Bernhard
Peter
Hikone
(Präf. Shiga), Tempel Choju-in (Chouju-in), Ohara Benzaiten
Lage und
Erreichbarkeit, Touristisches
Der Tempel Chouju-in gehört zu einer Gruppe von drei
Andachtsstätten, die alle am Westrand des Hügelzuges zu finden
sind, zu dem auch der Sawayama mit den Resten der Burg gehört.
Hier befinden wir uns allerdings bereits auf dem nächsten
Hügel, dem Ouhara-san. Alle drei, der Seiryou-ji, der Ryoutan-ji
und der Chouju-in (Adresse: 1139 Furusawacho, Hikone, Shiga
522-0007), liegen östlich der Bahntrasse der Tokaido Main Line
und sind nur wenig voneinander entfernt, so daß man sie am
günstigsten alle drei gemeinsam besichtigt. Die beiden
erstgenannten liegen am Fuße des Sawayama, der letztgenannte, um
den es hier geht, am Ouhara-san. Vom JR-Bahnhof ausgehend
(Anfahrt am besten über Kyoto mit der Biwako Line) schlägt man
sich westlich oder östlich entlang der Gleise irgendwie nach
Norden durch, es sind ca. 1500 m bis zum Chouju-in als drittem
und nördlichsten Tempel dieser Gruppe. Vermutlich wird man sich
vorher die beiden anderen Tempel angeschaut haben; vom Ryoutan-ji
aus geht man zurück zur kleinen Straße und folgt dieser in den
Wald. In einer großen Schleife führt die Straße bergan, vorbei
am rechterhand liegenden Torii mit dem Ii-Schrein (Ii jinja, 2023
eingerüstet wegen Renovierung) dahinter, und in der
nachfolgenden Rechtskurve sieht man linkerhand bereits das erste
Gebäude der Anlage den Kyouzou (Sutra-Speicher), ein
quadratisches Bauwerk mit Pyramidendach, vollständig aus Holz,
mit einer Doppelflügeltür in der Mitte. Das Dach ist mit
Hongawarabuki gedeckt. Die nun leicht S-förmig verlaufende
Straße führt den Besucher zum Tempelgelände, das sich nach 130
m auf zwei Terrassen auftut.
Es gibt auch einen zweiten Zugang, dazu bleibt man linkerhand (westlich) der Bahngleise, bis die direkt an den Gleisen entlang führende Straße endet, dort befindet sich eine Überquerung der Gleise, und über die anschließende Treppe kommt man hoch zum Tempeltor. Bevor die Treppe beginnt, steht linkerhand noch ein kleines Holztempelchen mit einer Jizou-Figur (Koyasu-jizou-son). Es empfiehlt sich, den erstgenannten Weg für den Hinweg zu nutzen, damit man den Kyouzou sieht, und den anderen Weg für den Rückweg zum Bahnhof bzw. zur Innenstadt.
Der Tempel ist völlig untouristisch, im August zumindest ist man hier mutterseelenalleine und kann sich auf der Waldlichtung wie ein Entdecker fühlen. Man kann die Gebäude nicht innen besichtigen, aber man kann das Gelände rund um die Uhr frei durchstreifen. Der Ausblick auf die Stadt ist schön, die Edo-zeitliche Bausubstanz ist alt und wertvoll, und der kunstgeschichtliche und kunsthandwerkliche Rang vieler Gebäude ist überraschend hoch. Dieses Ensemble gehört zu den unbekannten Juwelen des Kulturerbes, zu den wunderschönen und wirklich lohnenden Stätten, die von der überwiegenden Zahl der Hikone-Touristen völlig übergangen werden oder ihnen einfach nicht bekannt sind.
Geschichte
und Bedeutung
Der Chouju-in ist ein Tempel des Shingon-Buddhismus, und
innerhalb desselben wird er der Daigo-Schule zugerechnet. Er ist
der jüngste der drei Tempel am Fuße dieses Hügelrückens und
wurde 1695 (Genroku 8) von Ii Naooki (31.3.1656-30.5.1717), dem
5. und 8. Daimyo dieser Familie (regierte 1676-1701 und
1710-1714) auf dem Lehen Hikone, gegründet. Das war der Erbauer
des Rakuraku-en und der Bauherr des Genkyu-en. Zur Finanzierung
dieses Tempels beteiligte er die Einwohner seines Lehens, neben
der eigenen Finanzierung hatte jeder Einwohner ein
"mon", eine kleine Münze, zum Tempelbau dazuzugeben.
