Bernhard
Peter
Das
Samaniden-Mausoleum in Bukhara
Die
Familiengruft der Samaniden
Das Mausoleum ist die
Familiengruft der Samaniden, unter deren Herrschaft Bukhara und
auch Samarqand prachtvoll ausgebaute Residenzstädte waren. Unter
anderem soll hier der berühmte Ismail ibn Ahmad bestattet sein
(reg. 892-907), für seinen Vater Ahmed bin Assad soll das
Bauwerk ursprünglich errichtet worden sein. Später wurde er
selbst ebenfalls dort bestattet, weiterhin sein Enkel Nasser II
bin Ahmad (reg. 914-942). Ahmad, der Sohn Ismails und Vater
Nassers, gestorben 914, wurde auf dem Naukand-Friedhof südlich
des Mausoleums bestattet.
Ein
bescheidener Bau und doch ein kunsthistorischer Gigant
Eigentlich ist es nur ein
bescheidener, monochromer überkuppelter Kubus von ca. 14 m Höhe
und 1 m Seitenlänge. Jede der vier gleich gestalteten
Seitenwände weist eine große Spitzbogennische auf. Der Würfel
wird in der oberen Zone aufgelockert durch eine Galerie von
Bogenstellungen, von dünnen Stabmustern eingefaßt, die dem
Übergang zur Kuppel die Strenge nimmt. Die Ecken werden bis zur
Höhe der Bogenstellung von Dreiviertelsäulen gebildet, die
scheinbar die Last der Abdeckung tragen. Etwas zurückgesetzt
leiten vier bienenkorbartige Aufsätze strukturell zur Kuppel
über dem Zentralraum weiter. Sie sitzen nicht direkt über den
Ecksäulen, bilden deshalb nicht deren Abschluß, sondern
vermitteln als Zwischenelement zwischen Kubuskante und
Rundkuppel.
Und gerade dieses unspektakuläre Bauwerk ist ein kunstgeschichtlicher Gigant. Ein Markstein, in dem Bautraditionen verschmolzen und auf eine Weise weiterentwickelt wurden, der Maßstäbe für die weitere Entwicklung festlegte.
Eines
der wenigen erhaltenen vormongolischen Bauwerke
Es ist eines der ältesten
Bauwerke Bukharas. Seine Bauzeit ist um die Wende vom 9. zu 10.
Jahrhundert anzusiedeln. Es ist eines der wenigen Bauwerke, die
aus vormongolischer Zeit weitgehend unversehrt übrig geblieben
sind. Es gibt nur ganz wenige Bauten dieser Art, die die
verheerenden Zerstörungen des 13. Jh. überstanden haben; ein
vergleichbares Mausoleum ist mit dem Arab-Ata-Mausoleum aus dem
Jahr 977/978 noch in Tim zu finden.
Verschmelzung
altiranischer und islamischer Bautraditionen
Weiterhin ist dieses Bauwerk
Ausdruck der Vermischung verschiedener Bautraditionen: Der
islamische Grabbau vermischt sich hier mit sasanidischem Baustil.
Denn seine Wurzel hat das Mausoleum in den alten zoroastrischen
kuppelbekrönten Feuertempeln (vgl. Feuertempel von Neisar, Iran,
2. Jh.). Auch im sasanidischen Palastbau spielte der quadratische
Kuppelraum eine beherrschende Rolle (Beispiel: Palast in
Sarvistan, Iran, 5. Jh.).
Die formale Ausgestaltung dagegen entspricht unzweifelhaft islamischem Kunstverständnis. Typisch für diese ist auch die Aufgliederung des blockhaften Baukörpers in den Portalnischen, die dort zutage tretende Mehrschichtigkeit des Bauwerks, die übergreifenden Blendrahmen, der gerahmte Portalbogen, die Verwendung ornamentaler Rahmenfelder.
