Bernhard
Peter
Kyoto,
Ninna-ji (7): Miniatur-Pilgerpfad Hachi-ju-hak-kasho, Teil (1)
In den Hügeln hinter dem Tempel befindet sich ein Miniatur-Pilgerpfad, der mit seinen kleinen Stationen den Kannon-Pilgerweg auf Shikoku nachbildet und Hachi-ju-hak-kasho genannt wird (hachi = 8, hachi-ju = 80, kasho = Heiligtum, Tempelstation, Angleichung von hachi zu hak). Dieser Pfad dient als Miniatur-Ersatz für den 1200 km langen echten Pilgerweg. Die kleinen Tempelchen sind ganz unterschiedlich, die meisten auf quadratischem Grundriß mit kleiner Vorhalle und mit Pyramidendach, ausnahmsweise kommen auch mal sechseckige Grundrisse vor. Der Erhaltungszustand variiert. Die älteren sind komplett aus Holz. Einige davon sind baufällig, manche sehr, sehr baufällig und lehnen sich gerade noch so auf ihre schiefen Pfosten. Verwitterung und Verfall erzeugen eine gewisse Morbidität. Die Natur holt sich wieder, was ihr gehört, und gerade deswegen ist es schön, immer wieder Spuren frischer Aufmerksamkeit wie Blumen, frische Devotionalien o. ä. an den Andachtsstätten zu sehen. Die Architektur ist schlicht. Die neueren sind aus modernen Materialien auf Betonplattform und haben entsprechend weniger Charme. Durch ein kleines Gitterchen kann man ins Innere spähen, und es lohnt sich, das systematisch zu machen, es ist immer wieder eine Überraschung wie bei einem Adventskalender, was sich dahinter verbirgt. Große Kunst wird man hier nicht finden, eher das Niveau von Volkskunst, aber nett anzuschauen sind die kleinen Figuren im Inneren allemal. Man kann Medizin-Buddhas, Jizo-Figuren, Kannon-Figuren, Darstellungen von Fudo Myo-o oder berühmte Mönche identifizieren. Manche Tempelchen haben auch zwei oder noch mehr Figuren im Inneren, die besseren sogar in einem kleinen Glaskasten.
Es ist eine schöne Wanderung, für die man sich rund zwei Stunden Zeit lassen sollte (cave - nicht in die Dämmerung kommen!) und für die man sich im Sommer ausreichend Wasservorräte mitnehmen sollte. Denn auch wenn es auf dem Papier nur zwei Kilometer sind, ist der Weg unübersichtlicher und anstrengender als gedacht: Es geht über Stock und Stein und viele Treppenstufen bergauf und bergab, und der Wanderer wird kein bißchen geschont, jeder Hügel und jedes Tal wird mitgenommen.Jedes Hüttchen ist zwar plusminus in Sichtweite des vorhergehenden, aber insgesamt zieht es sich ganz schön, und insbesondere in sommerlicher oder spätsommerlicher Schwüle ist der Weg selbst für sportliche Menschen nicht "mal eben", sondern durchaus schweißtreibend. Und an manchen Stellen muß man schon schauen, wo es denn nun weitergeht. Aber die Einheit von Glaubensstätten und Natur ist es wert, es ist herrlich einsam auf dem Weg, und irgendwie ist es toll, so nahe an der Großstadt durch so wilde Bergwälder zu streifen. Es ist faszinierend, wie abrupt die moderne Großstadt am Hügelfuß endet und wie schnell man in ungezähmtem Hangwald voller Gerüche und Geräusche ist. Großer Vorteil: Der hübsche Weg durch die Natur ist bei Touristen fast unbekannt. Ab und zu begegnet einem ein Einheimischer als Pilger, der ganz begeistert ist, daß Ausländer hierhergefunden haben. Die Aussicht auf Kyoto ist jedenfalls von der Höhe aus sehr schön, und der Blick in die Ferne über das dicht an dicht bebaute urbane Becken ist verdiente Belohnung für den schweißtreibenden Anstieg. Und falls sich jemand Gedanken macht: Ja, es ist einsam, aber absolut sicher auf dem Weg: Die größte Gefahr sind baufällige Tempelchen und Stolperfallen an schiefen Treppenstufen.
Man erreicht diesen Pfad, wenn man den Ninna-ji über den Westzugang neben dem Daikoku-do verläßt und scharf nach rechts biegt. In Richtung Wald sieht man einen kleinen Schrein, und dort leigt das eine Ende des Pfades. Das andere Ende liegt 130 m westlich des Tores, so daß man nach oder von dort nur gerade die Straße vom oder zum Westtor laufen muß. Vorgesehen ist, die Route im Uhrzeigersinn abzulaufen, so werden die Stationen gezählt, und so geht man an den Pfeilen der Wegweiser richtig entlang. Aber im Grunde ist das für uns egal, vielleicht ist entgegen der Richtung schöner, weil man dann anfangs an den älteren und schöneren Tempelchen vorbeikommt. Für die Sammler von Goshuin: Der Pfad verläuft in freier Natur und ist jederzeit zugänglich. Aber nur an besonderen Tagen ist es möglich, entsprechende Stempel zum Beleg des Besuches zu sammeln, meistens einmal im Monat im Frühling und im Herbst, an einem Sonntag, und nicht bei schlechtem Wetter. Das passende Buch zum Sammeln kauft man morgens am Kondo, und an jeder Station kann man dann seinen Stempel bekommen.
Ninna-ji, Kyoto, Teil (1): Beschreibung und Niomon - Ninna-ji, Kyoto, Teil (2): Goten-Bereich - Ninna-ji, Kyoto, Teil (3): Goten-Bereich - Ninna-ji, Kyoto, Teil (4): Goten-Bereich - Ninna-ji, Kyoto, Teil (5): Chumon, Kondo, Kyozo, Mizukake Fudo - Ninna-ji, Kyoto, Teil (6): Shoro, Pagode, Mieido, Kusho Myojin - Ninna-ji, Kyoto, Teil (8): Miniatur-Pilgerpfad, 2. Teil - Ninna-ji, Kyoto, Teil (9): Chokushimon, Kannondo, Devotionalien
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2019, alle Photos 2019
Impressum