In den Archivbeständen des Burgmuseums gibt es eine exakte Liste
aller Einwohner und Spender: 259526 Geldgeber haben zum Bau
beigetragen. Der neue Tempel sollte die Burg und Burgstadt gegen
Unheil aus nordöstlicher Richtung beschützen, der
gefährlichsten Richtung für den Einfall von bösen Geistern.
Formell ist die Benennung als Chouju-in korrekt, doch der
Volksmund hat nur wahrgenommen, daß sich in der Haupthalle
anstelle eines Buddhabildes die Göttin Benzaiten befindet, und
deshalb wurde die Anlage Ouhara-Benzaiten getauft, und die
Haupthalle wird Ouhara-Benzaiten-dou genannt. Es ist ein
beliebter Ort, um für geschäftlichen Erfolg zu beten, eine
Besuchsform, die man eher mit Schreinen assoziiert, und auch
sonst gehen die Tempel-Eigenschaften und Schrein-Eigenschaften
hier fließend ineinander über, denn Benzaiten ist eine wichtige
Gottheit im Shintoismus.
Ii Naooki, der Gründer des Tempels, war früher in der Administration des Shogunats tätig und wurde 1697 zum Tairou ernannt, also zum obersten Minister und damit quasi Regenten. Er übte dieses Amt 1697-1700 und 1711-1714 aus. Wegen dieser Verflechtungen zwischen Hikone und Edo ähneln die von ihm in Auftrag gegebenen Gebäude hier in Hikone in ihrer reichen Schnitzerei und Bemalung, dem üppigen Dekor der Holzelemente etc. dem Toushouguu-Schrein in Nikkou, und in der Tat wurden die Zimmermeister, die den Schrein in Nikkou erbaut hatten, erneut berufen, um hier den Chouyu-in zu bauen, insbesondere die Haupthalle. Deshalb wird die Anlage auch als "Nikkou von Hikone" bezeichnet. Natürlich sind die Holzelemente hier verwittert und könnten mal eine Renovierung und Auffrischung der Farben vertragen. Die Qualität der handwerklichen Arbeit und die Opulenz der Dekoration ist jedoch unübersehbar, so daß man diese Gebäude durchaus und nicht zu Unrecht als "Mini-Nikkou ohne Touristen" wahrnehmen kann.
Rundgang
und Beschreibung:
Am Ende der von Südwesten hinaufführenden Treppe steht ein
Niomon, ein turmartiges Tor vom Typ eines Rou-mon mit weit
ausladendem Irimoya-Dach und einer oben umlaufenden Galerie. Es
basiert auf einem 4 x 3 Pfosten-Schema mit dem breiteren
Durchgang in der Mitte und zwei Seitenkompartimenten jeweils
innen und außen. Außen sind in den Seitenfächern zwei
ausgesucht qualitätvolle Wächterfiguren aufgestellt, wovon die
linke durch die kleine Pagode auf der ausgestreckten linken Hand
eindeutig als Tamonten identifiziert werden kann. Wir haben es
hier also entgegen der durch die Torbezeichnung hervorgerufenen
Erwartung nicht mit einem Nio zu tun, sondern mit einem der vier
Shitenno (Himmelskönige). Die andere Figur im rechten
Seitenkompartiment mit einer ebenfalls kriegerischen Erscheinung
hält in der ausgestreckten Rechten ein rundes Gefäß und in der
Linken eine Stangenwaffe, sein wildes Gesicht wirkt durch die
flammend schräg nach oben gezogenen Haarbüschel besonders wild
(Figur nicht identifiziert). Beide Figuren sitzen auf einem
flachen Podest und haben das äußere Bein horizontal
angewinkelt, während das innere nach unten hängt. Die Augen
beider Figuren sind naturfarbig eingelegt. Auf der Innenseite des
Tores stehen in den beiden Seitenkompartimenten zwei weiße
Fuchsstatuen. Das Tor ist als Kulturgut der Präfektur Shiga
klassifiziert. Von hier hat man durch die Schneise des
Treppenweges einen hervorragenden Blick auf die Stadt und die
Burganlage. Beiderseits des Durchgangs stehen innen zwei einfache
Hütten, in denen zu besonderen Anlässen Devotionalien verkauft
werden.
