Bernhard
Peter
Khanqahs
in Usbekistan: Architektur der Sufis
Sufismus spielt eine wichtige Rolle in der islamischen Frömmigkeit Zentralasiens. Und so, wie sich die Rolle des Sufismus und sein Charakter im Laufe der Jahrhunderte wandelten, so taten es die Gebäude mit ihnen. Es lassen sich verschiedene Phasen der Entwicklung sufischer Architektur unterscheiden und verschiedene Bautypen.
Bauwerke
für ein spezielles Gemisch an Funktionen
Zunächst soll geklärt
werden, was der Zweck sufischer Architektur ist, welche Aufgaben
sie übernimmt, welche spezifischen Aufgaben, die weder Moschee
noch Wohnhaus noch Mausoleum übernehmen können. Vordergründig
ist ein sufisches Bauwerk ganz einfach ein Ort, an dem sich die
Anhänger einer Sufi-Bruderschaft um ihren Scheikh scharen und
gemeinsam mit ihm religiöse Übungen des Gottesgedenkens
ausführen. Hier wurde gebetet, unterrichtet, diskutiert, in den
Schriften gelesen, in Bibliotheken geforscht, Gemeinschaft
gepflegt und auch gewohnt. Da sie Details der spirituellen
Übungen nicht für die Allgemeinheit gedacht waren, sondern für
den engen Kreis der Anhänger, ist es verständlich, daß man
sich vom Mainstream-Islam räumlich abtrennte, und lieber ein
intensives Gottesgedenken in kleinem Rahmen pflegte als in
öffentlichem Raum. In dem Maße, wie eine Sufi-Gemeinschaft ein
Mikrokosmos für sich wurde, wuchsen auch seine Aufgaben, auch
sozialer Art, der sich auch die Architektur stellen mußte.
Sufi-Bauwerke sind auch Herbergen, nicht nur für durchreisende
Anhänge und Derwische auf Wanderschaft und Suche nach der
absoluten Wahrheit, sondern auch für nicht-sufische Reisende.
Weiterhin ist es typisch für Sufi-Bruderschaften, daß sich die
in besonderer Anhängerschaft einem Meister oder Scheikh
zuwenden. Dessen Unterkunft kann ebenfalls ein wichtiges
Bauelement sein wie später sein Grab. Manche Sufi-Khanqahs
entwickeln sich nach und nach aus dem Wohnhaus des Sheikhs oder
um sein Grab herum. Das typisch sufische sind hierbei nicht die
einzelnen Funktionen, sondern die Summe, das Nebeneinander so
vieler Funktionen, für die das Bauwerk angemessen sein muß.
Viele
Namen und Formen für Sufi-Treffpunkte
Je nach Zeit und Ort gibt es
viele verschiedene Begriffe für den Treffpunkt einer
Sufi-Gemeinschaft: Ribat, Rabat, Khanqah, Chaniga, Chanqah,
Zawiyya, Takiyya. Sie alle gehen fließend ineinander über. Die
ältesten Khanqahs waren wie ein Ribat (wehrhaftes religiöse
Siedlung) konstruiert, ähnlich auch wie alte Karawansarays: Ein
befestigtes Bauwerk mit wehrhafter Außenmauer barg Gebäude, die
um einen Innenhof gruppiert waren. Einzelne Zellen waren die
Unterkünfte für durchziehende Suchende (wie die reisenden
Händler einer Karawanasaray). Eine Zawiyya ist ursprünglich ein
bestimmter Teil einer Moschee oder ein an diese angrenzender
Raum, der für Lesung und Lehre des Qurans vorgesehen war.
Später wurde dieser Begriff für den Wohnsitz eines
Sufi-Lehrmeisters verwendet.
Sufi-Treffpunkte
werden zu multifunktionalen Einheiten
In der Zeit vom 11.-14. Jh.
wurde der Sufismus in der islamischen Welt immer populärer.
Heiligenverehrung, eigentlich per se unislamisch, eroberte die
Welten der Frömmigkeit. Gräber bedeutender Lehrmeister wurden
zu Pilgerzielen. Um diese herum entstanden Khanqahs, die nicht
nur das Heiligengrab selber, sondern auch eine Moschee, eine
Wohnung für den Scheikh, Studentenzellen für die Schüler und
auch Herbergszimmer für Durchreisende und Pilger umfaßten. In
dieser Zeit wurde die Khanqah zu einem Mikrokosmos, der allen
Anforderungen einer Bruderschaft, einer Pilgerstätte, einer
Unterkunft und einer Lehrstätte zugleich gerecht wurde. Khanqahs
wurden oft von wohlhabenden Bürgern mit einer Stiftung (Waqf)
ausgestattet, um die wirtschaftlichen Grundlagen zu sichern.
Typischerweise wurde eine zentralasiatische Khanqah um einen
zentralen Hof herum gebaut. Beispiele sind die Qusam ibn Abbas
Khanqah in Samarqand oder die Saifuddin Bukhari Khanqah in
Bukhara.
