Bernhard Peter
Das geistliche Oberhaupt der Tibeter: Der Dalai Lama

Stellung des Dalai Lamas:
Der Dalai Lama ist die höchste Autorität und genießt bei vielen Tibetern einen gottgleichen Status.

Ein Dalai Lama ist ein Bodhisattva, d. h. ein Wesen, das eigentlich als erleuchtete Buddha-Natur den Kreislauf der Wiedergeburten hätte verlassen können, aber aus Mitgefühl mit der Menschheit wieder in das normale Leben zurückgekehrt ist. Die Dalai Lamas gelten als Ausstrahlung Avalokiteshvaras (tibetisch Chen Rezig bzw. Tschenresi), dem Bodhisattva des Mitgefühls.

Ein Dalai Lama wird wiedergeboren. Der jeweils vorherige, verstorbene Lama wird als Mensch reinkarniert und kann dann irgendwo unter den Menschen gesucht, entdeckt und erkannt werden. Traditionell begeben sich Mönche auf die Suche unter den Kleinkindern, indem sie ihnen bestimmte Aufgaben vorlegen und Tests unterziehen. Beispielhafte Tests sind, sie Gegenstände aus dem Besitz der vorherigen Inkarnation aus einer Sammlung von gleichartigen Gegenständen heraussuchen zu lassen. Der gefundene Junge bekommt dann einen neuen Namen, erhält eine herausragende Ausbildung und wird schließlich auf Lebenszeit zum neuen Dalai Lama eingesetzt.

Der Titel "Dalai Lama" wurde erstmals im Jahre 1578 dem 3. Dalai Lama, Sonam Gyatso, von einem mongolischen Fürsten verliehen.

Innerhalb der in Tibet vorherrschenden Gelugpa genießt der Dalai Lama zwar die höchste Autorität und wird als geistliches Oberhaupt der Tibeter angesehen, er ist jedoch nicht das Oberhaupt der Gelug-Schule. Das ist ein Amt, in das man gewählt wird, und dessen Inhaber alle 7 Jahre wechselt, und der Leiter der Gelugpa ist der Ganden Thripa, "Thronhalter von Kloster Ganden", der von den Klöstern dieser Glaubens-Schule gewählt wird und die Nachfolge des Gründers Tsongkhapas repräsentiert, derzeit ist als 102. Person in dieser Rolle Thubten Nyima Lungtog Tendzin Norbu.

Der Dalai-Lama ist hingegen innerhalb der geistigen Hierarchie der Gelug-Schule der Titel der höchsten Inkarnation (Trülku), die von ihr verehrt wird. Er wird nicht gewählt, sondern als "Wiedergeborener" in der speziellen Wahrnehmung als Reinkarnation des Avalokiteshvara aufgefunden.

Liste der Dalai Lamas:

  1. Gendun Drub (1391–1475), erst nach seinem Tode 1578 nachträglich zum Dalai Lama ernannt, Lama der Gelugpa-Schule, Schüler von Je Tsongkhapa, führte den Gebrauch der gelben Mütze ein, woraufhin die Gelugpa heute als "Gelbmützen-Schule" bekannt ist. Gründete 1447 das Kloster Tashilhünpo bei Shigatse, dem späteren Sitz des Panchen Lama.
  2. Gendun Gyatso (1475–1542), erst nach seinem Tode 1578 nachträglich zum Dalai Lama ernannt, Sohn eines Tantrikers der Nyingma.
  3. Sonam Gyatso (1543–1588), erhält 1578 vom Herrscher der Mongolen, Altan Khan, als erster den Ehrentitel Dalai Lama, nachdem die Mongolen die buddhistische Lehre annahmen.
  4. Yonten Gyatso (1589–1617), etablierte das System der gegenseitigen religiösen Unterweisung zwischen dem Panchen Lama in Tashilhunpo und dem Dalai Lama in Lhasa. Lobsang Choegyen war der damalige Panchen Lama, er nahm Yonten Gyatso das Mönchsgelübde ab.
  5. Ngawang Lobsang Gyatso (1617–1682), sicherte die politische Vormachtstellung der Gelug-Schule durch ein Bündnis mit den Mongolen. Deren Anführer Gushri Khan schlug eine Revolte nieder und sicherte dem Dalai Lama 1647 die weltliche Macht über Tibet. Daraus wurde eine lange Phase der außenpolitischen Unbehelligtheit., für knapp 250 Jahre bestand die politische Stabilität und der Frieden Tibets seitdem fort. Der religiöse Frieden wurde dadurch begründet, daß er die Eigenarten der verschiedenen buddhistischen Schulen Tibets im wesentlichen unangetastet ließ. Dieser Dalai Lama war ein bedeutender Staatsmann und Gelehrter. Er begann auch im Jahr 1642 mit der Errichtung des Potalas in Lhasa begonnen, der aber erst 1693 nach seinem Tod fertig wurde. Von ihm wird seinem Lehrer der Titel des Panchen Lama verliehen, welcher die zweithöchste geistliche Stellung in der Hierarchie des Gelugpa-Ordens einnimmt. Politisch bedeutsam ist ein Staatsbesuch des 5. Dalai Lama 1653 am Hof der Qing-Dynastie in China statt.
  6. Tsayang Gyatso (1683–1706), fällt etwas aus der Reihe, nicht immer mönchskonformer Lebenswandel, trat später wieder in den Laienstand über.
  7. Kelsang Gyatso (1708–1757)
  8. Jamphel Gyatso (1758–1804), wichtige politische Figur als Vermittler zwischen Großbritannien und Bhutan sowie in der Politik mit China.
  9. Lungtog Gyatso (1806–1815) unbedeutend, starb schon im Alter von 10 Jahren
  10. Tsultrim Gyatso (1816–1837) unbedeutend, starb jung
  11. Khedrup Gyatso (1838–1856) unbedeutend, starb jung
  12. Trinle Gyatso (1856–1875) unbedeutend, starb jung
  13. Thubten Gyatso (12.2.1876–17.12.1933) Bedeutender Dalai-Lama, politisch geprägt vom Bemühen um die nationale Unabhängigkeit Tibets. Es gab Versuche der Briten, das Land zu knechten: 1904 erreichte ein britisches Expeditionskorps unter Francis Younghusband Lhasa. 1912 wurde Tibets Unabhängigkeit von China erreicht. Später versuchten die Nationalchinesen unter Liu Wenhui, ganz Osttibet zu annektieren, was jedoch nicht gelang, denn die Truppen Wenhuis wurden geschlagen und nach Sichuan zurückgedrängt. Das Problem war jedoch mangelnde internationale Absicherung der Souveränität Tibets. Isolationspolitik führten dazu, das die Weltöffentlichkeit kein Interesse an den politischen Vorgängen in Tibet hatte. Nach seinem Tod verpennte es die Regentschaft der Gelugpa, die Unabhängigkeit Tibets international anerkennen zu lassen, was später zur Annektierung durch China führen sollte.
  14. Tenzin Gyatso (6.7.1935–), stammt aus einem Dorf in der an Tibet angrenzenden tibetischen Provinz Amdo in China. Geburtsname: Lhamo Dhondrub. Entdeckung durch umhersuchende Mönche als Reinkarnation im Alter von zwei Jahren. Inthronisation im Alter von 4½ Jahren am 22. Februar 1940. Erziehung und Ausbildung im Potala in Lhasa. Offizieller neuer Name: "Jetsun Jamphel Ngawang Lobsang Yeshe Tenzin Gyats" - "Heiliger Herr, gütiger Herr, mitfühlender Verteidiger des Glaubens, Ozean der Weisheit". Weitere Titel für den täglichen Gebrauch der Tibeter sind Yeshe Norbu ("der Erfüllende") oder einfach als Kundün ("die Gegenwart"). Einfall der Chinesen. Übertragung der Staatsgewalt über das Land am 17. November 1950, der Dalai Lama ist damals 15 Jahre alt. Das wird von China nicht anerkannt. 1954 ergebnislose Reise nach Peking, um mit Mao Tse-Tung Gespräche über eine friedliche Beilegung des Tibet-Konflikts zu beraten. 1959 Flucht nach einem gescheiterten Aufstand der Tibeter gegen die chinesische Besatzung nach Indien ins Exil. Seitdem Leitung der tibetischen Exilregierung in Dharamsala (Bundesstaat Himajal Pradesh). Beachtenswerter weltweiter Einsatz für Humanität, buddhistische Religion und politische Moral. Botschafter der Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit der tibetischen Nation. Träger des Friedensnobelpreises.

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