Bernhard
Peter
Kalender
und Zeitrechnung:
Iran (6): Der neuiranische Kalender
Name
der Zeitrechnung:
Neuiranischer Kalender,
Neupersischer Kalender
Verwendung
ab:
Der Kalender wurde am 31. März
1925 n. Chr. (11. Farwardin 1304 Iran-Hidschri-Ära) per
Gesetz in Persien eingeführt und gilt heute noch. Im Jahre 1957
n. Chr. wurde er übrigens auch in Afghanistan eingeführt. Er
ist eine Weiterentwicklung und arithmetische Fixierung des
Reform-Kalenders von Malik Schah.
Zählung
ab (Ereignis):
Das Gesetz von 1925 schreibt die Islamische
Ära vor: Sie kennzeichnet die Flucht Mohammeds von
Mekka nach Medina. Im März 622 n. Chr. beginnt das
fiktive Jahr 1 Iran-AH. Nicht das tatsächliche Datum
der Hidschra ist der offizielle Beginn, sondern der Beginn des
entsprechenden ersten persischen Monats des Jahres, in dem die
Hidschra stattfand. Die tatsächliche Hidschra fand im frühen
Herbst statt; am 13. Rabi I, Fr/Sa, 24./25. September, verließ
der Prophet Mekka, am darauffolgenden Donnerstag zog er in Medina
ein. Im Unterschied zum islamischen Mondkalender
(Hidschri-Qamari) wird diese Ära Hidschri-Schamsi,
Sonnen-Hidschri genannt (Al-Qamar = Mond, Asch-Schams = Sonne).
Typ
des Kalenders:
Reiner Sonnenkalender. 1 Jahr
hat 365 Tage, in Schaltjahren 366 Tage. Keinerlei
Zusammenhang mit den Mondphasen. Das Kalenderjahr ist mit dem
reellen Sonnenjahr identisch. Der Kalender hat
astronomische Elemente (Jahresanfang) und arithmetische Elemente
(Monatsberechnung, Schaltregel).
Jahresbeginn
am:
Der Jahresbeginn wird
auf den astronomischen Frühlingsanfang
festgelegt. Der Eintritt der Sonne in das Tierkreiszeichen des
Widders markiert den Frühlingsanfang. Definitionsgemäß ist
Neujahr (Nawruz) genau dann, wenn der Wechsel der Sonne vom
Sternbild der Fische in das des Widders vor 12 Uhr mittags
stattfindet. Astronomisch ist das das Überschreiten des
Schnittpunktes zwischen Himmelsäquator und Ekliptik.
De facto haben wir hier einen Widerspruch zwischen der astronomischen Fixierung des Jahresanfanges im Gesetzestext und der Regel, die Monatslängen arithmetisch zu bestimmen. In der Praxis führt das wohl kaum zu Schwierigkeiten, weil durch die unten beschriebene Schaltregel mit Zyklen die Einhaltung dieser Jahresanfangsregel arithmetisch kontrolliert wird. Aber rein theoretisch ist ein Widerspruch denkbar.
Zwischen 1583 AD und 2500 AD lagen im Iran die Frühlingsäquinoktien 584 mal auf dem 20. März, 301 mal auf dem 21. März und 19 mal auf dem 19. März. Wenn das Ereignis vor Mittag stattfindet, ist der betreffende Tag Nawruz, ansonsten der nächste Tag.
In unserer Zeit ist Neujahr (Nawruz) meist der 21. oder 22. März, je nach Schaltjahres-Überschneidung zwischen iranischem und Gregorianischem Kalender. Wegen der Verschiebung der beiden Kalender gegeneinander wird das Neujahrsfest in Zukunft eher am 20. oder 21. März liegen. Das liegt daran, daß die Länge des Sonnenjahres, der Abstand zwischen zwei Frühlingspunkten, sich im Laufe der Zeit verändert.
Wochenstruktur
und Namen der Wochentage
Samstag - Shanb
Sonntag - Yeksh
Montag - Dosh
Dienstag - Sehsh
Mittwoch - Chechar
Donnerstag - Panj
Freitag - Jomeh
1 Woche mit 7 Tagen. Freitag ist wie in den meisten islamisch geprägten Ländern der offizielle besondere Tag der Woche.
Namen
der Monatstage:
Die 30 Tage der
einzelnen Monate werden mit jeweils eigenen Bezeichnungen
benannt. De facto benutzt sie aber keiner mehr.
