Bernhard Peter
Kyoto, To-ji (4): Subtempel Kanchi-in


Der Kanchi-in (Adresse: 403, Kujocho, Minami-ku, Kyoto-shi, Kyoto-fu, 601-8473, Japan) ist ein Subtempel des To-ji, und wie dieser gehört er zur Richtung des esoterischen Shingon-Buddhismus. Dieser Subtempel (Tatchu) wurde durch den Mönch Goho (1306-1362) 1359 gegründet und auf Veranlassung des Kaisers Go-Uda erbaut. Goho war einer von mehreren bedeutenden Persönlichkeiten des Shingon-Buddhismus, die im To-ji heranwuchsen: Neben ihm waren das Raiho und Ryozen. Während des Keicho-Fushimi-Erdbebens kollabierten 1596 die Tempelgebäude. Alles, was heute erhalten ist, ist also später, die ältesten erhaltenen Gebäude datieren von 1605.

Zwei Tore geben Zugang zum Kanchi-in, eines in der westlichen (das Nishi-mon) und eines in der südlichen Umfassungsmauer (das Minami-mon). Das Miniami-mon wurde als Tor für die kaiserlichen Gesandten benutzt (Chokushi-mon). Besucher betreten den Subtempel durch das Nishi-mon. Die spät Momoyama-zeitliche, in ihrer gegenwärtigen Form aus dem Jahre 1605 stammende Halle Kyaku-den (Empfangshalle, Gästehalle) ist als Nationalschatz eingestuft. Sie ist mit Zypressenrinde (Hinoki) gedeckt. Die Halle wurde von Kita no Mandokoro (Toyotomi Yoshiko), der Ehefrau bzw. Witwe von Toyotomi Hideyoshi, finanziert. Sie hat wunderschöne Innenräume im Shoin-Stil, fast residenzartig wirkend. Daran schließt sich östlich die Haupthalle Hondo an, und hier sind die wertvollen Figuren aufgestellt.

Südlich davon liegt der Garten Nehanroku (Choja)-no-niwa mit dem abweisend wirkenden, weiß gestrichenen Schatzhaus Kongo-zo im Osten und den sechs Jizo-Steinen (Roku-jizo-son, mit Bezug zu den sechs Welten der Wiedergeburt) neben einem winzigen Schrein. Choja bezeichnet den Oberpriester des To-ji. Dieser Garten wurde 2017 aus Anlaß des 1200. Geburtstages der Shingon-Schule unter Abt Shuhen Sunahara, dem 256. Abt in der Geschichte des To-ji, neu angelegt. Der Garten mit seinem Moos, seinen Felsen aus Yoshino und Moriyama, seinem weißen Shirakawa-Kies und seinen Kiefern von der Insel Okinoshima verkörpert das Nirvana. Zwischen Hondo und Shoin liegt der Garten Shihoshomen-no-niwa. Zwischen Kyakuden und Hondo liegt ein ringsum von Veranden umschlossener Innenhofgarten (Tsubo-niwa), einer der reizvollsten Innenhöfe mit immer neuen Ausblicken. Ein dritter winziger Garten liegt zwischen Kuri und Kyakuden.

Im Shoin befinden sich Gemälde des modernen Malers Hamada Taisuke, Thema: Vier Jahreszeiten, jeder Raum hat eines der Themen: Frühlingsmorgen, Knospen im Frühsommer, Herbstklänge und Neuschnee. Hinter dem Nishi-mon liegt die Halle Seikan-do (mit einer Figur des Kobo Daishi Kukai), weiter nördlich der Küchenbau (Kuri). Ganz im Norden befindet sich das Teehaus Fuusen-kan im Shoin-Stil mit links anschließendem Wartebereich und mit dem Garten Roji. Dort befindet sich ein Shishiodoshi. Das ist ein beweglich aufgehängtes Rohr aus Bambus, vorne offen und zugespitzt und hinten stumpf und geschlossen. Von oben läuft solange Wasser in die vordere Öffnung, bis das Rohr, das nicht bis ganz hinten gefüllt werden kann, Übergewicht bekommt und nach unten umklappt. Das Wasser ergießt sich in ein Becken darunter, und das nun erleichterte Rohr schwingt in seine Ausgangsstellung zurück, wobei das Hinterteil auf einen Stein klackert - Tock! Damit hatte man früher tierische Eindringlinge aus den Gärten fernhalten wollen, heute ist es ein typisches akustisches Gestaltungselement japanischer Gärten.

