Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Der Orissa-Kalender in Indien

Name der Zeitrechnung: Orissa-Kalender, Oriya-Kalender
Kalender-
Geschichte:

In Gebrauch hauptsächlich in Orissa sowie im Punjab und in Haryana.

Zählung ab (Ereignis), Zählweise: Im Orissa-Kalender wird als Ära auf die Saka-Ära Bezug genommen werden, sie begann 78 AD.
Typ des Kalenders: Reiner Sonnenkalender. Astronomischer Kalender. 1 Sonnenjahr = 1 Nirayana-Jahr = genau die Zeit, die die Erde benötigt, um einmal die Sonne zu umkreisen. Startpunkt ist genau gegenüber einem leuchtenden Stern namens Chitra. Ein Nirayana-Jahr dauert 365.2564 Tage und ist damit geringfügig (20 Minuten und 27 Sekunden) länger als die mittlere Länge eines tropischen Jahres (365.2422 Tage, Abstand zwischen zwei Frühjahrsäquinoktien). Die indischen Sonnenkalender sind so konzipiert, daß sie mit dem Nirayana-Jahr Schritt halten.

1 Jahr hat 12 Monate und 365 Tage. Monatslänge nach Verweilzeit der Sonne in bestimmten Sternbildern bzw. Eintritt der Erde in einen neuen 30-Grad-Abschnitt der Erdumlaufbahn um die Sonne. Hat rein gar nichts mit Mondphasen zu tun!

Jahresbeginn am: Mitte April. Der Jahresanfang korreliert mit dem Eintritt in das Mesha-Rasi. Jahresbeginn = Mesha-Sankranti.

Wochenstruktur:

1 Woche zu 7 Tagen.

Namen der Wochentage:

Allen Wochentagsbezeichnungen ist gemeinsam, daß sie von den Namen für die Planeten sowie Sonne und Mond abgeleitet sind. An die Tagesbezeichnung kann noch das Suffix - bar bzw. -ar angehängt werden, wird aber oft nicht. Hier sind als Beispiel die Wochentage in Oriya, der Sprache und Schrift in Orissa:

1 = Sonntag = Rabi
2 = Montag = Soma
3 = Dienstag = Mangala
4 = Mittwoch = Budha
5 = Donnerstag = Guru
6 = Freitag = Sukra
7 = Samstag = Sani

In Punjabi, der Sprache im Punjab, lauten die Wochentage beispielsweise wie folgt:
1 = Sonntag = Ayat-var
2 = Montag = Som-var
3 = Dienstag = Mangal-var
4 = Mittwoch = Budh-var
5 = Donnerstag = Vir-var
6 = Freitag = Sukar-var
7 = Samstag = Shani-var

Monate: Anzahl und Länge 12 Monate. Die Monatslänge ist nicht von vornherein festgelegt, sondern variiert von 29-32 Tagen, wobei die letzten Monate des Jahres meist die längeren sind.

Ein neuer Monat beginnt, wenn die Erde einen neuen 30-Grad-Abschnitt ihrer Umlaufbahn um die Sonne beginnt. Die Länge eines Sonnenmonats ist die Zeit, die die Sonne braucht, um einen 30-Grad-Abschnitt komplett zu durchlaufen. Oder kompliziert ausgedrückt:

Rasi = Teil der Ekliptik. Die Bahn ist in 12 Rasis unterteilt, jeder Rasi deckt 30 Grad ab. Damit wird klar, daß ein Monat länger dauert, wenn die Erde weiter von der Sonne entfernt ist (31-32 Tage) und weniger lang, wenn die Erde der Sonne näher kommt (29-30 Tage). Der mittlere Sonnenmonat dauert 30.4369 Tage, die Länge kann von 29.45 bis 31.45 Tagen variieren.

Samkranti = Erster Eintritt der Sonne in ein Rasi. In einem Jahr gibt es also 12 Samkranti. Ein Samkranti kann theoretisch zu jeder Tages- und Nachtzeit eintreten. Deshalb wurden Regeln geschaffen, ab wann das Samkranti "zählt", und genau hierin unterscheiden sich die vier indischen Sonnenkalender.

Monatsanfang wird exakt durch folgende Regel festgelegt (Orissa-Regel):

Der neue Monat beginnt an dem Tag, an dem das Samkranti stattfindet, egal, zu welcher Tages- oder Nachtzeit.

