Bernhard Peter
Ladakh
Reisebericht: Ein Besuch in Thikze am frühen Morgen

Zum Tagesanbruch nach Thikze, das heißt früh von Leh aus aufbrechen, noch im Dunkeln durch stille Gassen, wo verschlafene Straßenköter in das grelle Scheinwerferlicht blinzeln, selbst die Basarstraßen ausgestorben wirken und alle Touris noch in den Betten sind. Von Westen nähert man sich im Morgengrauen dem mächtigen Felsen im Industal, einer von mehreren hintereinander, Shey, Thikze, Stakna, alle drei Ausläufer der das nördliche Indusufer begrenzenden Gebirgskette, alle drei von Architektur wie von Adlerhorsten bekrönt. Die ersten Sonnenstrahlen tauchen die Gipfel der Berge im Süden des Industales nun in goldenes Morgenlicht und modellieren tiefe Schrunden mit scharfen Schatten.

Man nähert sich praktisch von hinten und sieht nur einige wenige Gebäude über der steilen Felswand. Noch ist nicht zu ahnen, wie groß der Komplex wirklich ist. Von der Rückseite sieht man nur wenige wehrhaft-abweisende Fassaden über den Felsen, fast unspektakulär. Erst wenn man um die Kurve biegt, erkennt man, daß der auf der Ostseite schräg geböschte Berg eine ganze Kleinstadt für sich ist. Ausgebreitet auf der ganzen Hangflanke ziehen sich die Gebäude den Berg hoch, nach oben immer dichter, größer, repräsentativer werdend. Während tiefer noch kleine einstöckige, weiß getünchte Hütten mit einfachen Fenstern vorherrschen, werden die Bauten nach oben hin immer massiver, mehrstöckige Bauten mit wunderschön gestalteten dunklen Fensterumrahmungen bekrönen den Gipfel, und die Kultbauten sind rostbraun und ocker gestrichen.

In einem weiten Bogen zieht sich die Straße zum Haupteingang hoch, während der man den halben Klosterberg umrundet und alle Gebäude wie auf einem schräggestellten Präsentierteller in ganzer Breite und Höhe vor sich hat. Oben sind Heiligtümer und Versammlungshallen, etwas tiefer gelegen befindet sich der Klosterhof, daneben weitere Tempel, die Abtswohnung ist eine besonders reich durchfensterte Etage im Gesamtkomplex. Vor allem aber prägen die kleinen kubischen Mönchshäuser am Berghang das Bild des verschachtelten Komplexes, zwischen denen gewundene Wege und Treppen nach oben zum Höhepunkt des Ensembles führen. Dazwischen Gästehäuser, Wirtschaftsgebäude, Nebengebäude den Hang hinunter, Gehäuse für Gebetstrommeln, ein Tor-Tschörten in der Nähe des Hauptzugangs, eine Reihe von 8 Tschörten in Serie, rechts seitlich mit etwas Abstand vom Klosterkomplex ein Lhato, alles zusammen ein malerisches Ensemble bildend.

Der gewundene Pfad schraubt sich die letzten Etagen des Klosterberges hinauf. Von der Höhe schweift der Blick über das Industal, das noch im Dunkeln liegt, noch ist die Sonne nicht ausreichend hoch gestiegen. Darüber leuchten die Spitzen des Gebirgen, glänzen Schneefelder und Gletscher zartrosa im aufgehenden Sonnenlicht, während sich die Talsohle mit ihrer dunkelgrünen Oase und der ringsum liegenden Schutt- und Geröll-Wüste noch im Schatten der Bergketten befindet.

