Japanische Kunst und Kultur

Bernhard Peter
Hikone (Präf. Shiga), Tempel Daishi-ji

Der kleine Tempel Daishi-ji liegt etwa in der Mitte zwischen dem JR-Bahnhof (von Kyoto aus leicht über die Biwako Line zu erreichen) und dem ersten Wassergraben der Burg (Adresse: 7-19 Sawacho, Hikone, Shiga 522-0075). Vom Bahnhofsvorplatz aus folgt man der Hauptstraße noch Nordwesten und biegt in die dritte Seitenstraße links ein, die zweite Parzelle rechterhand gehört dem Tempel. Ab Bahnhof sind das 280 m. Deshalb hat der Tempel auch den Spitznamen "Kobo-san vor dem Bahnhof". Das Grundstück ist nur 22 m breit und 30 m tief und randvoll mit den wenigen Gebäuden. Ein kleines Tor öffnet den unter einem Regendach verlaufenden kurzen Weg zur Haupthalle mit Pyramidendach. Rechterhand liegt das Gebäude der Tempelverwaltung, ein weiteres Gebäude steht hinten quer, und links vom Eingang befindet sich ein Jizodo (Jizo-Halle, Daishi-ji-yoko-Jizodo, yoko = neben).

Der erst 1930 (Showa 6) gegründete Daishi-ji ist einer der wenigen Tempel des Shingon-Buddhismus in der Präfektur Shiga. Der Name des Tempels bezieht sich auf Kobo Daishi, genannt Kukai, den Gründer des Shingon-Buddhismus. Entsprechend stellt eine zentral aufgestellte Figur in der Haupthalle Kobo Daishi dar. Eine der zentralen Lehren des Shingon-Buddhismus ist die Verehrung von Dainichi Nyorai als Wahrheit des Universums, als Grundlage allen Lebens, und die damit verbundene Omnipräsenz Buddhas überall und jederzeit. In allem manifestiert sich dieses Leben von Dainichi Nyorai, auch in uns, und daraus sollten wir das Beste machen. An der linken Seite gibt es noch eine Figur von Fudo Myoo (Nakiri Fudo Myoo). In jedem Monat wird am 21. mit entsprechenden Riten an den Gründer der Schulrichtung gedacht und am 28. an Fudo Myoo. Auf der rechten Seite der Haupthalle gibt es noch eine Figur des Gründers (Kaizan) dieses Tempels.

Die Besonderheit dieses Tempels ist eine liegende Figur von Kobo Daishi (Ne-kobo-san): Direkt vor dem Eintretenden steht in der Halle ein erhöhtes Lager mit Futon und Kopfkissen, und darauf ist eine liegende Bronzefigur gebettet, wie im Schlafe (ne -> neru = schlafen). Im Kopf dieser Figur befindet sich ein winziges bißchen Asche von Buddha, (O-shari-san), das man vom To-ji in Kyoto erhalten hat, der seinen kostbaren Besitz brüderlich mit dem Daishi-ji geteilt hat. Pilger berühren die Figur am Kopf oder Körper, damit ihre Gebete "Namu daishi henjou kongou...." erhört werden. Vor dieser Statue gibt es eine grüne Kristallkugel (Omokaru-ishi), der magische Kräfte nachgesagt werden.

Zusätzlich zu den üblichen Dienstleistungen bietet dieser Tempel für Schüler und angehende Studenten. Schüler, die sich auf Prüfungen vorbereiten, oder Studenten, die sich Erfolg für ihr Lernen wünschen, suchen hier Beistand. Das fußt auf der Tätigkeit von Kobo Daishi, der dem einfachen Volk die Tür zur Bildung öffnete. Aufnahmeprüfungen für bestimmte Schulen und Universitäten sind ein wichtiges Thema: Man kann hier beim Tempelpriester Ryutoku Kurokawa für 5000 Yen eine spezielle, ca. 30 cm x 30 cm große Karte erwerben. Darauf schreibt man den Namen der Schule oder Universität, in die man aufgenommen werden möchte. Daraufhin werden auf die Karte mit roter Farbe die Kanji für Gokaku = Erfolg als Zeichen der Zustimmung des Tempels gestempelt. Zusammen mit einem Glücksbringer (Amulett für die Prüfung selbst) nimmt der Kandidat die Erfolgskarte nach Hause und wird mit solcherart Rückendeckung ermutigt, sein Bestes in der Aufnahmeprüfung zu geben. Für den Tempel ist das ein lukrativer Service.