Nr. | Name | Nr. | Name |
Nr. | Name |
1 | Hormuz | 11 | Chur | 21 | Ram |
2 | Bahman | 12 | Mah | 22 | Bad |
3 | Ordibehescht | 1 | Tir | 23 | Dey be Din |
4 | Schahriwar | 14 | Gusch | 24 | Din |
5 | Esfandarmuz | 15 | Dey be Mehr | 25 | Ird |
6 | Chordad | 16 | Mehr | 26 | Aschtad |
7 | Mordad | 17 | Sarosch | 27 | Asman |
8 | Dey be Azar | 18 | Raschn | 28 | Zamyad |
9 | Azar | 19 | Farwardin | 29 | Marisfand |
10 | Aban | 20 | Bahram | 30 | Aniran |
Monate:
Anzahl und Länge
1 Jahr besteht aus 12 Monaten
zu je 29, 30 oder 31 Tagen. In Schaltjahren wird der letzte Monat
um einen Tag verlängert. Die Sommermonate zwischen
Frühlingspunkt und Herbstpunkt sind mit 31 Tagen die langen
Monate und tragen der Tatsache Rechnung, daß die Sonne zur
Überwindung dieser Strecke 186 Tage und 10 Stunden benötigt.
Vom Herbstpunkt zu Frühlingspunkt braucht die Sonne 178 Tage und
20 Stunden, hier finden sich die 6 kurzen Monate wieder (179 Tage
in Gemeinjahren, 180 Tage in Schaltjahren).
Monatsnamen:
Die ersten 6 Monate, das sind die des
Sommerhalbjahres, besitzen 31 Tage, die ersten 5 Monate des
Winterhalbjahres besitzen 30 Tage, der letzte Monat besitzt
normalerweise nur 29 Tage, wird aber in Schaltjahren auf 30 Tage
verlängert. Die Monatsnamen sind die gleichen wie im
altpersischen, zoroastrischen Kalender:
1. Farwardin - 31 Tage
2. Ordibehescht - 31 Tage
3. Chordad - 31 Tage
4. Tir - 31 Tage
5. Mordad - 31 Tage
6. Shahriwar - 31 Tage
7. Mehr - 30 Tage
8. Aban - 30 Tage
9. Azar - 30 Tage
10. Dej, Dey - 30 Tage
11. Bahman, Behmen - 30 Tage
12. Esfand, Isfend - 29 Tage, in Schaltjahren 30 Tage
Ausgleich,
Schaltjahre, -Tage, Monate
Die alte Schaltregel wird komplett
ersetzt. Die neue Schaltregel ist eine arithmetische. Das
Schaltsystem beruht auf Zyklen und Unterzyklen mit einer
Zylusgröße von jeweils 2820, 128 bzw. 132, 29 bzw. 33 bzw. 37
Jahren. Das Ergebnis ist eine Schaltregel wie folgt:
Innerhalb eines Unter-Unterzyklusses von 29, 33 oder 37 Jahren
werden die Jahre fortlaufend durchnummeriert. Ein Jahr ist ein
Schaltjahr, wenn seine Nummer innerhalb des Unter-Unter-Zyklusses
größer als 1 ist und bei der Division durch 4 ein Rest von 1
bleibt.
In einem Unter-Unter-Zyklus sind also die folgenden Jahre Schaltjahre: 5, 9, 13, 17, 21, 25, 29, 33, 37 - also alle 4 Jahre. Das Auslassen eines Schaltjahres wird über die Schachtelung der Unterzyklen geregelt. De facto wird damit ein Schaltabstand von 4 Jahren erzeugt, der ab und zu durch ein Intervall von 5 Jahren ersetzt wird.
Im Detail ist das sehr komplex, hierzu sei auf das Literaturverzeichnis verwiesen, insbesondere auf die hervorragenden dort zitierten Arbeiten.
Umrechnung
in christliche Zeitrechnung
Beispiel 1: Heute ist der 2.2.2006 AD,
der 3. Muharram 1427 Hidschri-Qamari und der 13. Bahman 1384
Hidschri-Schamsi. Beispiel 2: Mein nächster, 40. Geburtstag
wäre am 23. Mai 2006. Das wäre der 25. Rabi II 1427
Hidschri-Qamari und der 2. Chordad 1385 Hidschri-Schamsi.