Geradeaus hinter dem Tor liegt die Haupthalle. Sie ist sehr kompliziert gebaut mit einer bewegten Dachlandschaft. Eine parallel stehende größere hintere Halle und eine kleinere vordere Halle, beide mit Irimoya-Dach, sind durch ein dazwischen eingesetztes Satteldach miteinander verbunden. Die hintere Halle besitzt an der Nordostseite ein rechteckig auf zwei Pfosten vorgezogenes Vordach, die vordere Halle ist in dieser Hinsicht komplizierter: Auch dort ist das Dach rechteckig vorgezogen und ruht auf zwei Pfosten, trägt aber einen geschwungenen Karahafu und darüber noch einen dreieckigen Giebel, so als hätte das verbindende Dach mit seinem etwas höheren First das Dach der vorderen Halle durchdrungen, deren tiefer liegenden First kreuzend. Das ganze Dach ist mit Hongawarabuki gedeckt. Die vordere Halle mißt 3 x 4 ken und ruht auf 4 x 5 Pfosten. Die Haupthalle ist die Benzaiten-Halle (Benzaiten-dou), ein wichtiges nationales Kulturgut und damit das kunstgeschichtlich höchstwertige Gebäude im Ensemble der Glaubensstätte. In dieser Halle wird die weibliche Gottheit Benzaiten verehrt, einer der sieben Glücksgötter (Shichi-fuku-jin), die über Weisheit, Können und Reichtum verfügt und als Hüterin des Wissens und der Künste verehrt wird. Sie ist die Göttin der Kunstfertigkeit, der Musik, der Beredsamkeit, des fließenden Wassers und vor allem auch des Wohlstands, und genau die letztgenannte Zuständigkeit macht sie zu einem beliebten Ziel des Gebets. Ihr Erkennungsmerkmal ist neben ihrer Weiblichkeit die japanische Laute (Biwa-Laute). Ihre Wurzeln liegen in Indien, wo sie als Sarasvati bekannt ist. Deshalb ist sie eigentlich eine Deva-Gottheit. Durch Zuordnung zu den Shichi-fuku-jin hatte sie es zugleich ins Shinto-Pantheon als glückbringende Göttin geschafft. Aufgrund der Größe dieser Figur gehört der Tempel zu denjenigen mit den größten Benzaiten-Figuren des Landes. Die Architektur dieser Halle ist eine Besonderheit, denn sie folgt dem Typus des Gongen-zukuri, also dem Stil des Toushouguu-Schreines in Nikkou, auch wenn sie nichts mit Tokugawa Ieyasu zu tun hat. Dieser Architektur-Typus, bei dem zwischen zwei Hallen ein Korridor (Ai-no-ma, Chuuden, Ishi-no-ma bei einem Steinboden) liegt, wird auch Miyadera-zukuri genannt, wobei miya = Schrein und tera = Tempel die Janusköpfigkeit dieser Anlagen im fließenden Übergangsbereich zwischen Schrein und Tempel gut beschreibt. Der Ausdruck "Gongen" ist abgeleitet von Tosho Daigongen (Tokugawa Ieyasu). Charakteristisch ist der H-förmige Verlauf der Dachfirste, einer längs, zwei quer.
Von dieser Haupthalle, genauer von der Lücke zwischen den beiden miteinander verbundenen Hallen aus führt ein gedeckter Korridor zur südöstlich erhöht auf einer zweiten Terrasse gelegenen Amida-Halle (Amida-dou). Das ist eine einstöckige Halle mit Irimoya-Dach und rechteckig vorgezogenem Vordach, basierend auf einen 6 x 6 Pfosten-Schema bzw. 5 x 5 ken. Sie ist ebenfalls als Kulturgut der Präfektur klassifiziert. Die Terrasse wird entweder über einer Treppe von vorne von der Hauptebene aus erreicht oder über eine dazu 90° verdrehte Treppe im Nordwesten, die neben der Haupthalle ihren Ausgang nimmt. Auf der unteren Ebene steht zwischen beiden Treppen das überdachte Wasserbecken für die rituelle Reinigung (Temizuya, Chouzusha). Noch weiter im Südosten und ebenfalls gegenüber der Hauptebene erhöht liegt der private Wohnbereich der Mönche. Angeblich wurde beim Bau unter den Steinplatten der Böden und Wege Sand von 100 Tempeln verarbeitet, in denen Kannon Bosatsu verehrt wird, und von 282 weiteren Heiligtümern aus dem ganzen Land. Wer also zwischen Haupthalle und Amida-dou hin und her geht, sollte das besonders andächtig tun, denn das ist fast so gut und verdienstvoll wie der persönliche Besuch aller 382 Tempel im ganzen Land, fast.
