Bernhard Peter
Die
Tempelstädte von Tamil Nadu
5.
Die Tempelstadt Madurai
Der
Minakshi-Sundareshvara-Tempel - ein Doppeltempel
Das große Tempelrechteck
mißt 254m x 237m und umfaßt also ca. 6 ha. Die Stadt ist um
16° nach Norden verdreht, die Gründe sind nicht bekannt. Die
derzeitige Gestalt des Tempels stammt im wesentlichen aus dem 17.
Jh. Die Anlage besteht aus drei Prakramas, wobei zwei Mauern den
Sundareshvara-Schrein umgeben und im dritten Prakrama (von innen)
das Minakshi-Heiligtum liegt, welches für sich ebenfalls zwei
Mauern und zwei Prakramas hat. Sundareshvara bedeutet Herr
der Schönheit und steht für Shiva. Sri Minakshi bedeutet
wörtlich Die Fischäugige. Sie ist eine uralte,
wahrscheinlich schon vorhinduistische Göttin, die als Gefährtin
Shivas und Gleichsetzung mit Parvati in den hinduistischen Kult
integriert wurde. Daß der wichtigere Schrein im Norden des
Minakshi-Schreines liegt, folgt uralten Vastu-Regeln, nach denen
eine Nordostposition immer die bevorzugtere ist. Beide Schreine
haben je zwei Prakramas, Maha-Mandapas und vergoldete Vimanas
über dem zentralen Schrein. Der Komplex enthält noch kleinere
Schreine für Ganesha und Subrahmanya.
Der Tempel gilt als eine der fünf Tanzhallen Shivas, wo er seinen kosmischen Tanz vollführt. Die anderen vier Tanzhallen sind in Chidambaram, Tiruvalankadu, Tirunelveli und Kutralam.
Architektur
Gewaltige Gopurams
beherrschen die Anlage, der Südgopuram ist der höchste. Der
Sundareshvara-Schrein hat für sich 5 Gopurams (vier mit 5
Stockwerken in der zweiten Mauer und ein kleinerer mit nur 3
Stockwerken in der ersten Mauer), der Minakshi-Schrein nur 2;
vier Gopurams teilen die Außenmauern, ein letzter befindet sich
im Südosten der Anlage im Innern des Komplexes. Insgesamt hat
der Tempelkomplex 12 Gopurams, wovon die äußersten vier ein
Basisgeschoß, 9 Figuren-Geschosse und einen Dachaufsatz, also
insgesamt 11 Geschosse haben und ca. 50 -70 m Höhe erreichen.
Konkave Linienführung gibt diesen Türmen starken Schwung in die
Vertikale. Sie sind mit jeweils über 1000 Sudhai-Figuren
geschmückt. Der Ost-Gopuram wird seit einem spektakulären
Selbstmord eines Arbeiters nicht mehr als Durchgang benutzt.
Die Hauptachsen sind durch den zweiten Tempel etwas aus der Mitte versetzt. In NS-Richtung verläuft eine einzige Achse durch 4 Gopurams, in OW-Richtung eine Hauptachse durch den Sundareshvara-Schrein und 5 Gopurams und eine parallele Nebenachse durch den Minakshi-Schrein und 3 Gopurams.
Die erste Halle, die der Besucher von Osten her betritt, ist die Ashta Shakthi Mandapa. Erbaut von Thirumalai Nayakar's Ehefrauen Rudrapathi Ammal und Tholimamai. Einst diente diese Halle der Speisung der Pilger.
Daran schließt sich die Minakshi Nayaka Mandapa an, eine geräumige Säulenhalle voller Läden und Stände. Bemerkenswert ein Votiv-Lampenhalter für 1008 Lampen. Die Skulpturen zeigen Wunder Shivas und Geburt und Leben von Minakshi, einst Prinzessin von Madurai, Adoptiv-Tochter von Malayadwaja Pandya, kinderloser König von Madurai. Einst hatte sie drei Brüste, die dritte verschwand erst, als sie ihren Gemahl Shiva traf.
Wie im allgemeinen Schema erläutert, liegen im dritten Prakrama der Tempelteich und die 1000-Pfeiler-Halle. Der Tempelteich oder Teppakulam trägt die Namen "Swarnapushpakarini" oder "Pottamarai" oder auch "Putramalai Kulam", "Behälter der goldenen Lilien" oder "Teich des goldenen Lotus".
