Bernhard Peter
Der
ethische Codex der Jaina
Richtiges Verhalten ist neben rechtem Glauben und
rechtem Wissen einer der "drei Edelsteine" (Triratna)
des Jain-Weges. Im Detail bedeutet richtiges Verhalten:
- Ahimsa Nicht-Gewalt,
Gewaltlosigkeit, Barmherzigkeit, keine Gewaltanwendung
gegenüber Lebewesen, Wertschätzung des Lebens und
Achtung vor dem Leben in jeder Form. Jainismus predigt
Freundschaft mit allen Lebewesen. Sein Zweck ist die
Fürsorge für das gesamte Universum, nicht nur für die
Menschen. Wir müssen davon überzeugt sein, daß
Freundschaft zwischen allen Menschen und allen Lebewesen
der echte Reichtum unseres Planeten ist.
- Satya Wahrhaftigkeit: Nur
Wahres, was niemanden verletzt, sollte das gesprochene
Wort enthalten
- Asteya Ehrlichkeit,
keine Wegnahme von Dingen, die einem nicht zugeeignet
wurden
- Brahmacharya
Keuschheit, sich nicht körperlichen Genüssen
hingeben, eheliche Treue
- Aparigraha nicht
weltlichem Besitz verhaftet sein, keine
Besitz-Akkumulierung. Jain-Asketen haben keine
Besitztümer, Laien sollten so wenig wie möglich an
Besitztümern hängen. Die Sozialpflichtigkeit von
Wohlstand hat zu einem ausgeprägten Stiftungswesen von
Schulen, Colleges, Krankenhäusern, Waisenhäusern,
Pflegeheimen, Heimen für leidende Tiere etc. geführt.
Durch dieses Prinzip ist die Jain-Religion auch die
Religion des sozialen Ausgleichs.
Mönche und Nonnen folgen diesen Prinzipien in
strengerer Form (Mahavrata-Gelübde) als Laien, die die
Prinzipien im Rahmen ihrer Möglichkeiten so gut es eben geht
leben (Anuvrata-Gelübde).
Dazu kommen grundlegende Geisteshaltungen wie
- Anekantvad Doktrin der
vielen Standpunkte. Es gibt keine universal
gültige Lehrmeinung und Verketzerung der Abweichler. Im
Gegenteil, man ist sich bewußt, daß sich das Universum
ständig ändert und wir uns mit ihm ändern. Je nach
Zeit, Ort, Begleitumständen und betroffenen Personen
können sich daher die Ansichten darüber, was richtig
ist, ändern und den Rahmenbedingungen anpassen. Die
Doktrin der Nicht-Absolutheit unterscheidet die
Jain-Religion sehr stark von anderen Religionen, die mit
ihrem Unfehlbarkeits- und Absolutheitsanspruch Menschen
unterdrücken.
- Syadvad Theorie der
Relativität. Je nach Sichtweise kann eine Sache
wahr oder fragwürdig sein. Wahrheit ist immer ein
relativer Begriff, denn erst die Summe aller
individuellen Wahrheiten, von vielen unterschiedlichen
Standpunkten aus gewonnen, nähert sich der absoluten
Wahrheit, die kein Mensch für sich alleine beanspruchen
kann. Das ist eine religiöse Grundeinstellung, die das
Zusammenleben vieler Völker und Nationen einfacher macht
als die entsprechenden Doktrinen anderer Religionen.
Beide Prinzipien zusammen ergeben eine hervorragende
Basis für Toleranz zwischen unterschiedlichen Religionen
und Philosophien.
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