Bernhard Peter
Gur-i Amir - Timurs Mausoleum in Samarqand

Bauzeit: Ende 14. – Anfang 15. Jh. Der Name bedeutet „Grabmal des Anführers“. Eigentlich sollte das Grabmal Timurs Lieblingsenkel beherbergen, Muhammad Sultan (1375-1403), der eigentlich von ihm als Thronfolger ins Auge gefaßt worden war, aber dann in einem von Timurs Feldzügen in Anatolien tödlich verwundet wurde. Nach und nach wurde es zur Grablege für Timur selbst und wichtige Mitglieder der Familie Timurs: Seine drei Söhne Umar Sheikh, Schah Rukh und Miran Schah sowie seine beiden Enkel Pir Muhammad und Ulugh Beg. Timur selbst wollte eigentlich gar nicht hier zur letzten Ruhe gebettet werden, sondern in Shahri-Sabz.

Timur war der Hauptauftraggeber für den das Grabmal begleitenden Komplex aus Medrese und Khanqah, der ca. 1401 fertig wurde. Um einen quadratischen Hof sind die einzelnen Bauwerke gruppiert, das Mausoleum im Süden, die Medrese im Osten und die Khanqah im Westen, der Eingang im Norden.

Das Hauptportal – mehrfach restauriert - mißt 12,07 m in der Höhe. Es wird dem aus Isfahan stammenden Architekten Mahmud al-Banna al-Isfahani zugeschrieben, dazu paßt die deutlich persische Formensprache. Es entstand nicht unter Timur selbst, sondern später unter Ulugh Beg im Jahre 1434. Es ist im Verhältnis zum Grabmal eher klein und symbolisiert die Abkehr von der Gigantomanie unter Timur.

Der Vorhof mißt 9.5 x 30.4 m. An jeder Ecke des Hofes befand sich einst ein Minarett, von den beiden vorderen sind nur noch die Grundmauern zu sehen. Die eigentliche Bedeutung dieser Anlage ist, daß es sich um das erste im Ensemble aus mehreren aufeinander bezogenen Subeinheiten geplante Bauwerk handelte, was richtungsweisend für die timuridische und auch spätere Planung der urbanen Strukturen wurde.

Das Grabmal selbst wurde ca. 1404 fertig. Zuerst entsprach es nicht Timurs Wünschen, weshalb er es noch einmal umarbeiten ließ – angeblich innerhalb von 10 Tagen. Der Grundriß ist ein Achteck von 7.5 m Kantenlänge. Ein wuchtiger Unterbau von 13 m Höhe trägt die Kuppel. Die riesigen Ziegelmuster des Unterbauten haben kufische Kalligraphien („Allah“ und „Muhammad“). Vor dem eigentlichen Grabmal liegt noch als Eingangshalle ein gewaltiger Iwan von 11.80 m Höhe, mittlerweile ebenfalls stark restauriert.

Hier wird auch die vertikale Tendenz timuridischer Architektur deutlich: In vortimuridischer Zeit verhielten sich bei Kuppelbauten Sockel zu Kuppel ungefähr wie 2:1. Hier sind Kuppel und Tambour doppelt so hoch wie der Unterbau, Unterbau zu Tambour zu Kuppel verhalten sich ungefähr wie 1:1:1!

Das Grabmal besitzt eine typisch timuridische doppelschalige Kuppel: Die spitze Innenkuppel erreicht 22.50 m, die melonenförmige und gerippte Außenkuppel ca. 34 m. Die Trennung in eine flacher gespannte Innenkuppel und eine Außenkuppel macht erst die extrem hohe und ausgerundete Außenkuppel möglich, weil beide gegeneinander verstrebt sind und sich gegeneinander stützen. Holzbalken ruhen auf Vorsprüngen der Innenkuppel und stützen die Außenkuppel, die sich über einem Muqarnasband sogar erst ein wenig nach außen vorwölbt, ehe sie zur Rundung einschwenkt. Die Innenkuppel nimmt ca. die gesamte Höhe des Tambours ein. Die Kuppeln sind wie auch die Außenmauern aus Ziegeln gemauert. Die für sich alleine 13 m hohe Außenkuppel mit insgesamt 64 Rippen sitzt auf einem zylindrischen Tambour, der die Kalligraphie „Die Ewigkeit ist Gottes“ (oder auch mit „Die Unsterblichkeit gehört zu Gott“ zu übersetzen) trägt. In die große Schrift eingefügt ist noch eine kleine Zeile, die "Al-hamdu-lillah", "Preis sei Gott", wiederholt. Verschiedene Mosaikfriese in weiß, azur und türkis schmücken den Tambour im oberen Bereich. Den Übergang zwischen Tambour und Melonenkuppel kaschiert ein Muqarnas-Band als eine Art Konsolgesims. Die gesamte Kuppeloberfläche ist mit einem Mosaik aus Kobalt und Türkis überzogen, welches geometrische Muster in unendlicher Wiederholung formt, ein absolutes Meisterwerk der geometrischen Mosaikkunst auf hochdiffizilem Oberflächenrelief. Die Kuppelschale wurde in den 50er-Jahren des 20. Jh. aufwendig restauriert, nachdem der größte Teil der Mosaikplättchen heruntergefallen war. Eine solche gerippte Kuppel findet man auch beim von Timur für Khodja Ahmad Yasawi in Jassy errichteten Grabmal.