Die 1000-Pfeiler-Halle ("Sahasra-Stambha-Mandapa") ist ca. 75m x 70m groß und hier besonders regelmäßig mit monolithischen Pfeilern aus Granit ausgestattet, die Zahl 1000 wird mit 985 Pfeilern nur knapp verfehlt. Durch die niedrige Decke wirkt der immerhin ca. 5000 Quadratmeter große Raum recht labyrinthisch. Sie wurde ca. 1550 erbaut. Im Westen der 1000-Pfeiler-Halle befinden sich die tönenden Säulen.
In der Kalyana-Mandapa (Hochzeits-Halle) südlich der 1000-Pfeiler-Halle wird jedes Jahr ca. Mitte April die Hochzeit zwischen Shiva und Parvati gefeiert.
Nicht im Plan eingezeichnet sind die im Osten des Komplexes gelegenen Gebäude: Hier folgt in der Achse erst die Pudu Mandapa (Putu Mandapa, Tirumalas Choultry), eine Pfeilerhalle von 30m x 110m Ausdehnung, im Jahre 1645 AD vollendet. Östlich daran schließt sich eigentlich noch ein riesiger Gopuram an, der nie fertiggestellt wurde.
Der Grundriß ist auf einer separaten Seite in hoher Auflösung verfügbar.
Der
innere Doppeltempel im Detail:
Auch wenn wir den
Tempelkomplex primär in seiner konzentrischen Struktur auf das
Shiva-Heiligtum fokussiert wahrnehmen, dürfen wir nicht
übersehen, daß es im Grunde ein Doppelheiligtum ist. Die
Verehrung des Gottes und seiner Gefährtin ist sowohl in der
Architektur als auch im regelmäßigen Ritus ein komplexes Spiel
mit Vereinigung und Trennung. In der Zeichnung unten ist die
Doppelstruktur von allem anderen befreit dargestellt. Wir sehen,
daß die Struktur aus zwei vollkommen separaten und in sich
ähnlichen, wenn auch in der Größe unterschiedlichen Einheiten
besteht:
Auch wenn der Göttin-Tempel kleiner ist als der Gott-Tempel, folgt er dennoch dem gleichen Grundmuster, wie er für diesen Typ Tempel, einen Shiva-Tempel im südindischen Vijayanagara-Nayaka-Stil, charakteristisch ist:
Ergänzende Schreine vervollständigen die göttliche Familie: Rechts und links der Eingänge in Ost-West-Linie befinden sich die Schreine der Kinder von Shiva:
So hat Shivas älterer Sohn, Ganesha, seinen jüngeren Bruder Subrahmanya zu seiner Linken.
Die
Stadt
Die Stadt selbst ist durch
Ringstraßen gegliedert, die im großen Ganzen den Tempelumrissen
folgen und dessen Ordnungsprinzip aufgreifen, aber nicht mit der
strengen Regelmäßigkeit wie z. B. in Srirangam.
Madurai hat 11 große Stadtfeste mit Prozessionen, meist durch die inneren beiden Ritualstraßen (Wagenstraßen). Im März/April wird das elftägige Hauptfest der Stadt gefeiert, dabei geht es durch die äußerste, dritte Ringstraße.
Ein großer Teppakulam (Teich) liegt mehrere Kilometer entfernt am Fluß in ostsüdöstlicher Richtung.
(1) - Die Tempelstädte von Tamil Nadu, eine
Einführung
- (2) - Cluster von Tempeln
(3) - Stilmerkmale der
Tempelstädte von Tamil Nadu
(4) - Srirangam: Eine Idealstadt - (4a)
- Srirangam: Grundriß in hoher Auflösung
(5) - Die Tempelstadt Madurai - (5a)
- Madurai: Grundriß in hoher Auflösung
(6) - der Nataraja-Tempel in
Chidambaram
- (6a) - Chidambaram: Grundriß in
hoher Auflösung
Links, Quellen und Literatur zur
indischen Architektur
Photos Madurai (1) - (2) - (3) (Margret Foth, Fritz Niemann)
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Essays über Indien
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