Bernhard
Peter
Timur
Lenk - Welteneroberer
Ein
neues Großreich auf Kosten der restlichen Welt: Timur Lenk
Die Geschichte des
Timuridenreiches wird dominiert von seiner Gründergestalt: Timur
Lenk. Mit ihm steht und fällt eines der größten und
mächtigsten Reiche Zentralasiens.
Der
politische Hintergrund:
Nach dem Durchzug Dschingis
Khans und der Zerstörung der alten Reiche in Persien und im
Vorderen Orient rangen zwei Mächte um Größe: In Persien waren
es die islamischen Ilkhane, die das Reich mit gewaltigen
Anstrengungen wieder aufbauten. In Transoxanien waren es die
Nachfahren Dschingis Khans, die Tschagatais, benannt nach dem
zweiten Sohn Dschingis Khans, Tschagatai (gest. 1242). Mit der
Annahme des Islams durch den Tschagatai-Khan Tarmashirin
(1326-1334) wurden die Mongolen gespalten in eine
islamisch-mongolische Seite zwischen Oxus (Amurdarya) und
Jaxartes (Syrdarya) einerseits und eine heidnisch-mongolische
Seite jenseits des Jaxartes (Syrdarya). Der islamische Teil wurde
von verschiedenen Militärführern beherrscht, hatte aber keine
eigentliche Zentralmacht, ein Umstand, der nahe an Anarchie
grenzte und den 1360 der Tschagatai-Khan Tughluq Timur, Herrscher
der heidnisch-mongolischen Tschagatais, zu einem Einmarsch
nutzte. Im Schatten dieses Herrschers wuchs Timur Lenk auf. Im
Norden herrschte die Goldene Horde, im Osten schloß sich an die
Tschagatai-Reiche das Herrschaftsgebiet der Großkhane an.
Wer
war Timur?
Timur Lenk (1328-1405)
entstammte dem im 14. Jahrhundert in Transoxanien eingewanderten
türkisierten Mongolenstamm der Barlas, sein Vater war ein
kleiner Stammesfürst. Er wurde 1328 bei Kesh geboren, das im
heutigen Sharisabz südlich von Samarqand liegt. Manchmal findet
sich als Geburtsdatum der 8.4.1336, das ist aber ein
nachträglich geschöntes Datum, das einer besonders
glückverheißenden Sternenkonjunktion entspricht. Timur ist ein
Name aus der tschagataischen Sprache und bedeutet der
Eiserne. Aufgrund einer Verwachsung an der rechten
Kniescheibe war er von einer Lähmung des rechten Beines
betroffen, dazu kam eine Verwachsung an der rechten Schulter, des
weiteren hatte ein Pfeilschuß die Beweglichkeit der rechten Hand
eingeschränkt, weshalb er den Beinahmen Lang bzw.
Lenk (persisch: der Lahme, der Gelähmte)
erhielt. Timur Lenk wurde zu Tamerlan verballhornt,
und unter diesem Namen ist Timur gemeinhin bekannt.
Ein
beispielloser Aufstieg
Timur trat in den Dienst des
Tschagatai-Khans Tughluq Timur (gest. 1363) und machte dort als
ausgezeichneter Heerführer Karriere. Als dieser 1360 in
Transoxanien einfiel, stellte sich Timur af dessen Seite, verriet
dabei die Barlas. Der Lohn dafür war sein Geburtsort Kesh als
Lehen. Zwischen 1363 und 1370 sicherte er sich die Herrschaft
über Transoxanien durch Ausschaltung der Tschagatai-Khane,
insbesondere Tughluq Timurs Sohn Ilias Hoja und Kazagans Enkel
Emir Hussain (einst sein Verbündeter, ermordet 1369). 1366
brachte er Samarqand in seinen Besitz. 1369 eroberte er Balkh. Am
8.4.1369 wurde er auf dem Kuriltai in Balkh zum Amir von
Transoxanien ausgerufen. Am 9.4.1370 war er an einem nächsten
Etappenziel angelangt: Alle Amire der südlichen Ulu Tschagatai
leisteten ihm den Treueid. Hauptstadt wurde Samarqand.