Der Weg führt an einem Tor-Tschörten vorbei und windet sich die Stufen hoch vorbei an großen zylindrischen Gebetstrommeln in kleinen separaten Gehäusen. Das letzte Stück Treppe wird gesäumt von kleinen Gruppen in die rotgestrichene Wand rechterhand eingelassener Gebetsmühlenserien, die von Gläubigen im Uhrzeigersinn gedreht werden. Dann betritt man einen schmalrechteckigen Klosterhof, der für diese Lage auf dem Berg eine erstaunliche Geräumigkeit aufweist. Zur Linken wird er begrenzt von einem gedeckten Umgang, zur Rechten erheben sich steil die Hauptgebäude mit Galerien und Balkonen in luftiger Höhe darüber. Besonders hübsch anzusehen ist der Eingang in den Hof, wo Blumenkästen mit Cosmea den Besucher begrüßen.

Am anderen Ende des Hofes führt eine weitere Treppe hoch zum verandaartigen Tempelvorraum. Hier hinter liegt der Versammlungsraum, und nach dem Zurücklassen der Schuhe betritt man den noch leeren großen Raum, dessen Decken von mächtigen Holzbalken getragen werden. Die äußeren Umgänge sind eingeschossig, in der Mitte aber ist der Raum zweigeschossig und wird oben in der Mitte noch durch eine Laterne überhöht, so daß der Raum konzentrisch um seine Mitte mit Raumkompartimenten gestaffelter Höhe aufgebaut wird. Die Lichtführung unterstreicht diesen zonenartigen Aufbau, fließt doch das meiste Licht von oben durch die Laterne nach unten. Insgesamt wirkt der Raum sehr dunkel, insbesondere die Randbereiche sind in eine farbenfrohe Dunkelheit getaucht, während die Mitte voller bunter Stoffdekorationen der hellste Part des Raumes ist. Und doch ist es nicht nur ein Zentralraum, sondern hat eine ausgesprochene Längsrichtung. Denn in der Längsachse stehen parallele Reihen niedriger Sitzpodeste, zum Mittelgang mit einem durchlaufenden bankartigen Tischchen abgeschlossen.

Am anderen Ende des Raumes gegenüber dem Eingang stehen die Kultbilder, vor diesen auf Regalen oder kleinen Schränkchen aufgereiht Opfergaben, allen voran die typischen Silberschalen mit Wasser, welches jeden Morgen dem Bildnis frisch hingestellt wird. Rechterhand im Raum befindet sich etwas ganz Besonderes, ein Sandmanadala von ca. einem Quadratmeter Größe, in mühevoller Arbeit aus verschiedenfarbigem Sand hergestellt der mit kleinsten Werkzeugen durch Rieseln an die richtige Stelle verbracht wird. Etwas poppig mit einen intensiven Farben wirkt es. So ein Sandmanadala wird hergestellt, um vergänglich zu sein, die Herstellung ist die eigentliche Meditation, Symbol für unglaubliche Hingabe an die Arbeit, die nicht darauf zielt, etwas Bleibendes zu erschaffen, sondern die um ihrer selbst willen durchgeführt wird.

Die vier mächtigen Pfosten aus Holz, die den gesamten erhöhten Mittelteil tragen, sind mit bunten Stoffbahnen behängt, aus vielen einzelnen länglichen, unten schräg oder spitz wie eine Krawatte zugeschnittenen Lappen bestehend. Ringsum ist die seitliche Verkleidung des erhöhten Mittelteiles mit Thangkas behängt.

Kurz hinter dem Eingang ist über jeder Tischreihe ein großer „Gong“ aufgehängt, vier insgesamt. Das sind flache, scheibenförmige, vertikal aufgestellte Trommeln mit zwei Trommelfellen. Der ca. 10-15 cm breite Rahmen ist konvex gewölbt und mit Brokat überzogen; bessere Exemplare tragen dort auch schon mal aufwendiges und vergoldetes Schnitzwerk, und einfachere Instrumente sind am Rand einfach bemalt, meistens rot. Mit einem ca. 30 cm langen geschnitzten Stab sind die Trommeln, deren Schallkörper 50-80 cm Durchmesser erreicht, unten in ein Loch in den Tischen gesteckt, nach oben werden sie mit einer Schnur an einem Deckenbalken aufgehängt, so daß sie bequem von daneben sitzenden Mönchen bedient werden können.

