Bernhard
Peter
Jantar
Mantar - astronomische Geräte Indiens, Teil 8:
Das Digamsa Yantra in Jaipur
Konstruktion des Instrumentes:
Auf einer ebenen Fläche befindet sich eine zylindrische zentrale
Säule, die von zwei konzentrischen kreisförmigen Wänden
umgeben ist, wovon die innere etwa gleich hoch ist wie die Säule
(1 m), die äußere Wand jedoch fast doppelt so hoch ist wie die
beiden anderen Strukturelemente (ca. 2 m). Die Oberkante von
Säule und Wänden ist mit Marmor belegt, in den Skalen
eingraviert sind, an denen man den Azimut-Winkel ablesen kann.
Diese Skalen repräsentieren den Horizont wie um einen
gigantischen Kompaß herum. Der Durchmesser des gesamten Systems
beträgt ca. 8 m. Beide Ringe haben jeweils 4 Öffnungen, wovon
nur die im äußeren Ring wirklich begehbar sind. Die
Mittelsäule hat eine umlaufende Skala, der innere Ring hat
insgesamt 4 Skalierungen, innen und außen, sowohl auf der
Fläche als auch auf der Senkrechten, und schließlich der
äußere Ring hat zwei Skalen, innen und außen auf der
Senkrechten, aber keine auf der horizontalen Fläche. Die Skala
des inneren Ringes läuft jeweils von Null in Süd und Nord bis
90 Grad in Ost und in West, die Ziffern sind in Zehnerschritten
eingraviert. Zwei dezimale Unterteilungen der Gradstriche ergeben
eine Ablesegenauigkeit von 0.01 Grad. Über das ganze System
wurden zwei sich rechtwinklig schneidende Drähte gespannt, einer
in Nord-Süd-Richtung, einer in West-Ost-Richtung. Der
Schnittpunkt beider Drähte (Ringöffnung) kam exakt über der
zentralen Säule zu liegen, die senkrechte Verbindungslinie ist
in einer Linie mit dem Zenith. Eine andere Möglichkeit wäre die
Errichtung eines senkrechten Stabes in der Mitte der
Zentralsäule.
Was leistet das Digamsa Yantra?
Der Schwerpunkt dieses
Gerätes ist die Winkelbestimmung. Das System basiert auf
Horizont und Zenith. Man erhält in erster Linie den
Azimut-Winkel, und zur Azimut-Bestimmung ist dieses Instrument
das Genaueste. Die Winkelbestimmung ist im Gegensatz zum Rama
Yantra lückenlos möglich, dafür sieht dieses Gerät keine
Höhenmessung vor. Die praktische Nutzung ist auf vielerlei Weise
möglich.
Z.B., zur Bestimmung des Azimutwinkels der Sonne, kann man von der Mitte der Säule zur Skala einen Faden spannen oder einen Peilstab legen und diesen so lange verschieben, bis er sich mit dem Schatten des Kreuzungspunktes deckt. Dann kann man an der Skala den Winkel ablesen.
Eine Möglichkeit des praktisches Vorgehens zur Winkelmessung von Sternen ist die folgende: Der Beobachter steht zwischen den beiden konzentrischen Mauern, ein Helfer außerhalb der äußeren Mauer. Die Person außerhalb hält einen Hilfsfaden, der an dem Kreuzungspunkt der beiden Drähte als Peilhilfe befestigt wurde. Beide Personen stellen sich ungefähr gegenüber dem zu bestimmenden Stern auf. Über den Rand der inneren Mauer und den Kreuzungspunkt der Drähte kann ein Stern nur genau angepeilt werden, wenn er sich in einer bestimmten Höhe befindet (Stern 1). Hat der Stern eine andere Höhe (Stern 2), wird der Hilfsfaden gebraucht: Der äußere Helfer verschiebt den Faden so lange, bis Stern, Kreuzungspunkt der Drähte und Faden in einer Linie stehen. Dann kann der Winkel an der Skala abgelesen werden, sowohl dort, wo der Faden auf der äußeren Mauer aufliegt, als auch an der Kante der inneren Mauer, von wo der Beobachter Stern, Kreuzungspunkt und Faden anpeilt. Noch komplizierter wäre es, an dem horizontalen Hilfsfaden einen zweiten Hilfsfaden zu befestigen, dessen Knoten man entlang des ersten Hilfsfadens verschiebt, bis die Höhe stimmt, und den man dann an der inneren Skala anlegt. Durch synchrones Verschieben beider Auflagepunkte (müssen an der selben Winkelmarke liegen) läßt sich die zutreffende Winkelmarke finden. Oder ganz einfach: Man spannt den Visierfaden von der Mitte der Zentralsäule und zieht ihn über die äußere Mauer. Der Beobachter peilt von der Kante der Skala aus nach oben und läßt seinen Helfer so lange den Faden verschieben, bis der Faden genau den Stern des Interesses überdeckt. Es gibt viele Möglichkeiten!
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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