Bernhard
Peter
Ladakh
Tal des Shyok: Sanddünen und Trampeltiere in Hundar
Sonnenaufgang ist spät im Shyok-Tal, zu sehr liegt der Talgrund im Schatten der Berge. Dafür ist ein heiterer Himmel zu sehen, wo am Vortag noch ein kalter Wind von den Höhen pfiff. Morgens gleißen beide Flanken des Tales im Licht, und der neue Tag lädt ein zum näheren Besichtigen der Sanddünen vor Hundar. In kurzem Abstand folgen aufeinander gänzlich unterschiedliche landschaftliche Szenerien: Auf die Gartenlandschaft des Ortes folgen unkultivierte Geröllfelder, dann kommt eine grüne Talaue, von vielen Bachläufen durchzogen, dichtes Gestrüpp wechselt mit kärglichen Weiden, und überall plätschern Bachläufe, während eine Herde Esel am Ufer weidet. Schon ein nur kurzes Stück weiter beginnt die Sandwüste mit ihren cremefarbenen, ja fast weißen Dünen. Die von den Höhen herabpfeifenden Winde haben sie aufgeschichtet, bis zu 5 m hoch. In den Senken zwischen den Dünen wächst Sanddorngestrüpp, selbst mitten aus den Dünen ragen die stacheligen Sträucher mit den orangefarbenen Beeren heraus. Dank ihrer extrem tiefen Wurzeln halten sie das aus.
Eine weitere Besonderheit sind die Trampeltiere, zweihöckrige Kamele, baktrische Kamele (Camelus bactrianus). Nicht die einhöckrigen Dromedare (Camelus dromedarius) wie in Rajasthan! Diese Trampeltiere findet man auch in den Wüsten Zentralasiens, und daß sie hier noch gehalten werden, ist letztes Überbleibsel einer langen Geschichte von Karawanen, die hier einst in Nord-Südrichtung über das Land der hohen Pässe zogen, auf den Routen über den Khardung-la oder den Digar-la nach Leh, das einst wichtige Karawanenstadt war. Die Ausgangspunkte lagen im Norden der großen Gebirge in den Weiten Zentralasiens, z. B. Yarkant, Khotan, Yutian und Kashgar am Rande des Tarimbeckens mit der von den Karawanenwegen am Rande umrundeten Taklamakan, und Ziele lagen im Süden, in Richtung Punjab und den Metropolen des Moghulreiches, eine südliche Abzweigung der einstigen großen Karawanenrouten und Teil des Netzes alter Handelswege, das wir Seidenstraße nennen.
Heute ist die Grenze zu China dicht, Karawanenhandel findet nicht mehr statt, die Trampeltiere sind Haustiere, die nur noch kurze Ausflüge durch die Dünenlandschaften machen, von ihren Besitzern gerne den Touristen angeboten. Die Bestände sind geschrumpft, und Waren transportieren die Trampeltiere schon lange nicht mehr. Aber es gibt sie noch, eine Erinnerung an eine wichtige Geschichte. Es stimmt einerseits traurig, daß diese herrlichen Tiere heute einfach nur eine Attraktion sind und weit unterhalb ihrer Fähigkeiten genutzt werden. Andererseits ist es schon eine eigenartige Stimmung, die Silhouette von voranschreitendem Karawanenführer und drei in Kette folgenden Trampeltieren vor dem gleißenden und blendend hellen Sanduntergrund dahinziehen zu sehen, Wehmut umfängt einen fast, man vergißt für einen Augenblick, daß da jetzt keine Händler draufsitzen und keine Brokatstoffe transportiert werden, und man träumt sich ein wenig in vergangene Zeiten. Schön, daß es das noch gibt.
Dünen und Trampeltiere bei Hundar - Sanddorn in der Wüste - Wüstenbach - Dünen und Gebirge - Manimauern bei Hundar (1) - Manimauern bei Hundar (2) - Manimauern bei Hundar (3) - Hundar: Dorf im Schatten der Berge - Kloster von Hundar
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