Kein
Khan, aber der größte Amir aller Zeiten
Selbst wurde Timur nie ein
Khan. Zur Legitimation seiner Herrschaft heiratete er in das Haus
Tschagatais ein (das ist immerhin die Sippe Dschingis Khans) ein
und setzte zwei Khane aus dem Haus Tschagatai der Form halber als
ergebene Schatten ein. Wenn schon nicht Khan, beanspruchte er den
Titel Amir, Anführer. Und durch die Heirat mit Sarai
Mulk nahm er den Titel den Titel Gurgani an, was
eigentlich vom mongolischen Ausdruck Gurqan
(Alleinherrscher) kommt, hier den Herrschaftsanspruch
des "Königlichen Schwiegersohnes unterstreicht. 1388
nimmt Timur den Titel Sultan an.
Timur
ein islamischer Erneuerer
Timurs Vision war die
Wiederherstellung eines islamischen Großreiches. Er vollendete
die Islamisierung der in Zentralasien eingewanderten
Mongolenstämme. Er galt als Sunnit, aber in Wirklichkeit war der
Spagat zwischenmongolischen Traditionen einerseits und Sunna wie
Schia andererseits, zwischen dem mongolischen Yassa-Recht
einerseits und der islamischen Scharia andererseits schwierig.
Zudem war in seinem Reich der Einfluß des Sufitums groß, und
auch heute noch ist der Sufismus eine wichtige Ausdrucksform des
zentralasiatischen islamischen Glaubens.
Timur-Standbild in Shahrisabz
Timur
ein brutaler Kriegsherr
Timur erlangte bei seinen
Eroberungen den Ruf eines skrupellosen und brutalen Eroberers.
Auf sein Konto gehen zahlreiche Greueltaten und äußerst
bestialische Akte:
Wie er mit unterjochten Menschen umging, illustriert recht gut die Beschreibung, daß er den gefangenen Osmanensultan Bayazid I in einem Eisenkäfig mit sich führte, den er als Schemel zum Besteigen seines Pferdes benutzte. Gerücht oder Wahrheit es charakterisiert Timur anscheinend glaubhaft.
Timur
ein großer Eroberer
Timur schuf eines der
größten Reiche, die jemals in Mittelasien existierten. Er war
sogar der größte Eroberer der islamischen Welt. Sein Reich
umfaßte die islamische Welt von Anatolien und Syrien im westen
bis nach Indien und China im Osten. Auf der anderen Seite war es
auch eines der kurzlebigsten Großreiche. Sein Reich zerfiel bald
nach seinem Tode, man stritt ich um die Nachfolge, und die noch
vor kurzem erst mühsam besiegten Staaten wurden wieder
unabhängig.
