Bernhard Peter
Streifenhörnchen und Frühstück

Wie in Udaipurs Unterkünften üblich, frühstückt man auf der Dachterrasse, wo der Blick über den herrlichen See schweifen kann und an dem schneeweißen Lake Palace im Morgendunst hängenbleibt. Weniger Sinn für die herrliche Aussicht, dafür um so mehr für die Abgelenktheit des Gastes haben die vielen Streifenhörnchen, die die Dachterrasse bevölkern. Putzige Kerlchen, flink huschen sie die Stuhllehne oder das Tischbein hinauf, sichern kurz mit ihren schwarzen Knopfaugen und vor Erregung vibrierenden Schnurrhaaren, weit vorgereckter Schnauze und steil hochgestelltem Schwanz, im nächsten Augenblick schon ist die Nase an meinem Parantha Masala (eine Art Curry-Pfannkuchen), während ein anderes gerade eine Etage tiefer meine Strümpfe untersucht, ob man sie anknabbern könnte. Zwei Tage alter Fußschweiß ist dann doch nicht das Wahre, schon ein Husch, es sitzt auf meinem Schoß und blickt mich aus seinen Knopfaugen herausfordernd an, während oben auf dem Tisch ein Stück meiner Paranthas auf Nimmerwiedersehen verschwindet und ich nur noch einem braun gestreiften hoppelnden Blitz hinterher schaue. Ein Gast, der sich nicht bewegt, ist zwar garantiert mit dem Mundraub einverstanden, aber sicher ist sicher! Einfach zu putzig, um ihnen böse zu sein! Das Gesicht mit den relativ großen schwarzen Knopfaugen ein perfektes Kindchenschema, doch Sehnen aus Stahl, wenn es darum geht, die Beute in Sicherheit zu bringen. Den Schweif lang nach hinten gestreckt, saust es hoppelnd in eine stille Ecke unter einem Bougainvillea-Busch, kugelt sich auf die Hinterbeine zusammen und mümmelt seine Beute zwischen den zierlichen Vorderpfötchen und knuspert sich schmatzend durch das Stück Parantha. Seitdem man ihnen das untätig vor Neugier und Entzücken über die putzigen Wesen einmal quasi als Privileg eingeräumt hat, erheben die Streifenhörnchen gewissermaßen einen verbrieften Anspruch auf ein paar Prozent meines Frühstücks, auf ein Stück, das sie sich jeden Morgen abholen dürfen und gaaanz zaghaft mitunendlich lang gerecktem Hals und fest in den Untergrund gestemmten Pfötchen sogar aus meiner Hand nehmen, um sich dann wie eine Feder wieder zusammenzuziehen und mit der Beute das Weite zu suchen. Das Recht, alles und jedes zu untersuchen, haben sie sowieso, und gerade, wenn ich von meinen Notizblättern aufschaue, steckt eine spitze Nase gerade tief in der Tülle meiner Teekanne - Au, heiß! Aber vielleicht der Zucker? Ihre Kletterkünste sind unglaublich, selbst in kleinsten Ritzen finden die Pfötchen Halt, und mit atemberaubender Akrobatik turnen sie auf den Simsen und Mauern der Häuser herum, und zugleich sind sie so elegant in ihren Bewegungen, daß alles leicht wie eine Feder wirkt. Insofern ist es auch sinnlos, sich dem Besuch der Hörnchen zu verschließen, so gerne das meine Vermieter auch täten, weil sie eben alles anknabbern, was nicht niet- und nagelfest ist, Essen, Blumen etc, aber die kleinen Kletterer sind so geschickt, daß sie die eigentliche Hoheit über jede Dachterrasse innehaben, sehr zu meinem Vergnügen.

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