Christliche Zeitrechnung (AD) in
Iranisch-islamische-Ära, Hidschri-Schamsi (Iran-AH):
1. Januar bis Nawruz: Iran-AH = AD - 622
Nawruz bis 31. Dezember: Iran-AH = AD - 621
Iranisch-islamische-Ära, Hidschri-Schamsi
(Iran-AH) in christliche Zeitrechnung (AD):
1. Januar bis Nawruz: AD = Iran-AH + 622
Nawruz bis 31. Dezember: AD = Iran-AH + 621
Bewertung
und heutige Situation:
Der Neuiranische Kalender folgt im
wesentlichen dem Reformkalender von Malik Schah, mit einer
Änderung, die den praktischen Nutzen verbessert: Die
eigentliche Bedeutung des Neuiranischen Kalenders liegt in seinem
Wechsel von einer astronomischen zu einer arithmetischen
Monatsberechnung. Die Schaltregel ist nicht eine, die
sich nach der Beobachtung richtet, sondern eine, die sich nach
der Berechnung richtet. Der Jahresanfang ist aber nach
wie vor eine widersprüchliche Frage.
Der These, der iranische Kalender sei einer der genauesten der Welt, kann im Rahmen dieser Untersuchung keinesfalls zugestimmt werden. Die Mär von der Genauigkeit wird bisweilen damit begründet, daß die astronomische Bestimmung der Frühlingsäquinoktien eine stete Anpassung an das sich in seiner Länge verändernde tropische Sonnenjahr beinhaltet - das kennt der gregorianische Kalender z. B. nicht. Dem kann man entgegenhalten, daß derjenige besser nicht von Genauigkeit spricht, der sich nicht zwischen arithmetisch und astronomisch entscheiden kann, der alle Monate und Schalttage arithmetisch über nicht rational begründbare Zyklen berechnet und trotzdem für den Jahresanfang in den Himmel schaut.
Die Geschichte des iranischen Kalenders ist geprägt von unendlichen Widersprüchen, Reformen und Gegenreformen, einem ständig hin- und herwogenden Kampf um Schaltsysteme, um astronomische oder arithmetische Definition, einem ständigen Nebeneinander nur teilweise anerkannter Systeme. Auch heute noch ist der iranische Kalender weit von einer Eindeutigkeit und Verbindlichkeit entfernt, die von einem hervorragenden Kalender zu erwarten ist. Selbst im Gesetz von 1925 ist der Widerspruch zwischen arithmetischem und astronomischem Kalender nicht abschließend gelöst. Vor allem ist der iranische Kalender auch heute nach wie vor nicht in der Lage, Daten Jahrhunderte oder Jahrtausende im Nachhinein oder im Voraus exakt und für jedermann nachvollziehbar zu beschreiben. Mit dieser Unschärfe müssen die Iraner leben.
Die eigentliche Einzigartigkeit des iranischen Kalenders liegt in der Anwendung hochkomplexer Interkalationszyklen zur Schaltjahresbestimmung, die zwar empirisch brauchbare Ergebnisse liefern, aber jeder rational begründbaren Grundlage entbehren und den Kalender auch nicht genauer machen.
In der Islamischen Republik Iran gibt es heute zwei Kalender nebeneinander: 1.) den bürgerlichen, staatlichen Sonnenkalender und 2.) den religiösen, islamischen Mondkalender. Beide haben als Beginn ihrer Zeitrechnung die Hijra des Propheten, kommen aber auf unterschiedliche Jahre (Hidschri-Qamari = religiöser Mondkalender, Hidschri-Schamsi = bürgerlicher Sonnenkalender). Beide haben ferner einen unterschiedlichen Jahresanfang - der eine fängt am 1. Farwardin an, d. h. an Nawruz, der andere am 1. Muharram, welcher durch das Sonnenjahr wandert.
Iran (1): Die unterschiedlichen Ären
Iran (2): Der Achämeniden-Kalender
Iran (3): Zeit für Schaltungen
unter den Sassaniden
Iran (4): Der Kalender von Yazdegar
III
Iran (5): Vom Malik-Schah-Kalender
bis zum Gesetz von 1911
Iran (6): Der neuiranische Kalender
Iran (7): Shahanshahi Ära - Einer
der vielen Fehler von Schah Mohamed Reza Pahlevi
Iran (8): Literatur zu iranischen
Kalendersystemen
andere
Kalendersysteme, Literatur zu Kalendersystemen
andere Essays über Iran/Persien
Home
©
Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
Impressum