Aber noch ruht der Raum in friedlicher Morgenstille, ein einzelner Mönch räumt ein bißchen auf und bereitet alles für die bevorstehende Puja vor. Zeit, sich in anderen Räumen des Klosters umzusehen, denn mittlerweile erwacht das Gebäude, und aus mehreren Räumen dringt das monotone Rezitieren heiliger Texte, untermalt von Trommeln.

In einem der benachbarten Räume, den Schutzgottheiten geweiht und ziemlich düster eingerichtet, liest ein junger Mönch links neben einem gewaltigen Götterbildnis heilige Texte. Lesen ist zu wenig gesagt, weit untertrieben und übertrieben zugleich. Zum einen übertrieben, denn es werden die Worte so schnell und verwaschen, soweit ich als Nichtkundiger das beurteilen kann, wiedergeben, daß es eher einem die Lektüre begleitenden Murmeln gleicht als einer sprachlich akzentuierten Lesung oder einer kommunizierenden Aussprache. Endlos, nur durch Luftholen unterbrochen oder durch fast seufzerartige Absätze, fließen die heiligen Texte von den Lippen des Mönches. Zum andern untertrieben, denn alle Register werden gezogen, die Sprache ist nur ein Medium der Expression der Texte unter vielen Mitteln, um das Rezitieren auf eine Weise zu begleiten, die alle Sinne anspricht und fordert. Zu seiner Rechten brennt Räucherwerk und füllt den ohnehin dunklen und muffigen Raum noch mit undurchdringlichem Rauch und Wacholderduft.

Das Rezitieren der tibetischen Texte aus einem auf einer kleinen hölzernen Bank liegenden querrechteckigen Buch mit losen Seiten geschieht so schnell, daß man kaum einzelne Worte unterscheiden kann und man von einem im Laufe der Jahre eifrigen Rezitierens gehörigen Abschleifen der Sprache ausgehen kann, zumal das Tibetische zwar die Sprache der heiligen Texte ist, nicht aber die Alltagssprache, das Ladakhi, wovon es aber wiederum viele Dialekte gibt.

In seiner Linken hält der Mönch das Unterteil eines Zimbelpaares, in seiner Rechten das zugehörige Oberteil und gleichzeitig den besonders geformten Trommelschlegel für die große doppelfellige Scheibentrommel zu seiner Seite, der sich nach dem Handgriff fragezeichenförmig biegt und in einem bequasteten Druckpunkt endet.

Bestimmte Abschnitte des Textes werden nun in unregelmäßigen Abständen von musikalischer Aktion untermalt, andere wiederum von symbolischer Benutzung weiterer sakraler Gegenstände wie Vajra, Handtrommel, Handglocke etc. Man hockt atemlos, einerseits vor Staunen, andererseits wegen des Rauches auf blankpoliertem schwarzen Boden, fettig wegen des Öles der Lampen, und folgt dieser expressiven Einmannaktion.

Zwei Bibliotheksräume hat das Kloster Thikze. In der älteren liegen in Vitrinenfächern die in Tücher eingeschlagenen Blattstapel, oben und unten mit einem silberbeschlagenen Holzdecken „gebunden“. Über die Stirnseite der Blattstapel fällt ein besonders schmuckvoll verziertes buntes Brokattuch. Nebenan in der neueren Bibliothek, die erheblich lichter ist als der ältere Nebenraum, treffe ich einen weiteren Mönch beim Rezitieren an. Räucherwerk füllt den Raum mit weißen Schlieren, in die scharf das Sonnenlicht durch die Fenster fällt und ein Trapez weißer Rauchkringel in den Raum zeichnet. Auch hier wird die Endlosschleife des Rezitierens von akustischen, optischen, olfaktorischen, allgemein sensorischen Reizen untermalt.