Noch mehr interessante Gebäude stehen im Nordwestbereich: Ganz im Nordwesten steht der in Blockbauweise errichtete Houzou (Lagerhaus für die Kostbarkeiten des Tempels). Das einstöckige Bauwerk mit Irimoya-Dach ist aus fünfeckig zugeschnittenen, mit der geraden Seite nach innen und der spitzen Seite nach außen gesetzten Bohlen gefügt, so daß die Außenwände eine rustikale Zickzack-Textur haben. In der Mitte der Längsseite gibt es einen einzigen Zugang durch eine doppelflügelige, über eine kleine Holztreppe erreichbare Tür. Das Schatzhaus ist als Kulturgut der Präfektur klassifiziert, als drittes von insgesamt vieren. Östlich davon auf halbem Weg zur Haupthalle steht eine weitere Halle, auch dort fallen die üppigen Verzierungen durch Schnitzereien auf. Am Rande des Plateaus zum Abhang hin stehen mehrere kleine und schmucklose Schreine. An einem der Schreine wird Inari Daimyo-jin verehrt. Ein weiterer Schrein ist der Keideisha, ein nächster der Yama-gami-sha, ein Schrein für den Gott des Berges. Der weiter oben erwähnte Kyouzou (Lagerhaus für die heiligen Schriften), der in einigem Abstand im Süden steht, ist das vierte als Kulturgut der Präfektur klassifizierte Gebäude.
Es gibt noch ein Bauwerk, das man leicht übersieht: Wenn man links um die Haupthalle herumgeht, kommt man zu einem Weg, der über eine weitere Treppe, deren Beginn mit Torii, Schrifttafel und zwei Steinlaternen markiert ist, zu einem ca. 50 m nach hinten versetzten und höher am Hang liegenden, ebenso opulenten Gebäude führt, dem Uga-Schrein (Uga-jinja). Er hat die Rolle eines inneren Heiligtums (Okunoin). Zu seiner Entstehungsgeschichte wird erzählt, daß in den 1770er Jahren ein Feuer die Burg Hikone bedrohte. Man betete zu diesem Gott Uka oder Uga, und wunderbarerweise erstarb das Feuer, anstatt sich weiter auszubreiten. Aus Dankbarkeit wurde dem Gott dieser Schrein errichtet. Die Geschichte wird heute von den Besuchern so gedreht, daß dieser Schrein für alles zuständig ist, was man sich wirklich, wirklich, wirklich wünscht. Das Bauwerk ist damit ein deutliches Stück jünger als die anderen Gebäude, ist aber ebenfalls üppig verziert mit Schnitzereien.
Zuweg durch den Wald
Kyozo (Kyouzou), Sutra-Speicher
Ensemble
Tempeltor (Niomon) mit Statuen
Benzaiten-do, Haupthalle, vorderer Teil
Haupthalle, hinterer Teil
Hozo (Houzou), Schatzhaus
Halle zwischen Hozo und Benzaiten-do
Uga-jinja, Uga-Schrein
Amida-Halle, Amida-do
Literatur,
Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.2855384,136.2650306,20z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.2855384,136.2650306,103m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
die drei Tempel auf Visitjapan-Vegetarian: https://visitjapan-vegetarian.com/ryotan-ji-and-the-surrounding-temples-related-to-the-ii-clan/
Informationstafel der Stadt am Tempel
Auf Visit Hikone-shi: https://visit.hikoneshi.com/en/plan_your_visit/sightseeing/temples-shrines/ohara-benzaiten-choju-in-temple/
Gottheit Benzaiten: https://de.wikipedia.org/wiki/Benzaiten - https://en.wikipedia.org/wiki/Benzaiten
Bernhard Scheid: Benzaiten, in: Religion in Japan, Projekt der
Universität Wien: https://religion-in-japan.univie.ac.at/an/Ikonographie/Gluecksgoetter/Benzaiten - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Benzai-ten
Burgstadt: traditionelle Häuser in der Yume-kyobashi Castle Road - Daishi-ji - Gokoku-jinja - Soan-ji (Souan-ji) - Seiryo-ji (Seiryou-ji) - Ryotan-ji (Ryoutan-ji) - Raiko-ji (Raikou-ji) - Daishin-ji - Gantsu-ji (Gantsuu-ji) - Chiyo-jinja
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