Bernhard Peter
Vom Lalung-La nach Zhangmu

Die Himalaya-Kette ist durchquert, die wasserscheide ist passiert, und diese Schmelzwasserbäche rauschen schon nach Süden.

Eingewaltiges Schwemm-"Delta" aus Gestein bildet die Existenzgrundlage für dieses Dorf. Leben in dieser Höhe ist nur möglich, wo Schmelzwasser von oben kommt.

Mühsam errichtete und gepflegte Mauern begrenzen die Terrassen, auf denen Ackerbau betrieben wird.

schlagartig werden die Berge grün, wir befinden uns jetzt auf den Südhängen des Himalayas

Die Baumgrenze ist genau an dieser Schlucht erreicht, der erste Berg ist von Bäumen überzogen

Enzian

Der Schlucht dieses Baches entlang führt der Weg in unendlichen Kehren und Kurven immer weiter nach Süden. Es ist der Po-Chu, der etwa beim Lalung-La entspringt, uns bis Zhangmu und weiter bis weit nach Nepal hinein begleiten wird und der letztendlich in den Sun Kosi entwässert.

Die Vegetation wird immer dichter. Hier erleichtern sich die aus dem Tiefland kommenden Wolken und sorgen für einen üppigen Vegetationsüberzug über die steilen Hänge der Schlucht, die immer wieder im Nebel der Wolken verschwinden.

Die Straße, die einzige ausgebaute Nord-Süd-Verbindung zwischen Nepal und Tibet, ist in die steilen Felshänge geschlagen und folgt den unendlichen Kehren der tief unten liegenden Schlucht, immer wieder bedroht durch Erdrutsche und Steinschlag, besonders zur Regenzeit. Die nächste größere Nord-Süd-Straße liegt im Osten zwischen Gyantse und Sikkim sowie im Westen zwischen Manasarowar-See und Indien, denn die Straße zwischen Tibet und Mustang geht nicht weiter nach Süden durch.

Am Ende dieser Straße liegt Zhangmu, der letzte Ort auf tibetischem Terrain und Grenzstation nach Nepal. Zhangmu ist aus mehreren Gründen eine bleibende Erinnerung. Der ganze Ort ist an einem sehr steilen Hang errichtet, die Häuser haben gänzlich asymmetrische Seiten zur Straße und zum Hang von etlichen Stockwerken Unterschied. Durch den gesamten Ort quält sich nur eine einzige Straße in unendlichen Serpentinen. Es gibt keine Seitenstraßen, und jedes Hindernis in der Hauptstraße bringt alles zum Stillstand. Zhangmu ist LKW-Umladestation, denn bis hier nur dürfen nepalesische LKWs fahren, und alles muß hier auf chinesische LKWs, die nicht nach Nepal hineindürfen, umgeladen werden - soweit zu Hindernissen. Man könnte keinen günstigeren Ort für eine solche Funktion bauen..... Dazu wird der Ort geprägt von allem, was ein Grenzort voller Militär, Grenzbeamte, LKW-Fahrer so braucht, von schimmeligen Herbergen bis zum horizontalen Gewerbe und Geldwechslern. Selbst in meiner relativ anspruchsvollen Unterkunft war der penetrante Schimmelgestank des ganzen Zimmers ein steter nächtlicher Begleiter - fast unvermeidlich in dieser Stadt, die immer dem Steigungsregen ausgesetzt ist, worüber sich alle Wolken entleeren, um den Aufstieg über die Berge des Himalaya zu schaffen.

Die Grenze selber ist ein paar Kilometer hinter dem Ort vor der sogenannten Freundschaftsbrücke, diese paar Kilometer darf man nach Personenkontrolle und Durchschreiten einer Absperrung aus massiven Metalltoren zurücklegen, um sich zur Grenzstation zu begeben, wo das gesamte Gepäck von Hand auf verbotene oder die Besatzungsmacht diskreditierende Gegenstände durchsucht wird, und der gleiche Reiseführer auch beim zehnten Mal aufmerksam Seite für Seite durchgeblättert wird. Alles Geschriebene erfordert höchste Aufmerksamkeit. Was ist das nur für ein Apparat, in dem das Geschriebene, das Intellektuelle, stets mit Gefahr assoziiert wird! Selbst das erstaunlich korrekte, vorsichtige und ordentliche Vorgehen der Grenzbeamten tröstet nicht darüber hinweg, daß man ca. zweieinhalb Stunden für die gesamte Prozedur braucht, ehe man endlich über die Metallkonstruktion der Brücke darf und jenseits des Mittelstriches mit einem so herzlichen "Welcome to Nepal!" begrüßt wird, daß man gerne eintaucht in die wohltuende Herzlichkeit des Landes auf der anderen Seite der Schlucht.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2009
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