Bernhard
Peter
Kalender
und Zeitrechnung:
Rhythmen und Zyklen im chinesischen Kalender
Charakter
des zyklischen Aspektes des chinesischen Kalenders:
Sinn der Zyklen des Kalenders ist es
wohl weniger, verflossene Zeit zu messen, sondern durch
Überlagerung der Zyklen bzw. Rhythmen durch die den jeweiligen
Zyklusabschnitten zugeordneten Eigenschaften ein Raster
zu erhalten, anhand dessen sich Zeitpunkte
charakterisieren und bewerten lassen.
Das ist ein krasser Gegensatz zu unserem westlichen Denken, das Zeit linear und streng gerichtet interpretiert. Zeit wird in China als zyklisches Muster verstanden, das der linear verfließenden Zeit überlagert ist. Als Ganzes ist die Welt in sich geschlossen, ohne eigentlichen Anfang ("Urknall") und Ende. Fortschritt der Zeit ist mehr der Ablauf einer fortwährenden Erneuerung, ein fortwährendes Dem-innewohnenden-Muster-folgen. Die lineare Komponente der Zeit ist die Wandlung der Dinge und Individuen in den Zyklen, sodaß Verlauf möglich ist, ohne das System als Ganzes an einem fiktiven Anfang zu betreten oder an einem fiktiven Ende zu verlassen. So kann man durch die zyklische Wahrnehmung in einem in sich geschlossenen System dennoch Zeit in ihrem Verlauf erleben. Im Vergleich dazu sind wir mit unserer Denkweise Sklaven einer determinierenden Zeit und unfähig, die Unbarmherzigkeit der Zeit, die auf unseren eigenen Tod zurast, zu transzendieren.
Ein gegebener Zeitpunkt wird also nicht nur durch die Angabe von Jahr, Tag und Monat charakterisiert, sondern auch durch die Angabe der Phase im jeweiligen Rhythmus. Im Umkehrschluß kann man Ereignisse bewerten, die mit diesen Zeitpunkten in Zusammenhang stehen und anhand eines gegebenen Zeitpunktes auch Vorhersagen treffen. Zählung wird hierbei auch gleichzeitig zur Bewertung. Der Zeitpunkt der Geburt eines Menschen ergibt so wichtige Persönlichkeitsmerkmale, ferner kann man z. B. sagen, mit welcher Ehefrau er harmonieren würde oder nicht, welche Kombinationen gut harmonieren oder nicht. Geburts-Tag und -Stunde werden determiniert durch genau acht Zeichen: Je zwei für die zyklischen Angaben von Jahr, Monat, Tag und Stunde.
Der Mensch ist eingebettet in den Rhythmus der Welt, er wird zum Mikrokosmos, in dem sich die kosmischen Zusammenhänge widerspiegeln. Deshalb ist es nur logisch, daß sich auch seine physiologischen Funktionen im Gleichtakt mit den rhythmischen Zyklen der Natur verändern.
Ableitung
des chinesischen Horoskopes:
Die Kombination von verschiedenen den
jeweiligen Zyklen zugeordneten Eigenschaften stellt
Rahmenbedingungen für das Leben der Menschen und entscheidet
über die Verteilung von Glück und Unglück, uber ungünstig
oder günstig. Beispielsweise gelten manche Kombinationen von
Element und Jahrestier als günstig, andere als ungünstig, so
gilt z. B. die Kombination des Elementes Feuer mit dem Jahrestier
Pferd als Geburtsjahr für Frauen sehr ungünstig und solche
Feuerpferdfrauen haben einen schlechten Ruf.
Wichtigstes Element für das chinesische Horoskop ist das Geburtsjahr. Das Geburtsjahr ist durch das Tierzeichen charakterisiert. Durch dieses Merkmal werden grundlegende Charaktereigenschaften sowie Harmonien und Disharmonien mit anderen Tierzeichen festgelegt. Die Geburtsstunde mit seiner Tierzuordnung hat den Charakter eines Wegbegleiters, der im Hintergrund mit seinen Wesenmerkmalen die Eigenschaften des Geburtsjahrs in seine eigene Richtung modifiziert. Das chinesische Horoskop geht von höherer Beständigkeit aus und wird für längerfristigere Zeiträume erstellt als unsere westlichen Horoskope. Dem kurzfristigen Handeln kommt weniger Bedeutung zu als bei uns.
Rhythmus
1: Jahreszyklus der 10 Himmlischen Stämme
Es gibt 10 Himmelsstämme
(Tian Gan), die den Jahren zugeordnet werden, nämlich:
1: jia |
2: yi |
3: bing |
4: ding |
5: wu |
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6: ji |
7: geng |
8: xin |
9: ren |
10: gui |
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Die Bezeichnungen sind unübersetzbar. Je zwei davon entsprechen einem der 5 Elemente (s. u.)
