Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Iran (4): Der Kalender von Yazdegar III

Name der Zeitrechnung:
Kalender des Yazdegar III, Sassaniden-Reform-Kalender, Qadimi-Kalender

Verwendung ab:
Einführung durch den letzten Sassaniden-Herrscher, Yazdegar III

Zählung ab (Ereignis):
Zählung nach der Yazdegarischen Ära, also ab der Thronbesteigung von Yazdegar III am 16. Juni 632 n. Chr. (632 n. Chr. = Jahr 1).

Eine alternative Ära (Parsik Ära) rechnet ab Yazdegars Tod 20 Jahre später (652 n. Chr.).

Typ des Kalenders:
Reiner Sonnenkalender. 1 Jahr hat 365 Tage. Keinerlei Zusammenhang mit den Mondphasen. Arithmetischer Kalender. Da im Grunde die Anpassung an das tatsächliche Sonnenjahr durch Schaltungen fehlen, könnte man auch geneigt sein, seinen Rhythmus als autonom zu betrachten. Dem ist jedoch nicht ganz so, denn die Idee eines Jahres ist immer noch die des Abstandes von Frühlingsäquinoktium zu Frühlingsäquinoktium, egal wie unscharf.

Jahresbeginn am:
Am 1. Farwardin. Die Position dieses Tages in Relation zum tatsächlichen Sonnenjahr verschiebt sich rückwärts, ist also alle 4 Jahre einen Tag früher. Der Jahresbeginn durchläuft in ca. 1500 Jahren einmal alle Jahreszeiten.

Monate: Anzahl und Länge
1 Jahr besteht aus 12 Monaten zu je 30 Tagen und 5 Epagomenen.

Monatsnamen:
Die ersten Begriffe sind verschiedene Lesarten des mittelpersischen Namens, der zweite der moderne persische Name:

1. Frawardin, Fravardino, Farwardin - 30 Tage
2. Ardavahisht, Ardavahist, Ordibehescht - 30 Tage
3. Khordad, Horvadad, Chordad - 30 Tage
4. Tir, Tir - 30 Tage
5. Amurdad, Amerodad, Mordad - 30 Tage
6. Shatvairo, Shahriwar - 30 Tage
7. Mihr, Mitro, Mehr - 30 Tage
8. Avan, Aban - 30 Tage
5 Tage als Ausgleich, um auf ein Sonnenjahr zu 365 Tagen zu kommen (Epagomenen).
9. Adur, Ataro, Azar - 30 Tage
10. Day, Dino, Dej - 30 Tage
11. Vahman, Vohuman, Bahman - 30 Tage
12. Spandarmad, Spendarmad, Esfand - 30 Tage

Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate
Keine! Es gab nur Gemeinjahre, also ein 365-Tage-Jahr ohne Zusatztage oder Zusatzmonate. Die Epagomenen blieben dort, wo sie zum Zeitpunkt der Umstellung waren, nämlich nach dem achten Monat namens Aban. Mangels einer Schaltregel kam es im Laufe der Zeit zu einer nicht unerheblichen Abweichung des Kalenders von den Jahreszeiten.

Umrechnung in christliche Zeitrechnung
Der 1. Farwardin 1 YE entspricht dem 16. Juni 632 AD (julianisch).

Yazdegar-Ära (YE) in Christliche Zeitrechnung (AD):
1. Januar bis Jahreswechsel: AD = YE + 632
Jahreswechsel bis 31. Dezember: AD = YE + 631

Christliche Zeitrechnung (AD) in Yazdegar-Ära (YE):
1. Januar bis Jahreswechsel: YE = AD - 632
Jahreswechsel bis 31. Dezember: YE = AD - 631

Jahreswechsel = 16. Juni minus x, etwa alle 4 Jahre nimmt x um 1 zu.

Es gibt noch eine zweite Zeitrechnung: Sie heißt "Parsik" oder "Farsiyye" und wird auch als "Tabari Ära" bezeichnet. Al-Biruni nennt sie "Tarih al-Madschus", was wörtlich soviel heißt wie "Ära der Magier". Diese Ära bezieht sich nicht auf das Jahr des Regierungsantritts on Yazdegar III, sondern auf sein Todesjahr. Yazdegar III wurde 652/653 AD ermordet, im 21. Jahr seiner Regierung. Das Jahr 1 Parsik ist das Jahr 21 Yazdegar Ära. Der Unterschied zwischen Yazdegar-Ära und Parsik-Ära beträgt genau 20 Jahre, alles andere bleibt gleich.