Dem
Mauerwerk die Körperlichkeit nehmen
Die Oberflächengestaltung ist
Ausdruck eines hohen künstlerischen Ausdrucksvermögens. Es
wurden ausschließlich unglasierte gebrannte Ziegel vermauert, so
daß das Bauwerk ohne Farbeffekte auskommt, aber die Ziegel sind
so meisterhaft zu geometrisch verflochtenen Mustern
zusammengefügt, daß das Baumaterial zugleich Schmuckmaterial
wurde. Die Beschränkung auf die Zurschaustellung des Wesens des
Baumaterials Ziegel wird zum Reichtum des Gebäudes.
Alle Eigenschaften dieses Materials werden maximal ausgenutzt:
Scheiben, vierblättrige Rosetten, gitterähnliche Strukturen,
Flechtwerk etc. nehmen den großflächigen Wänden ihre Schwere.
In der Außenwirkung scheint die Schwere und Körperlichkeit des
Baumaterials und der massiven Wände negiert zu sein. Die Fläche
zwischen den Ecksäulen vermittelt vielmehr den Eindruck, als
seien dort Matten oder textile Behänge zwischen den Säulen
aufgespannt. Im Innern sind die Wände ebenfalls durch ein locker
versetztes Ziegelmuster aufgelöst.
Das
älteste erhaltene Kuppelmausoleum der islamischen Welt
Und es handelt sich um eines
der frühesten erhaltenen Grabmonumente in der islamischen Welt,
das für eine leitende Persönlichkeit errichtet wurde, denn bis
dahin wurden auch hochangesehene Herrscher der islamischen
Tradition getreu in einem einfachen Erdgrab und einem schlichten
Stein beerdigt. Zwingend ist bei einer muslimischen Beerdigung
nur, daß der Tote bei der Wiederauferstehung genau nach Mekka
blicken kann. Muhammed selbst hat laut einem Hadith die
Errichtung von Grabmonumenten untersagt. Der Tote wurde in ein
Tuch gewickelt, ein einfacher länglicher Erdhügel wurde
eventuell noch an Kopf- und Fußende mit einem stock markiert,
ein einfacher Stein bedeckt das Grab. Diese Schlichtheit war
Programm und sollte nicht nur einem neuen Personenkult vorbeugen,
sondern auch dem Kult des Christentums um das Grab eine deutliche
Absage erteilen. Und an diese Schlichtheit der Begräbnisse haben
sich bisher auch hohe Würdenträger der Omayyaden und Abbasiden
gehalten, ihnen kam höchstens das Privileg der Bestattung in der
Nähe einer Moschee o.ä. zuteil. Der ursprüngliche Islam ließ
keine Verehrung von Toten zu, es entsprach auch nicht islamischer
Vorstellung, durch Totenkult die Verstorbenen ihrer
Vergänglichkeit zu entreißen. Aber wie so oft blieb von der
Reinheit des frühen Glaubens nicht viel übrig, und insbesondere
im schiitischen Islam etablierte sich ein Kult um Verstorbene, um
Märtyrer, und das Sufitum trug sicher das Seinige zur Verehrung
verstorbener Sheikhs bei. Die Glorifizierung einer hochgestellten
Persönlichkeit war auch fester Bestandteil östlicher Kulturen
in vorislamischer Zeit, und so ganz hatte man sich davon nicht
verabschiedet. In Folge dieses veränderten Umgangs mit den Toten
setzte sich auch im ostislamischen Gebiet das Kuppelmausoleum in
der Folgezeit durch, und heute finden wir prächtige islamische
Mausoleen, nicht nur z. B. in Samarqand an der Gräberstraße
Shah-i-Sinda, sondern vor allem auch in anderen Ländern des
islamischen Ostens, Indien, Pakistan, Iran etc.