Rhythmus
2: Jahreszyklus der fünf Elemente bzw. Wandlungsphasen
Jeweils zwei
aufeinanderfolgende Jahre (ist mir nur bei den Jahren bekannt)
werden einem Element (Wandlungsphase) zugeordnet. Das Element
wechselt alle zwei Jahre, das Tier und der himmlische Stamm jedes
Jahr. Die Elemente lauten:
1: Feuer, Shen |
2: Erde, Yi |
3: Metall, Po |
4: Wasser, Zhi |
5: Holz, Hun |
Diese fünf Elemente (Wandlungsphasen) sind durch vier Zyklen eng miteinander verbunden:
Rhythmus
3: Erdenzweige (Di Zhi), Zuordnung zu Tieren
Eine wichtige Strukturierung
in 12er-Einheiten wird durch die Zuordnung zu sog. Erdenzweigen
(di zhi) gemacht, wobei die ursprüngliche Bedeutung der
Erdenzweige nicht klar ist. Ihre Schriftzeichen (jeweils obere
Reihe) wurden vor ca. einem Jahrtausend im volkstümlichen
Gebrauch mit Tiernamen (jeweils untere Reihe) bedacht, und so ist
es bis heute geblieben. Ein Dutzend Tiere ist den verschiedenen
Zeitabschnitten in einem 12er-Zyklus zugeordnet. Es handelt sich
um insgesamt 4 Zyklen und um jeweils die gleichen Tiere: 1 -
Ratte, 2 - Ochse, 3 - Tiger, 4 - Hase, 5 - Drache, 6 - Schlange,
7 - Pferd, 8 - Ziege, 9 - Affe, 10 - Hahn, 11 - Hund und 12 -
Schwein. Oder als Erdenzweig in chinesisch: Zi, chou, yin, mao,
chen, si, wu, wei, shen, you, xu und hai. Die chinesischen
Schriftzeichen für die Erdenzweige (jeweils obere Reihe) sind
abstrakt und haben keine linguistische Beziehung zu den
Tierzeichen (jeweils untere Reihe), es handelt sich nicht um
"Übersetzungen".
1: Zi |
2: chou |
3: yin |
4: mao |
5: chen |
6: si |
1: Ratte |
2: Ochse |
3: Tiger |
4: Hase |
5: Drache |
6: Schlange |
7: wu |
8: wei |
9: shen |
10: you |
11: xu |
12: hai |
7: Pferd |
8: Ziege |
9: Affe |
10: Hahn |
11: Hund |
12: Schwein |
Die gleichen Tiere sind zugeordnet:
Jedem Jahr eines 12er-Zyklusses ist ein Tier zugeordnet. Es wird erzählt, daß Gautama Buddha die Tiere einlud, sich von ihm zu verabschieden, als er seinen baldigen Tod nahen fühlte. Andere Legenden sprechen von einer Einladung zum Neujahrsfest. Wie dem auch sei, seinem Ruf folgten aber nur 12 Tiere. Als Belohnung für ihre Treue dürfen diese 12 Tiere seitdem jeweils über ein Jahr bestimmen, in der Reihenfolge ihres Eintreffens bei Gautama Buddha, also zuerst die Ratte und zuletzt das Schwein.
Jahr 1 - Monat 1 - Tag 1 - Doppelstunde 1:
Ratte
Jahr 2 - Monat 2 - Tag 2 - Doppelstunde 2: Ochse
Jahr 3 - Monat 3 - Tag 3 - Doppelstunde 3: Tiger
Jahr 4 - Monat 4 - Tag 4 - Doppelstunde 4: Hase
Jahr 5 - Monat 5 - Tag 5 - Doppelstunde 5: Drache
Jahr 6 - Monat 6 - Tag 6 - Doppelstunde 6: Schlange
Jahr 7 - Monat 7 - Tag 7 - Doppelstunde 7: Pferd
Jahr 8 - Monat 8 - Tag 8 - Doppelstunde 8: Ziege
Jahr 9 - Monat 9 - Tag 9 - Doppelstunde 9: Affe
Jahr 10 - Monat 10 - Tag 10 - Doppelstunde 10: Hahn
Jahr 11 - Monat 11 - Tag 11 - Doppelstunde 11: Hund
Jahr 12 - Monat 12 - Tag 12 - Doppelstunde 12: Schwein
Da die Zuordnung eines Zeitpunktes auf mehreren Ebenen so gesichert ist, und da andererseits der jeweiligen Zuordnung eine astrologische Bedeutung beigemessen wird, kann für jeden beliebigen Zeitpunkt z. B. einer Geburtsstunde, eine bestimmte den Menschen oder den Zeitpunkt bestimmende Zuordnung von Eigenschaften getroffen werden.