Übrigens - der Kanchi-in spielt eine Rolle im Leben des berühmten Schwertkämpfers Miyamoto Musashi als Versteck nach seinem Ichijoji-Sagarimatsu-Duell gegen die Gruppe der Yoshioka. Der Schwertkämpfer hinterließ eine Tuschemalerei (Suiboku-ga), die im Tempel gezeigt wird und zwei wilde Adler in Angriffshaltung und einen Bambuswald darstellt.

Zu den Schätzen des Kanchi-in gehören die fünf großen Kokuzo Bosatsu (Akasagarbha Bodhisattva) im Hondo, ein Import aus dem Tang-zeitlichen China, aus dessen Hauptstadt Chang'an, die 847 auf Initiative des japanischen Mönchs Eun, der im Tang-zeitlichen China studiert hatte, nach Japan gebracht wurden. Diese Figuren stellen das Hauptkultbild des Tempels dar. Weiterhin gibt es eine Edo-zeitliche sitzende Figur des Aizen Myo-o mit sechs Armen.

Der Kanchi-in gilt als wissenschaftliches Zentrum des To-ji-Komplexes, und hier wird die landesweit umfangreichste Sammlung besterhaltener esoterischer buddhistischer Schriften aufbewahrt, die mit Fug und Recht als eine der bedeutendsten Forschungsbibliotheken der Shingon-Richtung bezeichnet werden kann.

Im Innern der Gebäude darf nicht photographiert werden, nur in Richtung auf die Gartenanlagen. Das Personal achtet streng auf Einhaltung und wird schnell nervös - aber an diese Photo-Aversion bei Nationalschätzen und religiösen Bildnissen gewöhnt man sich am besten ganz schnell, sonst wird man unglücklich. Aber hier in diesem Subtempel wird es auch mit Außenaufnahmen schwierig, weil man an den historischen Gebäuden immer nur die Veranden entlang gehen kann und diese nirgends verlassen kann, also nie ausreichend Abstand zu den Gebäuden gewinnt, um sie aufs Photo zu bekommen.

Das Goshuin (der Pilgerstempel) des Tempels trägt als Sumigaki (schwarze Tusche-Kalligraphie) den Wortlaut "Kokuzo Bosatsu". Es ist nicht im Kanchi-in erhältlich, sondern im Jiki-do des Haupttempels To-ji und kostet wie allgemein üblich 300 Yen..


Kanchi-in Nishi-mon (Westtor)

Kanchi-in Kuri

Halle Seikan-do mit einer Figur des Kobo Daishi Kukai, Gründer des Shingon-Buddhismus

Nehanroku-no-niwa, im Hintergrund Minami-mon (Südtor)

Schatzhaus

Innenhofgarten

Südfront des Kyokuden

 

Abb. links: Kukai, Abb. rechts: Steinlaterne

Kyakuden links mit Verbindungsganz zur Haupthalle rechts

Shishiodoshi

Dach des Kyakuden

Kanchi-in Minami-mon (Südtor)


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps:
https://www.google.de/maps/@34.9826831,135.7480219,19.75z - https://www.google.de/maps/@34.9826466,135.7479075,69m/data=!3m1!1e3
Subtempel Kanchi-in auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report611.html
Besucherfaltblatt des Kanchi-in
Subtempel Kanchi-in auf Japanese Travel Manual:
https://jpmanual.com/en/kanchiin


To-ji (1): Beschreibung und Pläne, Mauern und Tore - To-ji (2): Kondo, Kodo, Jikido und Schreine - To-ji (3): Pagode, Garten, Daishido, Bishamondo, Dainichido und andere Substrukturen - To-ji (5): Subtempel Hobodai-in

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