Parsik-Ära (PE) in christliche Zeitrechnung (AD):
1. Januar bis Jahreswechsel: AD = PE + 652
Jahreswechsel bis 31. Dezember: AD = PE + 651

Christliche Zeitrechnung (AD) in Parsik-Ära (PE):
1. Januar bis Jahreswechsel: PE = AD - 652
Jahreswechsel bis 31. Dezember: PE = AD - 651

Geschichte, Bemerkungen und Bewertung:
Die Kalenderreform war notwendig geworden, weil zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme die Epagomenen nach dem 8. Monat lagen und der Jahresanfang zu Beginn des Sommers lag, und kein Punkt des Kalenderjahres mehr mit dem tatsächlichen Sonnenjahr übereinstimmte. Mit einer Hauruck-Maßnahme wurde ein neues System geschaffen.

Die Bewertung ist sehr gemischt. Ein Fortschritt des Kalenders ist die Festlegung einer Ära, die über einen längeren Zeitraum konstant bleibt (Yazdegar-Ära). Ein Rückschritt in der Entwicklung der Kalendersysteme ist aber das Fehlen jeglicher Idee eines Schaltsystems. Nicht einmal das unvollkommene Schaltsystem des frühen Sassaniden-Kalenders wurde beibehalten, nein, das Schaltsystem wurde gänzlich abgeschafft. Fast könnte man Yazdegar III unterstellen, das wichtigste Detail an seiner Reform sei die neue personenbezogene Ära gewesen. Der kalendarische Jahresbeginn läuft immer weiter nach hinten in Bezug auf den tatsächlichen Jahresbeginn, der Kalender wird also mit der Zeit immer ungenauer, wie der alte Achämeniden-Kalender.

Bilanz: Neue Lage der Epagomenen, neue Ära, schlechtere Übereinstimmung wegen Fehlen einer Schaltregel. Einige Bevölkerungsgruppen schalteten, andere nicht, was zu großer Heterogenität führte.

Keine Regel ohne Ausnahme: In den Jahren 1004-1008 fiel der Jahresanfang (1. Farwardin) wieder in die Gegend des Frülingsbeginns (Frühlingsäquinoktium), eine gute Gelegenheit, um mal wieder zu schalten: Das konnte dadurch erreicht werden, daß man die 5 Epagomenen wieder an das Jahresende, nach dem 12. Monat (Esfand) verschob. So gut die Idee war, sie wurde nicht so richtig angenommen. Wer das veranlaßte, ist heute unklar. In weiten Gebieten des Irans blieb man bei der alten Regelung der Epagomenen nach dem 8. Monat, und auch bei den indischen Parsen ist der Kalender von Yazdegar noch heute in Gebrauch.

Qadimi-, Shenshai- und Fasli-Kalender:
Zur einzigen "echten" Schaltung kam es im Jahre 1131 n. Chr. Nawruz hatte sich wieder einmal um 30 Tage gegenüber dem Frühlingsanfang verschoben. Hier wurde ein Schaltmonat von 30 Tagen, ein zweiter Esfand, eingeschoben, um wieder Kongruenz zwischen Kalender und Sonnenjahr zu erreichen. Die Epakten wurden dabei nicht verschoben. Wiederum war es nur ein Teil der Bevölkerung, die diese Schaltung mitmachte. Der Kalender MIT dieser Schaltung wurde "Rasmi-Kalender" oder "Shenshai-Kalender" oder "Shahanshahi-Kalender" genannt. Der Kalender OHNE diese Schaltung wurde "Qadimi-Kalender" ("alter" Kalender) genannt. Viele indische Parsen kehrten später zum Qadimi-Kalender zurück. Beide Kalender unterscheiden sich um genau 30 Tage.

Einige Parsen rechnen nach dem "Fasli-Kalender" - dessen Charakteristikum und Unterschied zum Qadimi-Kalender ist, daß der Jahresanfang immer auf dem Frühlingsanfang liegt. Damit ist der Fasli-Kalender identisch mit dem im nächsten Kapitel vorgestellten Kalender von Malik Schah in seiner ersten reformierten Form. Der Fasli-Kalender ist verbunden mit Herrn Khurshedji Cama aus Mumbai, er war es, der im Jahre 1906 AD die "Zarthosti Fasli Sal Mandal" gründete.

Iran (1): Die unterschiedlichen Ären
Iran (2): Der Achämeniden-Kalender
Iran (3): Zeit für Schaltungen unter den Sassaniden
Iran (4): Der Kalender von Yazdegar III
Iran (5): Vom Malik-Schah-Kalender bis zum Gesetz von 1911
Iran (6): Der neuiranische Kalender
Iran (7): Shahanshahi Ära - Einer der vielen Fehler von Schah Mohamed Reza Pahlevi
Iran (8): Literatur zu iranischen Kalendersystemen

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