Der chinesische 12er - Zyklus soll nach der Astrologie vom Jupiter herrühren, dessen Umlaufzeit 11,8 Jahre beträgt.
Rhythmus
4: Kombinierter Zyklus mit 60er-Einheiten
Durch die sequentielle
Kombination der Namen der Himmelsstämme und derer der
Erdenzweige erhält man 60er-Zyklen. 60 ist die erste Zahl, die
durch 10 und 12 teilbar ist.
Eine Bezeichnung für ein Zeitelement setzt sich aus zwei Schriftzeichen (Binome) zusammen:
Dieses System (Gan-Zhi) gilt für die genaue Bezeichnung von Jahren, Monaten, Tagen und Doppelstunden des Tages. Dabei sind die 60er-Zyklen für Tage und Monate sehr alt, der für die Jahre wurde im 3. Jh. während der Han-Dynastie eingeführt. Er ist heute noch von Bedeutung.
Der 60er-Zyklus soll angeblich von der doppelten Umlaufzeit des Saturns abgeleitet worden sein, denn ein Saturnjahr sind knapp 30 Erdjahre.
Rhythmus
4a: Jahreszyklus
Durch die Kombination der
Namen der Himmelsstämme und derer der Erdenzweige werden im
chinesischen Kalender die Bezeichnungen für einen Zyklus von
aufeinanderfolgenden Jahren festgelegt. Eine Jahresbezeichnung im
chinesischen Kalender setzt sich aus zwei Schriftzeichen
zusammen:
Damit erreicht man theoretisch einen 120-Jahreszyklus (12*10), üblich ist aber die Zusammenfassung der Jahre in 60er-Zyklen (60 als erste Zahl, die durch 10 und 12 teilbar ist). Jedes Jahr hat einen Doppelnamen, der die beiden definierenden Angaben enthält. Ein solcher Name wiederholt sich nicht innerhalb eines 60er-Zyklus, bei weit auseinanderliegenden Jahren wäre ein identischer Name möglich, damit es nicht zu verwechslungen kommt, wird die Nummer des Zyklus angegeben. Ein 60er-Zyklus würde etwa so beginnen:
1. Jahr: Jahr der Ratte und des
Himmelsstammes Jia
2. Jahr: Jahr des Ochsen und des Himmelsstammes Yi
3. Jahr: Jahr des Tigers und des Himmelsstammes Bing
4. Jahr: Jahr des Drachen und des Himmelsstammes Ding
5. Jahr: Jahr der Schlange und des Himmelsstammes Wu
6. Jahr: Jahr des Pferdes und des Himmelsstammes Ji
7. Jahr: Jahr der Ziege und des Himmelsstammes Geng
etc.
Ein 60-Jahres-Zyklus ist ebenfalls möglich durch die Kombination von
Ein Himmelsstamm ist also auch definiert durch ein Element und den Charakter Yin oder Yang. Ein 60er Zyklus würde dann z. B. so beginnen:
1. Jahr: Jahr der Ratte und des Feuers, von
Yang bestimmt
2. Jahr: Jahr des Ochsen und des Feuers, von Yin bestimmt
3. Jahr: Jahr des Tigers und der Erde, von Yang bestimmt
4. Jahr: Jahr des Drachen und der Erde, von Yin bestimmt
5. Jahr: Jahr der Schlange und des Metalls, von Yang bestimmt
6. Jahr: Jahr des Pferdes und des Metalls, von Yin bestimmt
7. Jahr: Jahr der Ziege und des Wassers, von Yang bestimmt
etc.