Unterdessen naht die Stunde der morgendlichen Puja. Zwei rotgewandete Mönche treten mit den gewaltigen Ridzongs auf eine Dachterrasse ein Niveau über der Versammlungshalle hinaus. Jedes dieser Hörner ist aus einer Kupferlegierung gefertigt und mit Silber bzw. Messing beschlagen. Parallel werden die ca. 2.50 m langen, etwas durchhängenden Hörner mit ihrer Schallöffnung auf die Dachkante aufgelegt, und die Mönche blasen mit angespannten Backen, während die dumpfen Laute durch das noch stille, langsam, spätestens bei diesen Rufen erwachende Tal rollen, das mehr und mehr vom Licht der aufgehenden Sonne durchflutet wird. Die Oasenlandschaft leuchtet jetzt in sattem Grün, während die Geröllwüste durch die scharfen Schlagschatten der flachen Sonnenstrahlen noch rauher und unwirtlicher aussieht. Seite an Seite stehen die beiden Mönche und blasen die Brüder zur Andacht, mal gemeinsam, mal abwechselnd, mal überlappend, die Mönche aus den tiefer am Hang erbauten Häuschen zur gemeinsamen morgendlichen Puja rufend.

Denn die Mönche wohnen nicht in den zentralen Bauten, dort ist nur die Abtswohnung sowie die Unterkunft für einige wenige, sondern in den vielen eigenständigen Häusern, die den Hang füllen.

Nach einer Pause treten zwei andere Mönche aus den Gebäuden, diesmal mit einer hahnenkammartig geformten gelben Mütze auf dem Kopf und den obligatorischen saflorroten Gewändern angetan, Muschelhörner in den Händen. Dies sind nicht nur einfach die weißen Schneckengehäuse, sondern nur die rechtsdrehenden, nicht die linksdrehenden. Sie sind seltener und gelten als glückbringendes Symbol. Und es sind auch nicht einfach weiße Schneckengehäuse, sondern wahre Kunstwerke, aufwendig verziert, denn das Mundstück an der oberen Mittelachse und das Griffstück an der unteren Mittelachse sowie der zu einem halbkreisförmigen oder rechteckigen Flügel vergrößerte äußere Abschluß der letzten Windung sind mit Metallarbeiten aus Messing oder Silber mit eingelegten Türkisen und Korallen verziert. Standard-Muschelhörner sind ca. 15 cm hoch, aber es gibt auch besonders reich gestaltete Exemplare, die bis zu 50 cm hoch werden und deren Flügel mit angeschlagenen Silberblechen plattenförmig erweitert sind. Einfaches Hineinblasen bringt sie nicht zum Klingen (ich habe es mal in einem Geschäft in Leh ausprobiert), man muß den Mund fast schließen und nur durch einen engen Spalt Luft in das Muschelhorn hineinpressen, so daß der Schneckenkörper praktisch zum Verstärker des gepreßten Tones wird. Unkontrolliertes Hineinblasen erzeugt nur ein häßliches Fauchen, erst der gepreßte Ton ermöglicht kontrolliertes Schwingen der Luftsäule. Anders als die Mönche mit den Ridzongs sind diese beiden viel beweglicher und umschreitend blasend die Dachterrasse. Die Muschelhörner werden in einen speziellen Futteral aufbewahrt und manchmal auch noch halb in dieses eingeschlagen geblasen.

Nun beginnt sich die Versammlungshalle zu füllen. Durch die Tür, die bis vorhin noch wegen der Vorbereitungsarbeiten geschlossen war, flutet Sonnenlicht von Osten in den ansonsten nur durch die hohe zentrale Laterne mit ihren Dachfenstern wenig Licht bekommenden Raum. Die Türflügel sind typisch gestaltet, zwei sich nach innen öffnende rotgestrichene Platten mit jeweils gewaltigem Zierknauf in der Mitte jedes Flügels. Abgeschlossen werden diese Türen mit einem unten an einem Flügel angebrachten gewinkelten Flacheisen, das über eine in der obersten Stufe oder Türschwelle eingelassene Krampe fällt und dort mit einem Vorhängeschloß arretiert wird.

