Bernhard
Peter
Jantar
Mantar - astronomische Geräte Indiens, Teil 11:
Kleines Jai Prakash Yantra und Kapali Yantra in Jaipur
Das Gerät wird auch in das Kapali Yantra A im Westen und das Kapali Yantra B im Osten unterteilt. Das Kapali Yantra A entspricht einem kleinen Jai Prakash Yantra und dient dem Aufspüren der aktuellen Positionen vieler Himmelskörper, das Kapali Yantra B dient anderen Zwecken.
Konstruktion des Kapali Yantra A:
Das grundlegende Konzept des Jai Prakash Yantra ist die Abbildung
der Himmelshalbkugel, wie wir sie wahrnehmen, auf einer inversen,
d. h. hohlen Halbkugel, so als ob sämtliche Himmelskörper
(Fixsterne, Planeten, Sonne) und ihre Bahnen wie durch
Punktspiegelung auf einer hohlen Halbkugel projiziert werden. Das
erspart langes Drehen und Peilen oder Warten auf die richtige
Stellung, denn in die Halbkugel können die kompletten Bahnen
eingezeichnet werden, samt diverser Koordinaten wie Azimut, Höhe
(Horizontalkoordinaten) bzw. Deklination und Rektaszension
(Äquatorialkoordinaten) und wichtiger Bezugspunkte wie Zenith
und Himmelsnordpol alles kann man in die Oberfläche
gravieren. Genau das ist im kleinen Jai Prakash Yantra
verwirklicht: In eine Plattform sind zwei halbe Hohlkugeln
eingelassen, die jeden Skater zu wilden Phantasien anregen
würde. Die marmornen Becken besitzen im Gegensatz zum großen
Jai Prakash Yantra eine durchgehende Oberfläche und sind über
und über mit Gravuren versehen, die die Bewegungen der
Himmelskörper abbilden, natürlich invertiert, nach
Punktspiegelung am Mittelpunkt der Kugel also ist der
Zenith am tiefsten Punkt der Halbkugel eingraviert und der
Himmelsnordpol 27° vom Rand nach unten im Süden. Der Rand
repräsentiert den Horizont. Mittels einer Drahtverspannung ist
ein Ring genau im Inversionszentrum aufgehängt, dessen Schatten
die Bahn der Sonne am Tage nachzeichnet.
Messung von Horizontalkoordinaten:
Die Plattform repräsentiert
den Horizont; ein Drahtkreuz, das über die Halbkugel in Richtung
der vier Himmelsrichtungen gespannt ist, gibt den Inversionspunkt
für die Punktspiegelung in der Mitte vor. Konzentrische
horizontale Linien im Becken geben die Höhe an, die Graduierung
am Rand des Marmorbeckens gibt den Azimut-Winkel an. Nord und
Süd ist mit 90 markiert, West und Ost mit 0°. Insgesamt ist es
eine 360°-Einteilung, wobei jedes Grad noch einmal in 6
Abschnitte zu je 1 Pala unterteilt ist. Die Azimut-Linien tauchen
senkrecht in das Becken hinab und treffen sich im eingravierten
Zenith (illustriert im linken Teil der Zeichnungen).
Messung von Äquatorialkoordinaten:
Der Bezugspunkt ist jetzt
nicht mehr der Zenith, sondern der Himmelsnordpol, nicht mehr der
Horizont, sondern der Himmelsäquator. Hier kommt Jaipurs
geographische Breite ins Spiel, 27°. Um genau diesen Winkel
liegt der Himmelsnordpol auf dem Nord-Süd-Meridian nach Süden
verschoben im Marmor-Abbild. Die nun relevanten Linien sind
konzentrische Kreise um das Abbild des Himmelsnordpoles, die die
Deklination angeben, senkrecht dazu die Linien für die
Rektaszension (illustriert im rechten Teil der Zeichnungen). Im
Original umfaßt das Liniennetz beide Arten von Koordinaten in
Überlagerung.
Funktion und Grenzen:
Der Ring, der im Mittelpunkt
der Halbkugel von den in Nord-Süd- und West-Ost-Richtung
gespannten Drähten gehalten wird, dient als Fixpunkt der
Beobachtung. Einfach ist die Beobachtung der Sonne: Der Schatten
des Ringes zeichnet seine Bahn durch die Halbkugel und erlaubt
direkt das Ablesen der Koordinaten in beiden Systemen. Die
Informationen, die man erhält, sind neben den Sonnenkoordinaten
die lokale solare Zeit, Sommer- und Winter-Sonnenwende,
Tagundnachtgleichen und Tierkreiszeichen. Bei Sternen gestaltet
sich das schon erheblich schwieriger, da die damalige Technologie
keine Projektion der Sterne auf die Schalenwand erlaubte. Für
die Sternbeobachtung hätte die Schale aus transparentem Material
sein müssen.
Kapali Yantra B:
Das Kapali Yantra B ist die
baugleiche zweite Hemisphäre im Osten. Sie wurde nicht zum
Beobachten der Sonne verwendet, sondern sie war ein Abbild der
Planetenbewegungen und diente der graphischen Lösung
astronomischer Probleme. Die Schale hat verschiedene Punkte am
Rand markiert, von denen jeweils Meridianlinien zum
gegenüberliegenden Rand verlaufen. Insgesamt ist es eine
360°-Einteilung, wobei jedes Grad noch einmal in 6 Abschnitte zu
je 1 Pala unterteilt ist. Von 6 Punkten ausgehend wird je ein
vollständiges Liniennetz aufgespannt, dies sind die vier
Himmelsrichtungen (Süden und Norden = 0, Osten und Westen = 90)
sowie 26.9° in SW bzw. NO-Richtung, also insgesamt 3
Meridiansysteme. 5 weitere Systeme mit jeweils nur drei Linien
verbinden die Punkte bei 42.9°, 51.6°, 63.1°, 74.6° und
83.3° von SO nach NW. Alle diese Netze überlagern sich und
formen ein hochkomplexes Liniennetz.
Photos, Nächstes Kapitel, Zurück zur
Übersicht, Literatur
zu indischer Astronomie
andere Essays
über indische Kultur
Home
©
Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
Impressum