Jedes Jahr hat also einen eigenen Namen, der innerhalb eines 60er-Zyklusses hinreichend definiert durch zwei Schriftzeichen ist. Erst im nächsten Zyklus wiederholen sich die Namen. Beispiel eines solches Zyklus von 60 Jahren:
Daraus ergeben sich folgende Namen für die 60 Jahre eines Zyklusses:
1 | jia-zi | 16 | ji-mao | 31 | jia-wu | 46 | ji-you |
2 | yi-chou | 17 | geng-chen | 32 | yi-wei | 47 | geng-xu |
3 | bing-yin | 18 | xin-si | 33 | bing-shen | 48 | xin-hai |
4 | ding-mao | 19 | ren-wu | 34 | ding-you | 49 | ren-zi |
5 | wu-chen | 20 | gui-wei | 35 | wu-xu | 50 | gui-chou |
6 | ji-si | 21 | jia-shen | 36 | ji-hai | 51 | jia-yin |
7 | geng-wu | 22 | yi-you | 37 | geng-zi | 52 | yi-mao |
8 | xin-wei | 23 | bing-xu | 38 | xin-chou | 53 | bing-chen |
9 | ren-shen | 24 | ding-hai | 39 | ren-yin | 54 | ding-si |
10 | gui-you | 25 | wu-zi | 40 | gui-mao | 55 | wu-wu |
11 | jia-xu | 26 | ji-chou | 41 | jia-chen | 56 | ji-wei |
12 | yi-hai | 27 | geng-yin | 42 | yi-si | 57 | geng-shen |
13 | bing-zi | 28 | xin-mao | 43 | bing-wu | 58 | xin-you |
14 | ding-chou | 29 | ren-chen | 44 | ding-wei | 59 | ren-xu |
15 | wu-yin | 30 | gui-si | 45 | wu-shen | 60 | gui-hai |
Rhythmus
4b: Monatszyklus der 12 Tiere
Im traditionellen chinesischen
Kalender wurden früher die Monate nach dem gleichen Prinzip wie
Jahre und Tage benannt. Jedem Monat war ein Erdenzweig
zugeordnet. Im Detail sind keine genauen Regeln zur Anwendung des
Prinzips zu finden.
Rhythmus
4c: Tageszyklus der 12 Tiere
Im traditionellen chinesischen
Kalender gibt es keine 7-Tage-Woche. Die Tage wurden früher
fortlaufend in einem 60-Tage-Zyklus benannt, der unabhängig von
Monat und Jahr abläuft. Jeder Tag im Zyklus hat eine doppelte
Bezeichnung. Im Detail sind keine genauen Regeln zur Anwendung
des Prinzips zu finden.
Rhythmus
4d: Uhrzeitzyklus der 12 Tiere
Der Tag wurde im alten China
in zwölf Doppelstunden eingeteilt, die erste Doppelstunde (Zi)
beginnt um 23 Uhr und dauert bis 01 Uhr. Benannt wurden die
Doppelstunden wiederum nach den zwölf Erdenzweigen, d. h. jeder
Tageszeit ist damit ein Tier zugeordnet. Hier der Tageszyklus
für Pekinger Zeit:
23:00 Uhr bis 01:00 Uhr: Ratte
01:00 Uhr bis 03:00 Uhr: Ochse
03:00 Uhr bis 05:00 Uhr: Tiger
05:00 Uhr bis 07:00 Uhr Hase
07:00 Uhr bis 09:00 Uhr: Drache
09:00 Uhr bis 11:00 Uhr: Schlange
11:00 Uhr bis 13:00 Uhr: Pferd
13:00 Uhr bis 15:00 Uhr: Ziege
15:00 Uhr bis 17:00 Uhr: Affe
17:00 Uhr bis 19:00 Uhr: Hahn
19:00 Uhr bis 21:00 Uhr: Hund
21:00 Uhr bis 23:00 Uhr: Schwein
Bis heute spiegelt sich dieses System in den Bezeichnungen "Wu Qian" = "Vor dem Pferd" für den Vormittag und "Wu Hou" = "Nach dem Pferd" für den Nachmittag wider.
Das Tageszeit-Tier der Geburtsstunde ist von Bedeutung für einen Menschen. Im Gegensatz zum Tier des Geburtsjahres ist es aber eine sehr private Information, die anderen nicht mitgeteilt wird, denn sie verrät sehr viel über die Antriebe der Persönlichkeit eines Menschen. Im chinesischen Kaiserreich war es z. B. bei Todesstrafe verboten, die Geburtsstunde des Kaisers zu verraten.
Rhythmus
5: Epoche
60 Zyklen zu 60 Jahren
entsprechen dann einer Epoche, die dann 3600 Jahr umfaßt.
Rhythmus
6: Yin und Yang
Jedes Element der Zeitmessung
hat abwechselnd mehr den Charakter von Yin (jüngerer Bruder)
oder von Yang (älterer Bruder):
Chinesischer
Kalender Teil 1: Einführung und Geschichte
Chinesischer Kalender Teil 2: Der
Sonnenkalender im chinesischen Kalender
Chinesischer Kalender Teil 3: Der lunisolare
Kalender im chinesischen Kalender
Chinesischer Kalender Teil 4: Wann ist
chinesisch Neujahr?
Chinesischer Kalender Teil 5: Rhythmen und
Zyklen im chinesischen Kalender
Chinesischer Kalender Teil 6:
Jahresbezeichnungen von 1996 bis 2043 AD
Chinesischer Kalender Teil 7: Varianten in
benachbarten Ländern
andere Kalendersysteme, Literatur zu
Kalendersystemen
andere Essays über China
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