Den herausgehobenen Platz vorne am Mittelgang, ausgestattet mit zwei Mikrophonen, nimmt ein älterer Mönch ein, nicht unbedingt der Abt, sondern die älteren und erfahreneren Mönche wechseln sich als Vorleser ab.

Die Novizen kommen und füllen die hinteren Bänke, erstaunlich viele junge Ladakhis. Mit ca. 5-6 Jahren treten sie ins Kloster ein. Nur wenige von ihnen bleiben im Kloster Thikze selbst, sondern die meisten gehen in andere Klöster zur weiteren Ausbildung, und viele werden auch in andere Klöster gehen, die keine Novizenschule wie die Großklöster haben, oder später ein Mönchsamt in einem anderen Sprengel übernehmen. Weil nicht alle Klöster Novizen aufnehmen, findet sich die Jugend so stark hier repräsentiert. Neben der buddhistischen Lehre erfahren sie natürlich auch Ausbildung in anderen Fächern, Mathematik, Sprachen etc. Zuständig für die Ausbildung ist der Novizenmeister, der zu Beginn der Puja die Reihen abschreitet mit einem langen Stab in der Hand, an dessen Spitze Räucherwerk glimmt. Eine mächtige Gestalt von auch körperlich mächtiger Ausstrahlung, mit einem offenen, gütigen Gesicht, das aber auch zugleich erkennen läßt, daß man besser nicht sein Mißfallen erregen sollte, eine Gestalt, die sofort durch ihre kraftvolle Ausstrahlung den Raum beherrscht. Er nimmt an der rechten hinteren Stirnseite des Raumes an einem besonderen Podest Platz, um insbesondere die Jüngsten stets im Blick zu haben und zur Ordnung zu rufen. Über seinem saflorroten Mönchsgewand trägt er einen schmutziggelben Mantel, dessen Schulterkragen in gelappten Zaddeln rings um die breiten Schultern herabfällt, auf der linken Schulter eine zusätzliche Applikation.

Es fällt auf, daß auch die älteren Mönche zur Rezitation einen gelben, aus vielen kleinen rechteckigen Stücken zusammengenähten Übermantel anlegen. Der Hauptvorleser vor dem Mikrophon rezitiert die Texte, und alle anderen rezitieren nach. Nein – nicht alle. Nur die älteren haben breitrechteckige Bücher vor sich liegen und folgen dem Text. Auch hier werden bestimmte Stellen von Musik untermalt, auf das Zeichen wird mit allem Musik gemacht, was zur Verfügung steht: Tonangebend sind zwei Klarinetten, dazu werden die vier mächtigen Scheibentrommeln geschlagen, untermalt von den beiden Ridzongs, die man nach den Weckrufen auf dem Tempeldach wieder hereingetragen und hier im rechten hinteren Eck des Raumes abgelegt hatte, und Muschelhörnern, nicht nur den beiden großen, die auf der Dachterrasse schon im Einsatz waren, sondern auch die Kleinen halten z. T. unverzierte weiße Schneckengehäuse geringer Größe und ohne oder mit nur wenigen Silberbeschlägen in ihren Händen. Welche Qualität auch immer jeweils eingesetzt wird, alle benutzten Schneckengehäuse sind rechtswindend, andere würden nicht für rituelle Zwecke benutzt werden. Die Novizen tun ihr Bestes, um diese Musik zu verstärken, die aber im wahrsten Sinne des Wortes eher den Namen Kakophonie verdient, denn jeder Musiker bestimmt selbst den Rhythmus und Einsatz, Hauptsache laut und kräftig, von einem von allen befolgten Zeitplan oder Rhythmus kann keine Rede sein.