Es gibt nur ein einziges noch älteres Mausoleum als das Samaniden-Mausoleum von Bukhara, nämlich die Qubba as-Sulabiyya in Samarra (Iraq), aus dem 9. Jh., vermutlich 862 ff für den Abbassiden-Kalifen Al-Muntasir errichtet, später auch als Grablege für die Kalifen Al-Mutazzi und Al-Muhtadi dienend, heute leider nur eine Ruine. Mit diesem Mausoleum wurde das alte Mausoleumsverbot erstmals durchbrochen, und seitdem existiert auch in der islamischen Welt ein Grabkult.
Das Mausoleum in Tim entstand erst 70 Jahre nach dem in Bukhara. Insofern kann mit Fug und Recht gesagt werden, daß in Bukhara das älteste vollständig erhaltene Kuppel-Mausoleum der islamischen Welt steht.
Der
Übergang vom Quadrat zur Kuppel
Der Innenraum mißt 7.2 m im
Quadrat. Nach oben wird er erst zum Achteck, dann zum Sechzehneck
umgeformt, auf dem der Fußkreis der Kuppel liegt. Die
Meisterleistung der damaligen Zeit liegt in der Verarbeitung des
Kraftschubs der Kuppel, der über 4 x 3 Rippen ins Mauerwerk
übergeleitet wird. Kuppelbauten wurden in frühislamischer Zeit
gerne von achteckigen Strukturen umgeben, weil sich so der Schub
besser verteilen ließ. Das Aufsetze der Kuppel auf einen
quadratischen Unterbau ist eine neue Herausforderung, die in
diesem Beispiel durch die Massigkeit des Unterbaus gelöst wurde.
Ecknischen
statt Trompen
Im Innern wird ebenfalls
deutlich, welchen Wandlungen die iranisch bestimmte Architektur
jener Zeit ausgesetzt war: Die Trompen, die den Übergang vom
Quadrat des Unterbaus zum Rund der Kuppel vermitteln, werden zu
Ecknischen aufgeweitet. Ein typisch iranisches Raumempfinden ist
die Aushöhlung der Wand, um ihr ihre Massigkeit zu nehmen.
Beispiele dafür sind die Iwane, aber auch die Auflockerung
geschlossener Wände durch Nischen, und auch die Aufweitung der
Übergangszone zu Ecknischen, ein erster Schritt in die spätere
Richtung der Entwicklung von Muqarnas.
Kunstgriffe
islamischer Architektur
Im Grunde könnte man das
Bestreben des islamischen Architekten noch weiter fassen: Die
statisch-tektonische und struktive Wirkung von Gewölben, von
Bögen, Säulen, Pfeilern, Mauern etc. soll dem Bauwerk genommen
werden. Erreicht wird dies durch viele Kunstgriffe, wie die
Auslösung der Geschlossenheit von Mauern durch den mattenartigen
Dekor, die scheinbare Zuordnung von tragender Funktion auf die
Ecksäulen, das Einrücken der bienenkorbartigen Aufsätze, die
Ecknischen, die Auflösung von geschlossenen Flächen durch
Ziernischen, die Tiefenstaffelung von Portalöffnungen, die
Vervielfältigung gestaltender Motive wie z. B. Ziernischen, die
Auflösung von Übergängen.
Das
Ende des iranischen Zwischenspiels
Noch im 10. Jh. war es zu Ende
mit der Herrschaft der Samaniden. Die Karakhaniden, nomadische
Turkstämme, brachen in das alte Maveraunnahr ein, nahmen zum
ersten Mal im Jahre 992 Bukhara ein, schließlich ein weiteres
Mal 999, und diesmal endgültig. Mahmud von Ghazna brachte die
südlichen Teile des Samanidenreiches unter seine Kontrolle und
gründete ein neues Reich, das Reich der Ghaznaviden. Dann
betraten im 11. Jh. die Seldschuken, ein Oghusen-Stamm, die
politische Bühne. Erst setzten sie sich in Bukhara fest, später
auch in Merw (1037), Nischapur (1037) und Khorasan (1040), bevor
sie weiter nach Westen wanderten und weite Teile Kleinasien
eroberten.
Das
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Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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