Innen spiegelt die Architektur mitnichten die Erwartungen wider, die man von der Außenkonzeption her hat. Natürlich wäre da an erster Stelle die wesentlich niedrigere Innenkuppel zu nennen, die die wahrgenommene Raumhöhe hinter den Erwartungen zurückbleiben läßt. Die lichte Höhe im Innern ist nur 22.5 m, auch ist die Kuppel flacher als die äußere, ihre Rundung entspricht eher dem typisch persischen Bogen als der äußeren Melonenform. Aber auch die Grundrißform folgt im Innenraum nicht mehr einem Achteck, sondern auf einem Quadrat mit 10.2 m Kantenlänge, welches kreuzförmig durch rechteckige und mit reichlich Muqarnas ausgefüllte Nischen erweitert ist, die von außen unsichtbar sind, weil sie sich im massiven Unterbau verbergen. Der Übergang vom zentralen tragenden Quadrat zum Fußkreis der Kuppel erfolgt durch Trompen zum Achteck, dann zu einem Sechzehneck und schließlich zum Kreis.

Innen ist das Grabmal bestens restauriert, wie überall in Usbekistan auffällt, daß man sich unglaubliche Mühe mit der Bewahrung der alten historischen Bausubstanz gibt. Innen ist der Gur-i-Emir noch verschwenderischer als die Tilla Kori und in Bestzustand. Die Farben blau und Gold herrschen vor. 4 Nischen mit exquisiten Muqarnas erweitern den Hautraum zu einem kreuzförmigen Grundriß. Der Dekor im Inneren besteht aus den verschiedensten Materialien: Alabaster und Onyx wurde in Form sechseckiger Platten für den Sockelfries genommen. Über einer jaspisgrünen Wandverkleidung läuft ein Band um, das in mehreren Stufen flache stalaktitenähnliche plastische Muster hat. Darüber in ca. 2 m Höhe kommt das erste von insgesamt drei Schriftbändern, das Timurs Leben verherrlicht, wobei dieses im Gegensatz zu den beiden anderen plastisch ausgearbeitet ist, gold auf blauem Untergrund. Darüber sind bis zum oberen Abschluß der erwähnten Seitennischen die Flächen gefüllt mit einem komplizierten, erhabenen Sternmuster, wo alle unregelmäßigen Sechsecke der Füllungen aus je 3x dem Schriftzug „Muhammad“ in Kufi bestehen, gold auf blau. Darüber befindet sich umlaufend das zweite Schriftband in Thuluth, gold auf dunkelblau, eine obere Zeile in hellblau zusätzlich zwischen die weißen Buchstaben eingeflochten. Darüber beginnt schon die Trompenzone, ein ereich mit achteckigem Querschnitt, ohne Muqarnas, verschwenderisch mit Kundal belegt, plastische florale Motive, gold auf hellgrau. Im nach oben anschließenden 16Eck befindet sich das dritte Thuluth-Schriftband. Die flache abschließende Kuppel schließlich ist voller vegetabiler Ornamente in Kundal-Technik. Sie ist mit einem unglaublich einfachen und leichten Material verziert: Sie ist beklebt mit vergoldetem Pappmaché. In den Gurtbögen zu den rechteckigen Seitennischen sind weitere plastische Kufi-Elemente, schräggestellte Quadrate aus geometrischem Kufi, die kleineren bestehen aus 4x im Quadrat angeordneten Namen „Muhammad“, die größeren aus 4x „Al-hamdu-lillah“ und innen 2x „Muhammad“. Die unzähligen auf’s Eck gestellten Quadrate in der Zone über dem ersten, untersten Schriftband enthalten jeweils 4x den Namen „Muhammad“ in quadratischem Kufi. Rechts und links der 4 Fenster im Tambour sind große plastische vergoldete Blumenvasen als Schmuck.