Man kann dem kleinen Weg links an der Haupthalle vorbei zur Grundstücksgrenze folgen, dort stehen aufgereiht Statuen der sieben Glücksgötter (Shichi-fuku-jin). Das ist eine der wenigen Stellen, an denen man alle sieben auf einmal hat. Hinter diesen Statuen liegt schon der Parkplatz der Nachbarparzelle, alles ist hier sehr eng.

Die Reihe beginnt links mit Ebisu, kenntlich an der See- oder Meerbrasse (tai), die er unter dem Arm trägt und deren eine Flosse er mit der Hand ergreift, und der Angelrute in der rechten Hand. Ebisu läuft barfuß, trägt aber klassische japanische Hoftracht (Kariginu) und als Kopfbedeckung eine für den Hofadel typische Mütze (Eboshi). Er ist die einzige einheimische Gottheit von diesen sieben Göttern und gilt als Gott des Fischfangs, als Gott der täglichen Nahrung und als Gott der Kaufleute und Händler.
Als zweites folgt Daikokuten, identifizierbar durch seine Attribute Glückshammer, Sack, Mäuse und zwei Reissäcke, auf denen er steht. Der stets lächelnde Gott mit dem Wohlstandsbäuchlein ist der Gott des Wohlstands und des Reichtums. Seine Wurzeln liegen in Indien, wo er als Mahakala bekannt war, eine kriegerische Erscheinungsform des Gottes Shiva. Seine Verwandlung bei Übernahme ins japanisch-buddhistische Pantheon ist bemerkenswert.
Die dritte Figur von links stellt Bishamonten dar, mit der Stangenwaffe in der Rechten und der Pagode auf der linken Handfläche, auf dem Kopf ein Helm. Er ist ein Kriegsgott und ein Himmelswächter. Er wird von einem kleinen Löwen neben dem linken Fuß begleitet. Seine Wurzeln liegen ebenfalls in Indien.
Dann folgt an vierter Position die weibliche Gottheit Benzaiten, die über Weisheit, Können und Reichtum verfügt und als Hüterin des Wissens und der Künste verehrt wird. Sie ist die Göttin der Musik und der Beredsamkeit. Ihr Erkennungsmerkmal ist neben ihrer Weiblichkeit die japanische Laute (Biwa-Laute). Ihre Wurzeln liegen in Indien, wo sie als Sarasvati bekannt ist. Hinter dieser Gottheit steht eine Figur eines Drachens.
Als nächstes folgt die Statue von Fukurokuju, ein chinesischer Unsterblicher, der angeblich mehrere tausend Jahre alt ist. Die im chinesischen Daoismus verwurzelte Gottheit verleiht Fuku (Glück), Roku (Stabilität im Leben und in den Finanzen) und Kotobuki (gute Gesundheit und langes Leben). Seine Merkmale sind ein extrem langer und großer Eierkopf bei insgesamt eher kleiner Statur und ein langer weißer Kinnbart, ein knotiger Gehstock in der Rechten und in der Linken ein Juwel. Er geht gebückt und wird vorne zu seinen Füßen begleitet von Kranich und Schildkröte, beides Symbole für Langlebigkeit.
Die zweite Figur von rechts stellt Juroujin dar, eine aus dem chinesischen Daoismus stammende Gottheit. Laozi = Laotse, der Begründer des chinesischen Taoismus, wurde in einen Unsterblichen verwandelt und so zum Gott des langen Lebens. Jurojin wird mit grauem Haar und Kinnbart dargestellt, ok, entfällt, weil hier alles grau ist. In der rechten Hand hält er einen Stab mit einer Schriftrolle oben drauf, auf der der Segen des langen Lebens steht. In seiner linken Hand hält er einen Pfirsich (momo). Große Ähnlichkeiten bestehen mit Fukurokuju, und manchmal scheinen die beiden auch miteinander zu verschmelzen. Diese Gottheit des langen Lebens, die auch Schutzpatron der Wissenschaft ist, wird von einem weißen Hirsch begleitet, der über 1500 Jahre alt ist (oder einer anderen Farb- und Altersvariante).
Und ganz rechts folgt als letzte Figur der chinesisch-buddhistische Glücksgott Hotei. Der Mönch mit dem immer fröhlichen Aussehen und der äußerst gut genährten Konstitution (typischer Trommelbauch) war ein Zen-Mönch oder ein Priester der Kaishi, der im 10. Jahrhundert im späten Tang-zeitlichen China lebte. Der Gott der Selbstgenügsamkeit und der Zufriedenheit, der manchmal als Manifestation Maitreyas angesehen wird, läuft barfuß und trägt grobe Kleidung und kümmert sich wenig um weltliche Dinge wie Aussehen. Dafür hat er stets einen großen Sack zum Sammeln von Spenden bei sich, hier über die rechte Schulter geworfen. In der linken Hand trägt er einen Blattfächer.

Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.2730301,136.2602334,21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.2730301,136.2602334,53m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Webseite des Tempels: http://www.daishiji.or.jp/ - Geschichte des Tempels: http://www.daishiji.or.jp/yuisyo/index.html
Webseite der Stadt zum Tempel: https://visit.hikoneshi.com/en/plan_your_visit/sightseeing/temples-shrines/daishi-ji-temple/
Artikel auf Sumikai zu Erfolgskarten und ähnlichen Amuletten vom 13.2.2019: https://sumikai.com/nachrichten-aus-japan/schueler-schnappen-sich-shiga-gluecksbringer-240188/
Bernhard Scheid, Sieben Glücksgötter, im Projekt "Religion in Japan", Universität Wien: https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Sieben_Gl%C3%BCcksg%C3%B6tter - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Ebisu - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Daikoku - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Benzai-ten - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Fukurokuju - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Jur%C5%8Djin - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Hotei - https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Essays/Bishamon-ten#g-bishamonten
Sieben Glücksgötter auf Japanwelt: https://www.japanwelt.de/blog/sieben-gluecksgoetter-japan-shichifukujin
Sieben Glücksgötter auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Gl%C3%BCcksg%C3%B6tter - https://de.wikipedia.org/wiki/Daikoku - https://de.wikipedia.org/wiki/Ebisu - https://de.wikipedia.org/wiki/Benzaiten - https://de.wikipedia.org/wiki/Bishamon - https://de.wikipedia.org/wiki/Fukurokuju - https://de.wikipedia.org/wiki/Jur%C5%8Djin - https://de.wikipedia.org/wiki/Budai_(Buddha)
Sieben Glücksgötter bei Mark Schumacher: https://www.onmarkproductions.com/html/seven.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/ebisu.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/benzaiten.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/bishamonten.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/daikoku.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/fukurokuju.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/hotei.shtml - https://www.onmarkproductions.com/html/jurojin.shtml
Kukai = Kobo Daishi auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/K%C5%ABkai - https://en.wikipedia.org/wiki/K%C5%ABkai
Kukai = Kobo Daishi auf Japan Experience: https://www.japan-experience.com/plan-your-trip/to-know/japanese-history/kukai-kobo-daishi
Biographie von Kukai = Kobo Daishi auf Shikoku88: https://shikoku88-japan.com/kukai-biografie/

Burgstadt: traditionelle Häuser in der Yume-kyobashi Castle Road - Gokoku-jinja - Soan-ji (Souan-ji) - Seiryo-ji (Seiryou-ji) - Ryotan-ji (Ryoutan-ji) - Choju-in (Chouju-in) und Ohara Benzaiten - Raiko-ji (Raikou-ji) - Daishin-ji - Gantsu-ji (Gantsuu-ji) - Chiyo-jinja

Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home