Bernhard Peter
Jantar Mantar - astronomische Geräte Indiens, Teil 18:
Das Kranti Yantra in Jaipur

Auf den ersten Blick sieht das Kranti Yantra aus wie ein halbes Narivalaya Yantra, und in der Tat haben beide gemeinsame Grundlagen. In ein Podest mit Treppen eingebaut ist eine schräggestellte Scheibe mit Skalen, so daß man von den Treppen aus bequem ablesen kann. Auf der Rückseite (Südseite) befindet sich eine große Nische, in der noch einmal eine kleine Wandnische angebracht ist. Wie beim Narivalaya Yantra befinden sich Ebene und Achse des Kranti Yantra im System der Äquatorialkoordinaten. Die Fläche liegt genau in der Ebene des Himmelsäquators, auf deren Skala kann die äquatoriale Länge abgelesen werden. Der Schattenstab, der im Vergleich zum Narivalaya Yantra relativ groß und dick ist, ragt genau parallel zur Erdachse und damit auch parallel zur Verbindungslinie beider Himmelspole aus der Fläche.

Das Kranti Yantra liefert in erster Linie Rektaszensionswerte. Deklinationswerte werden nicht erhalten. Das Instrument läßt sich für die Sonnenbeobachtung über den Schatten des zentralen Stabes im Sinne einer Äquatorialsonnenuhr benutzen. Eine Einschränkung des Kranti Yantra ist, daß es für die Sonne nur im Sommerhalbjahr benutzt werden kann. Bereits zur Zeit der Tagundnachtgleiche berührt nur noch Streiflicht die Ebene, und ein Schatten kann nur durch Aufstellen eines Blattes Papier etc. erzeugt werden. Im Winterhalbjahr liegt die Fläche im Dunkeln.

Aber für Sterne kann das Kranti Yantra ganzjährig benutzt werden, allerdings immer nur für solche, die sich oberhalb der Ebene des Himmelsäquators befinden. Vom Rand der scheibenförmigen Fläche aus kann man über den Stab im Zentrum Sterne anpeilen und ihre Rektaszension an der Skala ablesen.

Eine große Einschränkung ist, daß die Präzision der Messung nur gut ist für Himmelskörper, die sich in der Ebene oder zumindest nahe oberhalb des Himmelsäquators befinden, deren positive Deklination also möglichst klein ist. Sterne jenseits des Endes des Schattenstabes kann man nicht mehr anpeilen.

Zu denken gibt, daß der zentrale Stab relativ dick ist, eigentlich zu dick für präzise Peilungen oder Schatten. Daher drängt sich der Gedanke auf, daß das Gerät eventuell unvollständig ist, daß auf den zentralen Stab weitere drehbar gelagerte Elemente z. B. aus Metall gesteckt werden sollten, um das Instrument z. B. im Sinne des Krantivrittta Yantras (siehe dieses) zu vervollständigen, was die Messung ekliptikaler Daten ermöglichen würde.

Die in die rote Sandsteinplatte gravierte Skala ist ein doppeltes System, einerseits ist der Kreis in 24 Abschnitte unterteilt, wobei jeder Abschnitt einer Stunde entspricht. Die Feineinteilung erfolgt in 15 Abschnitte zu je 4 Minuten und weiter in noch einmal 10 Abschnitte zu je 24 sec, was 1 Pala entspricht. Die andere Einteilung teilt den Kreis in 60 Abschnitte, also 60 Ghatis zu je 24 Minuten. Diese sind wiederum in 6 Abschnitte zu je 1 Grad unterteilt, und weiter in je 10 Abschnitte zu je ein Zehntelgrad oder 1/60 Ghati, was ebenfalls genau 1 Pala zu je 24 sec ist und sich hier mit der Feineinteilung der ersten Skala deckt.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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