Architektur
in der Blütezeit des Sufismus
In der Zeit vom 14.-17. Jh.
war die Blütezeit des Sufismus. Hatte der frühe Sufismus noch
viel mit Entsagung und Askese zu tun, mit Aufgabe und Entsagung
weltlicher Werte, so wurde der Sufismus aufgrund hoher
gesellschaftlicher Anerkennung eine öffentlich durch
großzügige Zuwendungen geförderte Form des Islam. Aus den
Khanqahs wurden religiöse Zentren. Die vielen verschiedenen
Funktionen wurden in einem Gebäude verschmolzen. Aus dem Hof-Typ
der Khanqah wurde die Khanqah mit Portal und zentralem Kuppelraum
sowie vielen beigeordneten Nebenräumen, die in die Struktur
integriert wurden. Die einzelnen Raumkompartimente verhielten
sich nicht additiv zueinander wie beim Hof-Typ, sondern sie
verschmolzen zu einer größeren, sie zusammenfassenden
architektonischen Einheit. Mittelpunkt ist nicht länger der Hof,
sondern der überkuppelte Zentralraum. Ein berühmtes Beispiel
für diesen Trend schon unter Timur ist die Khanqah von Scheikh
Ahmad Yassavi in Turkestan, einer Stadt im heutigen Kasachstan,
wenngleich die Konstruktion mit zwei Kuppeln ein singuläres
architektonisches Experiment darstellt. Typisch für die
Folgezeit wurde der zentrale Kuppelraum, um den herum sich die
anderen Raumkompartimente gruppieren. Die Zeit der Hochblüte der
Sufi-Komplexe in Bukhara waren das 16. und 17. Jh.
Wandlung
unter dem Einfluß der Naqshbandi
Zugleich wurde der Grabkult
vom Sufismus getrennt, so daß das eigentliche Mausoleum
begrifflich mehr und mehr aus der Khanqah ausgelagert wurde, bis
der Begriff nur noch eine Dhikrkhana, den zentralen Raum, wo die
religiösen Übungen stattfanden, mit den sie umgebenden Zellen
(Hudschra) für Lehrer (Scheikh, Pir, Murshid) und Schüler
(Murid) umfaßte. Der Naqshbandi-Orden hatte in Zentralasien
großen Einfluß. Diesem ist es auch zuzuschreiben, daß sich der
Sufismus wieder mehr dem Lehren und weniger dem Grabkult
zuwandte. Und auch, daß der Sufismus stärker in das städtische
Leben integriert wurde. Der normale Bürger mit Familie und
gesicherter beruflicher Existenz wurde eher das typische
Ordensmitglied als der weltabgewandte wandernde Derwisch.
Entsprechend anders war auch der Raumbedarf in der Architektur,
weil die meisten Mitglieder der Bruderschfat eine bürgerliche
Existenz hatte und die Khanqah nur zu Zeremonien und Riten
aufsuchte.
Neue
Kuppel-Konstruktionen verändert das architektonische Konzept
Für die zentrale
Kuppelkonstruktion wird mit Vorliebe das System der sich
überkreuzenden Paare von Gurtbögen angewandt, auf der eine
Kuppel geringeren Durchmessers als der Hauptraum ruht. Für die
die ganze Last des Gewölbes tragenden vier Hauptbögen braucht
man acht massive Widerlager, auf die sich der Schub verteilt.
Diese Konstruktion gibt nicht nur einem anderen Raumverständnis
Ausdruck, sie ist auch erdbebensicherer. Für die Raumanordnung
hat das neue Konzept Folgen: Für den Hauptraum ergeben sich
rechteckige Nischen, die den Grundriß zur Kreuzform aufweiten
und den Raum so vergrößern. In den vier Ecken zwischen den
Widerlagern ergibt sich im toten Winkel ein Bereich
ohne stützende Funktion und ohne Portal- oder
Iwan-Eigenschaften, der nun hervorragend zur Unterbringung der
vielen Nebenräume eignet, die sich hier ein- oder häufiger
zweistöckig befinden.
Mehrere
Typen Khanqah
Die Khanqah Hodscha Zainuddin
in Bukhara und die Khanqah Hazrati Iman in Bukhara
repräsentieren beide einen Typus, bei dem eine überkuppelte
zentrale Halle mit quadratischem Grundriß auf einer oder
mehreren Seiten von hohen Säulengalerien umgeben wird.
Die Khanqah Bahauddin Bliss Bukhari folgt ebenfalls diesem Schema einer zentralen überkuppelten Halle, hat aber keine holzsäulengetragenen Galerien umlaufend, sondern gemauerte Fassaden mit Iwanen und Blendbögen wie eine Madrasa. Dieser Bautyp wirkt wesentlich monumentaler und repräsentativer.
Ein weiterer Typus ist der, bei dem die von den offenen Hallen auf hohen Holzsäulen umgebene zentrale Einheit ein quadratischer oder rechteckiger Raum ist, der nicht überkuppelt ist, sondern von einer Decke auf Pfeilern getragen wird. Beispiele für diesen Bautyp sind die Khanqah Shoyahsi und die Khanqah Maulana Sharif, beide in Bukhara, aus dem 16. und 17. Jh. jeweils.
Die Konzepte können ferner die eines Zentralbaues sein (z. B. die Khanqah in Peshku) oder die eines Longitudinalbaus (z. B. Khanqah Nadir Divan Begi in Bukhara), oder die eines Frontalbaues mit repräsentativer Schaufassade.
Verfallszeit
Im 18. und 19, Jh. war die
Verfallszeit. Mit der Wirtschaft ging es bergab, mit dem Sufismus
ebenso, und erst recht mit der Architektur der
Sufi-Bruderschaften. In Bukhara wurden neue Sufizentren mit
einfachen Holzbalkendecken oder allenfalls mit einer kleinen
Kuppel gedeckt, weit entfernt von den großartigen Konstruktionen
vergangener Jahrhunderte.
Die
Khanqah Hazrati Iman
Die
Khanqah Khwajah Zainuddin
Die
Khanqah in Peshku
Die
Khanqah Bahauddin Bliss Bukhari
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