Bernhard Peter
Ladakh
von Leh hoch zum Khardung-la

In Ladakh laufen die wichtigsten Gebirgszüge im wesentlichen parallel von Südost nach Nordwest: Erst die Zanskar-Kette, dann die Ladakh-Kette, dann die Karakorum-Kette mit dem kleinen Saltoro-Rücken. Zwischen diesen Ketten verlaufen die wichtigen Flüsse, zwischen Zanskar-Kette und Ladakh-Kette der Indus, zwischen Ladakh-Kette und Karakorum-Kette der Shyok, welcher als Nebenfluß den Fluß Nubra hat, der ziemlich genau von Norden kommt. Innerhalb dieser Täler ist der Verkehr übersichtlich und leicht, das Problem sind nur die extrem hohen Pässe zwischen den Tälern. Vom Industal ins Shyok-Tal gibt es nur zwei prinzipielle Möglichkeiten von Leh aus: Der Khardung-Pass und der Digar-Pass. Beide führen von Leh nach Khalsar. Ersterer hat 5606 m Höhe, letzterer um die 5000 m.

Praktischer ist natürlich der erste, denn er ist für Jeeps befahrbar, der höchste befahrbare Paß der Welt. Diesen wollen wir nehmen. Wir, das sind Dorje, Angtsuk und ich. Am Vortag gab es noch etwas Aufregung, weil ich mich nach der Verabredung für den nächsten Tag seelenruhig von Angtsuk verabschiedet hatte und einen vergnüglichen Tag in Phyiang und Spituk hatte, während ihm siedend heiß einfiel, daß er ja noch meinen Paß brauchte. Ich glaube, er hat halb Leh nach mir umgekrempelt, während ich in Spituk den Gebeten lauschte. Erst als ich reinsten Gewissens nachmittags wieder in Leh über den Markt schlenderte, quietschten neben mir abruft die Reifen, und Angtsuk fiel ein Stein vom Herzen. Und nun läuft der Paß ohne mich los: Von Angtsuk zum Boss, zu einem anderen Angestellten, zur Behörde, zurück zum Angestellten, zurück zum Boss, der abends telefonisch einen anderen Angestellten beauftragt, ihn mir ins Hotel zu bringen - ich glaube, der Paß ist durch mindestens 6 Hände gegangen, ehe er wieder bei mir war. Das kann man auch nur bei den verläßlichen Ladakhis machen. Dennoch war es ein beruhigendes Gefühl, ihn zum Einschlafen wieder im Bauchgurt zu wissen. Denn zur Bereisung der Region Nubra ist ein spezielles Permit nötig, weil es eigentlich militärisches Sperrgebiet ist. Man bekommt das Permit, es ist nur Verwaltungsaufwand. Und man braucht es, denn auf dem Weg ins Nubratal wird mehrfach kontrolliert.

Von Leh aus ist die Paßhöhe eigentlich gar nicht weit entfernt, nur 39 km. Die gefühlte Entfernung ist jedoch eine gänzlich andere. In unendlichen Serpentinen in alle Himmelsrichtungen schraubt sich der Weg entlang der Berghänge von Leh aus hoch, immer abenteuerlichere Blicke auf die südlich gegenüberliegende Zanskar-Gebirgskette gewährend. Auf diesem Highway to sky ist man jedoch nicht allein, ganze Armeekonvois quälen sich hier ebenfalls den Berg hoch, und besonders Enthusiastische nehmen den Aufstieg gar mit dem Mountainbike, Hut ab. Ein bißchen schäme ich mich schon, als fauler Sack hier hoch den Jeep zu nehmen, dafür kann ich aber die grandiose Aussicht genießen, mir läuft kein beißender Schweiß in die Augen, während mühsam bei jedem Tritt die Kieselsteine am Straßenrand gezählt werden und der Atem in der dünnen Luft immer schneller werden muß.

Mit dem Dorf Gangles hat man nördlich von Leh die letzte zusammenhängende Vegetation hinter sich gelassen, von nun an sind nackter Fels und Geröll die Begleiter. Angtsuk erweist sich als wahrer Meister im millimetergenauen Abschätzen von Lücken zwischen Felswänden und Armeelastern, ein Meister seines Faches. Und ein sehr geduldiger dazu, erträgt er doch mit stoischer Ruhe meine ständigen Bitten nach einem Photostop, vorzugsweise tun sich die besten Perspektiven immer nach dem erfolgreichen Überholen von lahmen Schnaufern auf oder in gefährlichen Außenkurven. Jeder Andere wäre vermutlich irgendwann explodiert, doch Angtsuk ist nicht nur ein Meister der Fahrkunst, sondern auch der Gelassenheit.

Der Blick geht immer wieder zurück auf die grüne Oase von Leh und seinen nördlich vorgelagerten Stadtteilen Dörfern Karzoo, Tisseru, Chubi, Gangles, Sangkar etc.

Mit jeder Kehre wird einem die Großartigkeit dieser Naturkulisse erneut bewußt.

Tief eingeschnitten sind die Wege in die Geröllhänge.

Erster Checkpoint ist in ca. 2/3 Höhe, mit großer Rastfläche für Armeekonvois; ein Hubschrauber fliegt gerade an. Die Anwesenheit des Militärs wird wieder einmal erdrückend bewußt. Der Weg wird immer schlechter und halsbrecherischer, Asphalt gibt es schon lange nicht mehr, dazu werden gerade irgendwelche Rohre verlegt, was den befahrbaren Raum noch weiter einschränkt, und der Jeep quält sich von Schlagloch zu Schlagloch.

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