt Adhika-Monat. Für das Vorkommen eines Schaltmonats gibt es keine arithmetische Regel. Ein Schaltmonat wird nach folgendem Prinzip eingefügt:

Wenn ein Sonnenmonat einen Mondmonat vollständig einschließt, also zwei Neumonde in einen Sonnenmonat fallen, tritt folgende Regel in Kraft:

  • Der Amantha-Monat, der am ersten Neumond des Sonnenmonats beginnt, ist der Schaltmonat.
  • Der Amantha-Monat, der am zweiten Neumond des Sonnenmonats beginnt, ist der reguläre Monat.

Da beide Mond-Monate nach dem selben Sonnen-Monat benannt werden, werden sie namentlich unterschieden:

  • Der Schaltmonat wird "Adhika"-Monat oder "Mala"-Monat genannt.
  • Der reguläre Monat erhält das Präfix "Suddha" oder "Nija".

Ein Adhika-Monat ist ca. knapp alle 3 Jahre nötig (rechnerisch genau: 2 Jahre 8.2 Monate), um das Mondjahr wieder mit dem Sonnenjahr in Phase zu bringen. Zwischenzeitlich verschieben sich die Monatsanfänge rückwärts im Vergleich zum Sonnenjahr, bis wieder eine ruckartige Korrektur nach "vorne" durch den Schaltmonat kommt.

Umrechnung in christliche Zeitrechnung Da unterschiedliche Zeitrechnungen existieren, richtet sich die Umrechnung nach der jeweils verwendeten Ära und dem in der jeweiligen Gegend verwendeten Jahreswechsel:

Salivahana Saka Era (Ära) (SE), Chaitra-Kalender:
AD = Saka + 78 (März/April bis 31. Dezember)
AD = Saka + 79 (1. Januar bis März/April)
Saka = AD - 78 (März/April - Dezember)
Saka = AD - 79 (1. Januar - März/April)

Vikram Samvat, Chaitra-Kalender:
AD = Vikram Samvat - 57 (März/April bis 31. Dezember)
AD = Vikram Samvat - 56 (1. Januar bis März/April)
Vikram Samvat = AD + 57 (März/April - Dezember)
Vikram Samvat = AD + 56 (1. Januar - März/April)

Vikram Samvat, Kartika-Kalender:
AD = Vikram Samvat - 57 (Oktober/November bis 31. Dezember)
AD = Vikram Samvat - 56 (1. Januar bis Oktober/Novemberl)
Vikram Samvat = AD + 57 (Oktober/November - Dezember)
Vikram Samvat = AD + 56 (1. Januar - Oktober/November)

Vikram Samvat, Ashadha-Kalender:
AD = Vikram Samvat - 57 (Juni/Juli bis 31. Dezember)
AD = Vikram Samvat - 56 (1. Januar bis Juni/Juli)
Vikram Samvat = AD + 57 (Juni/Juli - Dezember)
Vikram Samvat = AD + 56 (1. Januar - Juni/Juli)

Besonderheiten, Bemerkungen: Eine Besonderheit ist der Kshaya-Monat oder "Ausgefallene" Monat. Ganz selten kann es vorkommen, daß in einen Sonnenjahresmonat KEIN Neumond fällt. Das kann der Fall sein bei den kurzen 29-Tages-Monaten, wenn die Erde auf ihrer Umlaufbahn ziemlich nahe an der Sonne ist, also in den kurzen Monaten Agrahayana, Pousha, Magha, entsprechend den kurzen Rasis. Folglich kann auch kein Mondmonat nach diesem Sonnenmonat benannt werden. Das kam z. B. in den Jahren 692, 814, 833, 974, 1115, 1180, 1199, 1218, 1237, 1256, 1302, 1321, 1397, 1443, 1462, 1603, 1744, 1885, 1904 Saka Ära vor.

Das hat aber Auswirkungen auf einen Monat davor und auf einen danach. Beide werden zu Adhika-Monaten! Denn wenn der ausgefallene Monat keinen Neumond hat, muß ein Neumond am letzten Tag des Vormonats und am ersten Tag des Folgemonats liegen. Da diese Sonnen-Monate aber länger sind als der ausgefallene, enthalten sie am Anfang des ersten und am Ende des zweiten einen weiteren Neumond. Also werden beide Monate doppelt benannt wie in einem Schaltjahr. Die "Problemzone" hat: Doppelter Mondmonat - ausgefallener Monat - doppelter Mondmonat. Dann wären aber 13 Monate vorhanden (12 - 1 + 2). Je nach Variante des Kalenders wird dieses Problem unterschiedlich behandelt, um wieder auf die Zahl 12 zu kommen.

  • östliche Schule: der 1. Adhika-Monat ist der Schaltmonat, es folgt ein normaler Monat, dann wird der zweite Adhika als normaler Monat definiert, so daß er nicht verdoppelt wird.
  • nordwestliche Schule: Der 1. Adhika-Monat wird wie ein normaler Monat behandelt, er wird nicht verdoppelt. Der zweite Adhika-Monat ist der Schaltmonat, er springt für den ausgefallenen Monat ein. Der vierte Monat der "Problemzone" ist ein normaler Monat.
  • südliche Schule: Beide Adhika-Monate werden als Schaltmonate behandelt. Dabei wird ein Monat aber als "Doppelmonat" behandelt, die Tithis werden nach einer vollkommen abgefahrenen Regel halbiert!

Kalendersysteme in Indien: Überblick
Zeitrechnungssysteme in Indien: Überblick
Der Hindu-Nationalkalender (Indien)
Der Malayalam-Sonnenkalender in Kerala (Süd-Indien)
Der Orissa-Sonnenkalender (Indien)
Der Tamil-Sonnenkalender in Tamil Nadu (Südindien)
Der Bengal-Sonnenkalender in Westbengalen und Assam (Nordost-Indien)
Der Sikh-Kalender im Punjab (Nordwest-Indien)
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