Bernhard Peter
Jainismus:
Eine atheistische Religion?
Ja, weil
.
Jainismus ist eine Religion
rein menschlichen Ursprungs. Man glaubt nicht an einen
Schöpfergott oder Hochgott, sondern an eine immerwährende
Ordnung der Welt durch kosmische Gesetze. Die Jinas sind keine
Götter im Sinne eines Schöpfers, eines Erhalters oder eines
Zerstörers, sondern es sind Wesen, die das letztendliche Ziel
der Befreiung erreicht haben. Ein Jina ist ein menschliches
Wesen, weder unsterblich noch allmächtig, sondern ein Mensch wie
Du und ich, der aber alle inneren Feinde wie Verlangen, Haß,
Ärger, Zorn, Stolz etc. durch persönliche Anstrengung
überwunden hat. Das Konzept eines Erlösergottes, der in
menschlicher Form das Übel der Welt beseitigt, ist den Jainas
fremd. Da ist niemand, der einem aufgrund übernatürlicher
Kräfte aus Gunst oder Barmherzigkeit einen Gefallen tut, wenn
man darum im Tempel fleht. Auch die Jinas werden um nichts
gebeten, denn sie sind den irdischen Dingen entrückt. Das
Konzept eines Schöpfergottes ist den Jainas ebenfalls fremd,
denn die Zeit und die Welt ist ewig. Auch die Seelen sind ewig.
Das Universum läuft ganz gut von alleine und es besteht
überhaupt nicht die Notwendigkeit des Eingreifens durch eine
höhere Macht. Alle sogenannten höheren Mächte sind den
Gesetzen des Universums unterworfen. In diesem Sinne gibt es
viele verehrte Wesen, aber keinen Gott im eigentlichen Sinne.
Nein, weil
.
Man staunt, daß sich in den
Dekorationen der Jain-Tempel viele alte Bekannte aus dem
hinduistischen Pantheon wiederfinden. In der Tat sind die
göttlichen Wesen des indischen Subkontinentes den Jain nicht
fremd. Götter sehen die Vorgänge im Universum, sie kennen seine
Gesetzmäßigkeiten, aber sie greifen nicht als Schöpfer,
Erhalter oder Zerstörer ein. Götter gleich welchen Ursprungs
sind genauso wie Tiere und Menschen befleckte Seelen, die dem
Zyklus aus Geburt, Leiden und Wiedergeburt unterworfen sind, also
Mitstreiter aus einer anderen Ebene des Universums auf dem
gemeinsamen Weg zur Erlösung vom Zyklus der Wiedergeburten.
Götter werden nicht verneint, sondern sie bevölkern wie
Menschen und Tiere das Universum und sind wie diese den
Gesetzmäßigkeiten desselben unterworfen. Es sind eben Götter,
so wie wir Menschen sind, na und? Deswegen läßt man sich doch
nicht von der Konzentration auf die Erlösung vom Zyklus der
Wiedergeburten nach der Lehre der Tirthankaras ablenken, zumal
wir alle, Götter wie Tiere wie Menschen "im gleichen Boot
sitzen, nur eben eine andere Klasse gebucht haben." Deshalb
schadet das Vorhandensein der Götter nicht dem systematischen
Verständnis der Welt nach Jain-Lehre. Man hat vielmehr kein
Problem damit, am Rand des Kultes eine diffuse Zone zu haben, in
der hinduistische Götter Aufnahme in den Kult gefunden haben,
weil Götter als befleckte Seelen gemäß dem ihnen anhaftenden
Karma prinzipiell der Erfüllung menschlicher Wünsche gegenüber
offen sein können, zumal sie die größere Macht dazu haben.
Ihre Bedeutung verlieren sie aber, wenn der Mensch es geschafft
hat, zur Erleuchtung zu gelangen und die Welt der Menschen, Tiere
und Götter hinter sich läßt.
Jainismus: Jinas und Tirthankaras
Jainismus - eine atheistische
Religion?
Grundprinzipien des Jainismus
Seelenwanderung und Wiedergeburt in
den indischen Großreligionen im Vergleich
Der ethische Codex der Jaina
Das Ahimsa-Prinzip der
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der Jain-Tempel
Jain-Ikonographie: Darstellungen
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