Bernhard Peter
Die Mir-i-Arab Medrese in Bukhara

Die Mir-i Arab Medrese ist eines der schönsten Beispiele shaibanidischer Architektur. Sie entstand 1535-1536 AD unter der Regierung von Ubaid-Ullah(1533-1539). Sie hat äußere Abmessungen von 55 m auf 73 m und bildet nach dem Kosh-Prinzip das städtebauliche Gegenstück zur gegenüber liegenden Kalon-Moschee. Sie hat den klassischen Aufbau, Vieriwan-Schema im Innenhof und eine Prachtfassade mit gewaltigem Mitteliwan, zwei Ecktürmen und zwei auf beiden Seitenflügeln angebrachten Kuppeln auf einem Tambour.

Ein nettes kleines Detail der Architektur des Eingangsiwans ist die polygonale Gestaltung desselben. Dadurch wirkt er nicht so sehr wie ein kurzer hoher Tunnel, sondern wie eine einladende Nische, wie ein Hohlspiegel, der die Gestaltungselemente gegenüber im Kosh-Prinzip aufgreift und zurückwirft. Die Plastizität des Ziegelmauerwerks wird durch einen Kunstgriff verstärkt: Die Fugen zwischen den Ziegeln sind dunkelblau bzw. türkisfarben eingelegt. Diese Linien werden unabhängig von Tageszeit und Lichteinfall als Struktur wahrgenommen. Jedes Polygonfeld ist noch einmal extra von Dreifachlinien in blau-türkis-blau gerahmt, was die Segmentierung des Baukörpers unterstreicht.

Im Gegensatz zu anderen Medresen, in denen rechts und links des Hauptiwans Fassadenachsen additiv bis zur Ecklösung aneinandergereiht werden, ist diese Fassade noch stärker strukturiert: Die jeweils mittleren Nischen haben unten ein Gewölbe aus zu einem Netz gefügten Spitzbögen.

Insgesamt hat die Medrese mit ihren vier Innenhof-Iwanen, einem Eingangs-Iwan und den zwei Kuppeln eine lebhaft bewegte Silhouette, die aber einen Rhythmus in sich trägt, denn die Nord- und Süd-Iwane sind höher als die West- und Ost-Iwane. Dominierend ist aber auf alle Fälle die wunderbare Gliederung der Hauptfassade mit ihren zwei türkisfarbenen Kuppeln auf überreich geschmückten Tambouren.

Die Medrese ist heute noch in Benutzung als theologische Schule, eine auch in Sowjetzeiten ungebrochene Tradition, auf die man stolz ist. Leider kann man die Medrese deswegen auch normalerweise nicht besichtigen.

Auch hier wird kräftig restauriert, insbesondere am baufälligen Südiwan wird gearbeitet. Und auch an der Nordwand wird man demnächst etwas unternehmen müssen, hier hält ein Stahlkorsett das bauchig gewordene altehrwürdige Mauerwerk.

Längsschnitt durch die Medrese Mir-i-Arab in Ost-West-Richtung mit Blick auf den Süd-Iwan.

Für mich ist das Bezauberndste an der Mir-i Arab Medrese der Wechsel des Lichtspiels auf der Schaufassade im Laufe eines Tages. Mittags in gleißender Helligkeit, wenn die Blautöne die Oberhand gewinnen und die Fassade einen kühl glänzenden bläulichen Schimmer bekommt, oder abends, wenn die Gelbtöne vorherrschen und das Ziegelmauerwerk in seinen warmen Tönen dominierend wird, während das dezente Funkeln der eingelassenen glasierten Mosaiken die Fassade wie mit Edelstein-Intarsien überzieht, und ganz spät abends bei Sonnenuntergang, wenn das Blau fast schwarz wirkt und die ganze Fassade rötlich-golden erstrahlt, bis der Schatten der Kalon-Moschee erst langsam die Stufen hochkriecht und immer höher an der Fassade entlangwandert, bis nur noch ganz oben Schriftbänder des Iwans und Kuppeln rötlich glühen. Ich habe mich eigentlich jeden Abend auf die Eingangsstufen der Kalon-Moschee gehockt, um diesem Farbspiel zuzusehen, um zu beobachten, wie die Farbe des Sonnenlichts je nach Zeit immer andere Komponenten der reich geschmückten Fassade betont.

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