Bernhard Peter
Ladakh
Spituk: Mysterienspiele (1) - Vorbereitungen

Kein Ritus ohne musikalische Untermalung: Große Rahmentrommeln (Na oder Tschö Na) mit zwei Trommelfellen und einem stark gebogenen Schlägel werden herbeigetragen

In der Mitte der südlichen Längswand des Klosterhofes von Spituk, dessen Galerien mit bunten Girlanden geschmückt sind, wird ein Thron für den Abt aufgebaut. Er ist mit Brokattüchern verziert, von denen das vorderste ein Vishvavajra zeigt, ein Diamantzepterkreuz, das als Symbol für Harmonie, Allmacht und Unveränderlichkeit gilt. Es besteht aus einem quasi verdoppelten und um 90° gegeneinander verdrehten Vajra (Diamantzepter), im Lamaismus Zeichen geistiger Macht und Symbol für das Absolute. Auf diesem Thron würde normalerweise das Oberhaupt des Klosters Spituk während der Zeremonien Platz nehmen. da es sich bei der aktuellen Reinkarnation des Bakula Rinpotche um einen dreijährigen Jungen handelt, der derweil im Kloster Samsthangling erzogen und ausgebildet wird, wird der Thron während der weiteren Vorbereitungen mit einem leeren Gewand als symbolischem Stellvertreter besetzt werden. Vor dem Sitzpolster befindet sich ein niedriges Tischchen mit Ritualgegenständen.

Der Beginn der Festspiele und Maskentänze wird durch lange Hörner aus Metall (Ragdun, Radong) angekündigt. Sie ähneln den aus Europa bekannten Alphörnern. Die Enden werden auf spezielle hölzerne Widerlager aufgestützt, und auch in der Mitte befindet sich eine weitere hölzerne Ruhe für die langen Instrumente.

Sie werden immer paarweise verwendet und bestehen aus mehreren Teilstücken, so daß sie sich bei Nichtgebrauch zum Transport und Lagern zusammenschieben lassen. Beim rechten Horn sieht man besonders gut die (etwas ausgeleierte) Verbindungsstelle kurz hinter dem roten Polsterring.

Ritualgerät wird nicht nur für das (nicht anwesende) Oberhaupt des Klosters bereitgelegt, sondern auch für den ranghohen Lama, der die Zeremonie stellvertretend führt: Ganz rechts eine Handglocke (Ghanta), in der Mitte ein Diamantzepter (Vajra oder Dorje). Die Glocke steht für das weibliche Prinzip, und gemeinsam mit dem Vajra steht sie für die Polaritätenvereinigung im Ritus. Das Vajra (Dorje, Diamantzepter) ist Symbol für die allesdurchdringende Leere, das Absolute. Es heißt Diamantzepter, weil das Absolute gleich diesem unzerstörbar und unveränderlich ist, wie auch ein Diamant ist es ferner durch die Öffnungen zwischen den Bügeln durchsichtig. Links liegt eine Stundenglas- oder Sanduhrtrommel (Sanskrit: Damaru), mit zwei Trommelfellen und einer in der Mitte mit einer Schnur befestigten Schlagkugel. So eine Sanduhrtrommel hat ihre Wurzeln in schamanistischen Kulten. Solche Handtrommeln werden oft aus zwei Schädelschalen gefertigt.

Die Bedeutung von Tönen im Ritus ist eine sehr große, gilt doch der Ton als erste Manifestation der empirisch erfahrbaren Welt. Die Ritualmusik nimmt für sich in Anspruch, Töne zu erzeugen, die der Mensch im Innern auch mit verstopften Ohren wahrnehmen kann, weil es Ur-Töne und Ur-Melodien sind. Man sagt, daß der Mensch durch das Wort Besitz von dieser Welt ergreift, aber durch die Töne die Über-Welt erfährt.

Vorbereitungen - tanzende Mönche (1) - tanzende Mönche (2) - Einzug der Lamas - Ritual und Musik - 1. Bild (1) - 1. Bild (2) - 2. Bild - 3. Bild - 4. Bild - 5. Bild - 6. Bild - 7. Bild - 8. Bild - 9. Bild - Ende

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