Bernhard
Peter
Jantar
Mantar - astronomische Geräte Indiens, Teil 7:
Das Rama Yantra in Jaipur
Konstruktion des Instrumentes:
Das Rama-Jantra (Ram Yantra) ist doppelt vorhanden, und dann noch
einmal sowohl als kleine als auch als große Version. Die kleine
Version mit nur 86.5 cm Radius war nur zum Ausprobieren, die
Endversion hatte dann 3.44 m Radius. Der Aufbau ist jeweils der
gleiche: Zwei zylindrische hohle Trommeln mit relativ dünner
Wand und ohne Dach ergänzen sich in dem Sinne, als in jeder
Trommel 12 Wandsegmente fehlen, die die Wand der jeweils anderen
Trommel bilden. Der Boden besteht aus radial angeordneten
Kreissegmenten, die Lücken in der Außenwand setzen sich hier
fort. Diese schmaldreieckigen Segmente liegen nicht dem Erdboden
auf, sondern sie sind leicht erhöht (ca. 1 m) montiert, so daß
man zwischen sie treten und die Skalen gut ablesen kann. Im
Zentrum ist ein senkrechter Stab als Schattengeber montiert, er
ist genau so hoch wie das gesamte Instrument. Beim näheren
Hinsehen erkennt man, daß die Segmente nicht gleich breit sind:
Die eine Trommel hat Segmente, die jeweils 12 Grad abdecken, die
andere hat Segmente von 18 Grad (siehe Abbildung), bei den
Lücken ist es umgekehrt. Wenn man beide Trommeln
ineinanderschieben würde, wäre die Wand vollständig
geschlossen. Das Instrument ist im Grunde eines, aber es wurde
geteilt, um dem Betrachter zu ermöglichen, zwischen die
Skalensegmente zu treten. Am Rande ist eine Treppe angebaut, so
daß der Betrachter auch auf den ringförmigen Architrav treten
kann. Die Höhe der skalierten Mauer ist gleich dem Radius des
Instrumentes. dadurch kann man die Winkel direkt ablesen.
Was leistet das Instrument?
Das Rama Yantra dient zum
Messen der Positionen von Sonne und Sternen. Das System basiert
auf dem Horizont und dem Zenith. Man erhält Höhe und Azimut als
Koordinaten. Die Höhenlinien sind umlaufende horizontale Linien
an den vertikalen Elementen. Die Azimutwinkel sind radiale Linien
auf dem segmentierten Boden, die am Rand umknicken und in
vertikale Linien übergehen, die die Höhenlinien schneiden. Der
Radius der segmentierten Wand ist gleich der Höhe des
Schattenstabes. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Himmelsobjekte
mit einer Höhe von mehr als 45° können am segmentierten Boden
abgelesen werden, Objekte mit weniger als 45° werden auf den
senkrechten Wänden abgelesen.
Um die Höhe der Sonne zu messen, muß man nur die Spitze des Schattens des zentralen Schattenzeigers an den Wand- oder Bodensegmenten suchen. Auf der Skala kann man direkt Azimut und Höhe ablesen. Wenn der Schatten gerade in eine Lücke fällt, geht man zum benachbarten korrespondierenden Rama Yantra, denn dort sind die fehlenden Segmente mit ihren Skalen.
Wenn man die Position von Sternen ermitteln will, muß man den Stern, die Spitze des Schattenzeigers und die Skala in eine Linie bringen, was am besten mit Hilfe eines an der Spitze des Schattenzeigers befestigten Fadens geht, an dem man entlangpeilen kann und den man dann manuell an die Skala anlegt. Hier erweist es sich als hilfreich, daß die Segmente relativ schmal sind.
Die dreieckigen Segmente haben auf der Fläche in beiden Richtungen eine Einteilung in 1°-Abständen und gravierte Zahlen bei 45, 50, 55, 60, 65, 70, 75, 80 und 85°. 90° wäre das Zentrum. An der Kante wird es genauer: Jedes Grad ist noch einmal in 10 Abschnitte eingeteilt. Das unterstreicht, daß bei diesem Gerät genaue Messungen nur durch Peilung an den Kanten möglich waren und dazwischen eher grobe Schätzungen. Also auch dies ein diskontinuierlich präzises Instrument. Die senkrechten Elemente haben auf der Fläche ebenfalls Liniennetze im 1°-Abstand und eingravierte Zahlen im 5°-Abstand von 45 (unten) bis 0 (oben) sowie an den Seitenkanten Markierungen im Zehntelgrad-Abstand. Der oben umlaufende Rand ist genau 3 Grad hoch. hier ist keine präzise Ablesung möglich. Beim westlichen Instrument sind die 12 Segmente je 12° breit, die Lücken haben eine Breite von 18°, beim östlichen Instrument ist es umgekehrt, die 12 Segmente sind je 18° breit, die Lücken haben eine Breite von 12°. Jedes dreieckige Segment steht auf zwei Stützen und ist in einer Höhe angebracht, daß man bequem dazwischentreten und ablesen kann.
Was kann das Rama Yantra nicht?
Der Hauptnachteil des Rama
Yantra ist, daß man zwar die Sonne überall durch den Schatten
sehr gut ablesen kann, die Sterne aber sicher nur an den Kanten
der Segmente. Fällt die Projektion auf die Fläche, hat man
keine genaue Anlegekante, sondern ist insbesondere beim Azimut
aufs Schätzen, Faden an der Wand anlegen, am Faden
entlangpeilen, Parallaxe herausrechnen etc. angewiesen. Richtig
gute Werte bekommt man nur alle 12, 30, 42, 60 etc. Grad, also
immer nur an den Segment-Kanten. Diesen Nachteil kann man durch
Messungen im Digamsa Yantra ausgleichen, das nur gebaut wurde, um
exakte Azimut-Winkel zu bestimmen.
Bei Sternen mit einer Höhe über 80° ist es nicht mehr möglich, exakte Angaben abzulesen, weil die Projektion zu sehr am Fuße des Schattenzeigers zu liegen kommt. Zwei Sterne mit großem Winkel können nicht mehr sicher voneinander unterschieden werden.
Wenn ein Himmelsobjekt so tief steht, daß es unter der Oberkante der Trommel liegt, kann es prinzipiell nur beobachtet werden, wenn es gerade an der Kante zu einer Lücke steht. Dieses wird z. B. im Rama Yantra in Delhi noch schwieriger, weil die Außenwand zwischen den Skalenteilen bis auf große Fensteröffnungen in drei umlaufenden Reihen geschlossen ist.
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Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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