Die schnelle Expansion seines Reiches war im Grunde nur möglich durch folgende immer wiederkehrenden Herrschaftsmuster:
Timurs
Eroberungen im Detail:
Unglaublich, wie viele
Feldzüge dieser Kriegsherr erfolgreich unternahm, welche
riesigen Gebiete er innerhalb kürzester Zeit unter seine
Kontrolle brachte. Die Hauptstoßrichtungen waren nach Westen und
Südwesten (Iran, Iraq, Syrien, Anatolien), von da abbiegend
wieder nach Norden, und Südosten (Indien). Im Norden stieß er
dagegen an sein Limit (China):
Timur
der Förderer der Künste
Die Hauptstadt des
Timuridenreiches war Samarkand. Dieses und andere Städte zum
Zentrum von Macht und Kultur auszubauen war sein Ziel. Großes
Vorbild war Persien, dessen Kunst und Kultur den Geschmack der
damaligen Zeit dominierte. Durch Verschmelzung iranischer Kunst
mit zentralasiatischer Kultur entstand in Folge ein neuer
Architekturstil, der timuridische. Besonders schöne Zeugnisse
desselben wie Gur-e Amir oder Bibi Chanum-Moschee zeugen noch
heute in Samarkand von der kulturellen Hochblüte, die Timurs
Reich erfuhr. Die Städte Bukhara und Samarqand wurden besonders
prachtvoll ausgebaut. Insbesondere Samarqand wurde
Mittelpunkt der Welt bzw. Schwelle des
Paradieses. Die neuen Vorstädte Samarqands trugen die
Namen der anderen Metropolen der islamischen Welt: Shiraz,
Damaskus, Kairo, Sultaniya, Baghdad. Hier umgab sich Timur mit
Künstlern und Gelehrten, die er aus aller Welt hierhin
deportiert hatte. Hier ließ er das gesamte wissenschaftliche
Material aufarbeiten, das er überall zusammengestohlen hatte.
Hier ließ er sich als Herrn der Glückskonjunktion
feiern und verehren.
Timur
seine Bedeutung insgesamt:
Die Wahrnehmung von Timur Lenk
ist gespalten. Brachte er sein Kernland zu Größe und Blüte,
sorgte er woanders für Untergang und Chaos, für Leid und
Zerstörung.
Insgesamt dürfte die Zerstörung überwogen haben, insgesamt wurde die islamische Welt in Persien und im Vorderen Orient durch Timur zurückgeworfen. Auch wenn er besessen war von der Größe seines neuen Reiches, so waren seine Eroberungsfeldzüge doch letztendlich dafür verantwortlich, daß die islamische Kultur im Vorderen Orient und im Iran materiell und kulturell gegenüber dem jetzt aufstrebenden Europa ins Hintertreffen geriet, aus dem sie sich bis heute nicht wieder befreit hat. Timurs Sieg über Bayazid stürzte das Osmanenreich in Verwirrung und verschaffte dem belagerten Byzanz und dem Balkan etwas Luft. Die Zerschlagung der Goldenen Horde gab den Weg frei für den Aufstieg des christlichen Rußlands und Moskaus Führung.
In seiner Persönlichkeit vereinte Timur widerstreitende Elemente. Einerseits war er der kluge Stratege und Taktiker, der Gebildete, Gelehrte und Freund der Wissenschaftler und Dichter, andererseits war er der harte und grausame Eroberer, der nur völlige Unterwerfung oder Todfeindschaft kannte.
Timurs Errungenschaften waren nicht nachhaltig, sondern anscheinend an seine Person und Autorität gebunden. Sein Reich wurde zum Spielball der Völker. Sämtliche Bemühungen Timurs konnten das Niveau Transoxaniens nur einige Generationen hindurch heben, denn letztlich wogen die Zerstörungen der Nachbarländer schwerer. Die Zerstörung alter Kulturzentren und die Verwüstung ganzer Landstriche sind nicht durch den Ausbau der Städte in Transoxanien aufzuwiegen. Der Preis für die kurze Blüte von Samarkand, für die Renaissance iranischer Kultur in Transoxanien war hoch, zu hoch aus historischer Sicht.
Timur
trotz allem ein usbekischer Nationalheld
Trotz all dem Negativen, was
über Timur Lenk gesagt werden kann und muß, wird er als eine
Art Nationalheld gesehen und sein Andenken wird in Zentralasien
auch heute noch in großen Ehren gehalten. Denn Timur war es,
Timurs
Grab
Timur wurde an der Seite
seines Freundes und Lehrers Sheikh Said Berke in Samarkand
bestattet, sein Mausoleum Gur-e Amir ist eines der bedeutendsten
Architekturdenkmäler. In diesem Grabmahlruhen auch seine Söhne
Shah Rukh und Miran Schah, seine Enkel Ulugh Beg und Muhammad
Sultan.
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Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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