Nach einigen solchen Zyklen aus Rezitieren und Musikunterstützung ist es Zeit zum Frühstück. Auf ein Zeichen hin springen einige Novizen eilig auf und rennen in die hintere linke Ecke des Raumes, während alle anderen eine kleine gedrechselte Schale vor sich auf das Tischpodest stellen. Eilig fassen die Jüngeren die Aluminiumbehälter mit Reis und die Kannen mit Buttertee, stolpern eilig vor Hunger und Diensteifer barfuß durch den Raum mit den schweren Behältnissen, scheinen in ihrem Alter offensichtlich diesem Akt erheblich mehr Anteilnahme entgegenzubringen und Aufmerksamkeit zu schenken als der begleitenden geistigen Nahrung. Nun erstirbt die Rezitation streckenweise, während ringsum nur zufriedenes Schmatzen zu hören ist.

Nachdem alle ihre Mahlzeit beendet haben und auch die Älteren im wahrsten Sinne des Wortes ihre Schalen ausgeschleckt haben, wird die Rezitation wiederaufgenommen, gleichermaßen wie vorhin beschrieben, nur wesentlich lockerer. Mönche kommen und gehen, und insbesondere die Disziplin der Kleinsten fordert den Novizenmeister mehr als der vor diesem liegende Text. Meist genügt ein scharfer Blick der auf seinem Extra-Podest sitzenden machtvollen Gestalt, manchmal ein gezischtes Wort, manchmal muß vor Ort mit Ermahnungen die Ordnung wiederhergestellt werden.

Mittlerweile sind über zwei Stunden seit Beginn der Puja vergangen, und die Lust auf Fortsetzung der Besichtigung wächst.

Vor den Hauptteilen des Klosterkomplexes, der Versammlungshalle und dem Tempel der Schutzgottheiten, deren Fassaden jetzt in vollem Sonnenlicht in klarer Luft mit intensiven Farben erglühen, erstreckt sich der langrechteckige Klosterhof, , in Norden vom Zugangsweg abgegrenzt durch eine Reihe Blumenkübel mit Cosmea und anderen Blumen.

Im Norden liegt der neueste Teil des Tempelkomplexes. Linkerhand befindet sich eine Galerie mit unzähligen Manifestationen in Vitrinenschränkchen, in jedem Fach ein Bildnis. Ganz im Norden liegt der Maitreya-Tempel, außen als einziger Bauteil rostbraunrot gestrichen, innen zweistöckig, eine Galerie führt um die Statue des zukünftigen Buddhas, die die ganzen zwei Stockwerke einnimmt.

Die anderen Gebäude sind generell weiß getüncht, strahlend weiß strahlend unter dem auch heute wieder makellosen Himmel. Nur die Fensterumrahmungen sind dunkel gestrichen, schwarz oder rostbraun, über den Fensterstürzen sind kleine Zonen aus Reisig, ebenfalls farbig angestrichen. Weitere Farbakzente bringen die bunt bemalten Holzbalkone und hofseitigen Galerien ins Spiel.

Mittlerweile ist es elf Uhr geworden, und der ganze Klosterberg liegt in praller Vormittagssonne wie aufgestapelt vor dem Betrachter, während man zu Fuß in weitem Bogen um den Berg herum auf der Zufahrtsstraße ins Tal hinunterläuft. Um die Kurve herum grüßt die immer schmaler werdende Silhouette noch zwischen einer weiß gestrichenen Tschörten-Gruppe, dann führt der Fußmarsch weiter nach Shey.

Reisebericht: Besuch in Thikze am frühen Morgen- Tageserwachen über den Dächern von Thikze (1) - Tageserwachen über den Dächern von Thikze (2) - Klosterberg Thikze - In den Mauern des Klosters Thikze - Die gestaffelte Architektur von Thikze

Ladakh-Hauptseite

Literatur, Links und Quellen
Andere Länderessays lesen
Home

© Copyright / Urheberrecht Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2008
Impressum