Innen die Grabmonumente aus Stein, deren Detailbeschreibung weniger spannend ist, schlicht und edel gearbeitet. In den Gräbern ruhen wichtige Mitglieder der Familie Timurs neben dem großen Herrscher, aber auch Nicht-Familien-Mitglieder, z. B. Timurs Freund, geistiger Mentor und Lehrer, Sheikh Mir Said Berke, sowie einer seiner wichtigsten Minister, Kumar Inak. 1941 wurde Timurs Grab näher durch Prof. M. M. Gerasimov untersucht, dabei wurden die Lähmungen der rechten Seite bestätigt. An seinem Schädel hingen noch rote Haare, des weiteren litt Timur offensichtlich an Tuberkulose. Timurs Kenotaph ist aus poliertem Nephrit. Nephrit ist eine dunkelgrüne Jade und ein Gestein aus den Mineralen Tremolit (Ca2(Mg,Fe)5[(OH,F)Si4O11]2), Aktinolith (Ca2Mg5[(OH,F)Si4O11]2) und deren Mischkristallen, die zu der Amphibolfamilie gehören. Die Farben des Nephrits werden durch Fremdmetallatome wie Chrom und Eisen verursacht und reichen von graugrün über dunkelgrün bis fast schwarz. Im 18. Jh. brach der Kenotaph-Stein entzwei, als Nadir Shah, der persische Eroberer, versuchte, ihn als Beute fortzuschleppen. Die Inschriften des Kenotaphes listen Timurs Abstammung bis hin zu Dschingis Khan und Ali, dem 4. Kalifen des Islams, auf. Diese – natürlich von reichlich Wunschdenken geprägte Abstammung untermauert den Anspruch, sowohl Herrscher über die mongolische Welt als auch über die islamische Welt zu sein. Der Grabstein trägt eine Inschrift: „Wenn ich von den Toten auferstehe, wird die ganze Welt erzittern“. Manche bringen das in sehr willkürlicher Interpretation mit Hitlers Einmarsch in Rußland 1941 in Verbindung – ein Schluß, den der selbstherrliche Timur garantiert nie akzeptiert hätte. Wenn hier vor einem gezittert wird, dann vor Timur und vor keinem anderen! Viel nachdenklicher stimmt eine andere Inschrift auf einem anonymen Grab im Vorraum: „Wenn ich leben würde, wären die Menschen nicht sehr glücklich“. Wäre die nicht viel angemessener für einen der brutalsten Eroberer Asiens? Bei der Öffnung der Gräber im Jahre 1941 wurden auch die sterblichen Überreste von Ulugh Beg untersucht: Sein Kopf war abgetrennt und lag neben seinem Körper, sichtbarer Bewes für seinen gewaltsamen Tod.

Das Bemerkenswerteste Detail ist der Tierschwanz an einem kleinen Holzgalgen über dem Grab des Sufi-Scheichs Sayyid Umar.

Ein weiteres interessantes Detail ist der „Kok-Tosh“ im Hof außerhalb des Mausoleums, eine Steinplatte, auf der traditionell Krönungszeremonien der Timuriden stattfanden – auch das ein Zeichen des Machtanspruchs von Timur und Familie.

Später wurde der Komplex erweitert, Ulugh Beg fügte 1424 im Osten eine Galerie hinzu. Das ursprüngliche Gebäude muß frei gestanden haben und keine direkte Mauerverbindung zu den flankierenden Minaretten gehabt haben, diese wurde erst durch den Bau Ulugh Begs im Südwesten geschaffen.

Insgesamt wurde dieser Bau, für einen der größten Eroberer der Welt errichtet, für die nächsten zwei Jahrhunderte richtungsweisendes Vorbild in der Architektur der Grabbauten.

2006 präsentiert sich das Gebäude in folgendem Zustand: Insgesamt ist das Niveau der Anlage deutlich gegenüber der Umgebung vertieft, so daß man wie auf einer Galerie auf der Straße drumherumschreiten kann. Von der ursprünglichen Struktur sind nur das Mausoleum, zwei Minarette von einst vieren an den vier Ecken des Vorhofes und das monumentale Eingangstor noch übriggeblieben. Die beiden hinteren Minarette stehen, davon ist eines wiederaufgebaut. Die Minarette sind spiralförmig von Kufi-Schrift umwunden, jeweils getrennt von durchgezogenen doppelten Linien, was die Spiralität noch unterstreicht. Die Schrift lautet stereotyp immer wiederholt „Allahu akbar“ – „Gott ist über allem“ – ein endloses Tasbih. Die beiden vorderen Minarette sind als Grundmauern vorhanden, in Grundmauern gleichmäßiger Höhe ausgelegt sind ferner die beiden Grundrisse der Khanqah zur Rechten (nach Ausgrabungsbefd sinngemäß ergänzt) und der Medrese zur Linken des Nordtores, welches quasi als Solitärbau steht. Es handelte sich bei der Medrese um einen Hofbau mit zwei sich auf den Hof öffnenden Iwanen und einer Nischenfassade, von der die einzelnen Studentenzimmer abgingen. In den Ecken befinden sich jeweils überkuppelte Zentralräume, die jeweils von der unmittelbar benachbarten Zelle zugänglich waren, genutzt als Unterrichts- oder Gebetsraum. Die Tür im West-Iwan ist vermauert, seitlich führt eine Tür ins Untergeschoß.

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