Bernhard Peter
Die "Lehrer": Die Panchen Lamas

Stellung des Panchen Lama:
Der Panchen Lama ist die zweithöchste Autorität der Gelbmützensekte nach dem Dalai Lama im Land. Korrekter ist der Titel Panchen Rinpotche (bedeutet wörtlich „großes Gelehrtenjuwel“ bzw. "Lehrer, der ein großer Gelehrter ist"). Er ist ein spiritueller Lehrer, der Lehrer des Dalai Lamas.

Ein Panchen Lama wird wiedergeboren, um den Menschen dauerhaft die Hilfestellung zu geben, die ein solchermaßen geachteter Lehrer bedeutet. Der jeweils vorherige, verstorbene Lama wird als Mensch reinkarniert und kann dann irgendwo unter den Menschen gesucht, entdeckt und erkannt werden, genauso wie der Dalai Lama. Traditionell ist der Panchen Kama das Oberhaupt des Klosters Tashilhunpo in Shigatse. Er gehört zu den inkarnierten Äbten, nicht zu den gewählten.

Den Dalai Lama und den Panchen Lama verbindet nicht nur ein Leher-Schüler-Verhältnis, sondern auch ein geistiges Stellvertreterverhältnis und ein Verhältnis gegenseitiger Anerkennung: Stirbt ein Dalai Lama, ist es Aufgabe des Panchen Rinpotche, dessen Wiedergeburt anzuerkennen und umgekehrt. Der Panchen Lama gilt als Reinkarnation des Buddha Amitabha.

Der Titel "Panchen Lama" wurde erstmals im 17. Jh. vom 5. Dalai Lama, Ngawang Lobsang Choegyen, verliehen. Der Begünstigte und solchermaßen Geehrte war Lobsang Chökyi Gyaltsen, der den 4. Dalai Lama, Yonten Gyatso, sowie den 5. Dalai Lama, Ngawang Lobsang Choegyen, unterwiesen hatte. Letzterer verlieh dem Lehrmeister den Titel und erkannte, daß er wiedergeboren werden würde, um seiner spirituellen Arbeit Kontinuität zu geben. Nun ist aber Lobsang Chökyi Gyaltsen aber nicht, wie man erwarten würde, der erste Panchen Lama, sondern der vierte, weil man die anderen drei posthum in die Kontinuität der Reinkarnationen einbezog.

Traditionell kommt einem Panchen Lama keine politische Macht zu. Der Versuch der politischen Instrumentalisierung des Panchen Lama im 20. Jh. durch die chinesische Führung ist eine Neubewertung desselben, der Versuch, einen kontrollierten Ersatz für den geflohenen Dalai Lama zu schaffen.

Liste der Panchen Lamas:
1.) Khaichub Gêlêg Baisangbo, Khedrup Gelek Pal Sangpo (1385–1438)
2.) Soinam Qoigyi Langbo, Soinam Qoilang, Sonam Tschoklang (1438–1505)
3.) Wênsawa Lobsang Toinchub, Wensapa Lobsang Döndrup (1505–1568)
4.) Lobsang Qoigyi Gyaicain, Lobsang Tschökyi Gyaltsen, Lobsang Chökyi Gyaltsen(1570–1662), erster Titelträger
5.) Lobsang Yêxê, Lobsang Yeshe (1663–1737)
6.) Baidain Yêxê, Palden Yeshe (1738–1780)
7.) Dainbai Nyima, Tenpe Nyima (1782–1853)
8.) Dainbai Wangqug, Tenpe Wangchuk (1854/1855–1882)
9.) Tubdain Qoigyi Nyima, Gêlêg Namgyai, Thubten Chökyi Nyima (1883–1937)
10.) Chinlai Lhünchub Qoigyi Gyaicain, Tschökyi Gyaltsen, Chökyi Gyaltsen (19.2.1938–28.1.1989, Anerkennung 1949, nach 1959 und der Flucht des Dalai Lamas ranghöchster religiöser Führer in Tibet, zuerst Kooperation mit der chinesischen Politik, 1960 Vizevorsitzender des Nationalen Volkskongresses, Vorsitzender des Komitees zur Organisation des Autonomen Gebiets Tibet, 1962 Petition an Mao Zedong unter Thematisierung der Unterdrückung der Tibeter, zunehmend kritische Distanzierung von der chinesischen Politik, 1964 Amtsenthebung, Hausarrest in Beijing, als "Feind des tibetischen Volkes, der Partei und des Sozialismus" gebrandmarkt und öffentlich gedemütigt, gefoltert, 1968-1977 in Haft, nach der Entlassung und Nachlassen der "Kulturrevolution" langsam rehabilitiert, geriet 1987 erneut in Opposition zur chinesischen Besatzungspolitik, 1989 Rückkehr nach Shigatse, wenig später Tod, vermutlich durch Gift, offiziell durch "Herzversagen")
11.) Gêdün Qoigyi Nyima, Gedün Chökyi Nyima, Tschökyi Nyima (geb. 25.4.1989, vom Dalai Lama im Alter von 6 Jahren am 14.5.1995 anerkannter und damit rechtmäßiger Panchen Lama, drei Tage später mit Eltern entführt und seitdem in chines. Gewahrsam, Verbleib und Wohlergehen ungeklärt)
"10a)" Gyaincain Norbu, Gyaltsen Norbu (geb. 1990, offizieller Panchen Lama, Gegenkandidat der chinesischen Regierung, am 8.12.1995 von der chinesischen Führung präsentiert, nicht vom Dalai Lama anerkannt, von den Tibetern überwiegend nicht anerkannt, in chines. Gewahrsam, Verbleib ungeklärt)

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