Monatsnamen: Die Monate sind - anders als beim Malayalam-Kalender - ursprünglich nach den Nakshatras (Mondhäuser) benannt. Diese Namensgebung ist beim Orissa-, Tamil- und Bengal-Kalender gleich, auch wenn die linguistische Verfärbung der selben Wurzel deutliche regionale Unterschiede zuläßt.

Die Namen der Sonnenmonate sind von folgender allgemeiner Wurzel abgeleitet:
1 = Vaisakha
2 = Jyaistha
3 = Aashaadha
4 = Sraavana
5 = Bhaadrapada
6 = Asvayuja
7 = Kaarthika
8 = Maarghasira
9 = Pausa
10 = Maagha
11 = Phalguna
12 = Chaitra

Regionale Sprachen haben natürlich das Ihrige daraus gemacht. Hier folgen als Beispiel die Monatsnamen in Punjabi:

1 = Vaisakh
2 = Jeth
3 = Harh
4 = Sawan
5 = Bhadon
6 = Asu
7 = Kartik
8 = Maghar
9 = Poh
10 = Magh
11 = Phagun
12 = Chet

Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Normaljahr 365 Tage, Schaltjahr 366 Tage. Weil die Monatslänge nicht von vornherein festgelegt ist, kommen die Schaltjahre ganz von selbst zustande, weil man sich am Nirayana-Jahr orientiert. In 39 Jahren hat man 10 Schaltjahre mit einem Tag mehr. Schaltjahre gibt es also alle 3-4 Jahre.

Es waren Schaltjahre:
Saka-Ära 1900, 1904, 1908, 1912

Umrechnung in christliche Zeitrechnung AD = Saka + 78 (Mitte April bis 31. Dezember)
AD = Saka + 79 (1. Januar bis Mitte April)

Saka = AD - 78 (Mitte April - Dezember)
Saka = AD - 79 (Januar - Mitte April)

Besonderheiten, Bemerkungen: Es gibt in Indien 4 verwandte Sonnenkalender: Den Malayalam-Kalender, den Orissa-Kalender, den Bengal-Kalender sowie den Tamil-Kalender.

Gemeinsamkeiten:

  • reiner Sonnenkalender
  • Jahresberechnung nach dem Nirayana-Jahr
  • Monatsberechnung nach Samkranti und Rasi, d. h. definiert als Durchlaufen eines 30-Grad-Winkels der Umlaufbahn
  • Monatslängen hängen ab von der Entfernung der Erde zur Sonne
  • Monatslängen können je nach Jahr variieren
  • Verwendung der Sonnenkalender für profane Zwecke, weniger religiöse, denn die werden nach lunisolaren kalendern berechnet

Unterschiede:

  • Unterschiedliche Regeln, wann ein neuer Monat beginnt
  • Unterschiedliche Lage der Schalttage bzw. Schaltjahre, bedingt durch die unterschiedlichen Monatsanfänge
  • Unterschiedliche Jahresanfänge
  • Unterschiedliche Ära (Bezugspunkt der Zeitrechnung)

Wie in allen indischen Kalendern geht der Tag von Sonnenaufgang bis zum nächsten Sonnenaufgang (= Panchang = Savana day = Civil day).

In allen indischen Sonnenkalendern kann eine weitere Ära verwendet werden, die Kali Yuga - Beginn 3102 v. Chr. Weitere Ären (Vilayati, Aamli, Bengali San) sind möglich.

Die in Orissa gesprochene Sprache heißt Oriya.

Kalendersysteme in Indien: Überblick
Zeitrechnungssysteme in Indien: Überblick
Der Hindu-Nationalkalender (Indien)
Der Malayalam-Sonnenkalender in Kerala (Süd-Indien)
Der Orissa-Sonnenkalender (Indien)
Der Tamil-Sonnenkalender in Tamil Nadu (Südindien)
Der Bengal-Sonnenkalender in Westbengalen und Assam (Nordost-Indien)
Der Sikh-Kalender im Punjab (Nordwest-Indien)
Die Amantha-Kalender, lunisolare Kalender in Indien
Der Purnimantha-Kalender, lunisolarer Kalender in Indien
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