Bernhard Peter
Gyantse: Kumbum, zweite Ebene (1)

Dieser Raum enthält fünf Formen des Amitayus nach Art des Inders Jetari (10. Jh.). Die Hände der abgebildeten Figuren sind in der Meditationshaltung (Dhyana Mudra), beide Hände liegen locker aufeinander im Schoß mit den Handflächen nach oben.

Abb.: Detail, Kopfstudie.

Abb.: Die Khadiravani Tara, Tara des Akazienwaldes, tibet. Sengden-nagki Drolma. Khadiravani ist wörtlich der Khadirawald, denn Vana ist der Wald. Sie ist eine frühe Form der Grünen Tara. Das rechte Bein ist etwas ausgestreckt, das linke dagegen dicht an den Körper gezogen. Die rechte Hand ist in einer Geste des Gebens ausgestreckt. Die linke Hand befindet sich etwa in Herzhöhe in einer Geste der Schutzgewährung, entsprechend ihrer Eigenschaft, vor den acht Ängsten zu schützen. Ihre Farbe ist Grün, dem Element der Luft entsprechend. Khadiravani Tara wird begleitet von Marici und Ekajati, hier in gelber bzw. blauer Farbe zu sehen. Der Raum enthält außerdem noch eine Wandmalerei der 21 Taras.

Abb.: Der auf einem Löwen reitende Simhanada Avalokiteshvara. Simhanada ist der, der auf dem Löwen reitet. Der Bodhisattva Avalokiteshvara reitet seitwärts sitzend auf dem Rücken eines den Kopf wendenden und zu ihm aufblickenden Löwen. Sein weißes, friedfertiges, milde lächelndes Gesicht besitzt drei schmale Augen. Die Rechte ruht auf dem etwas ausgestreckten rechten Bein, die Linke hingegen verschwindet hinter dem enger angezogenen linken Bein und erfaßt dort den Stengel einer zur Linken emporwachsenden Lotosblume, dessen rote Büte neben seinem linken Ohr zu sehen ist. Über der Lotosblüte ist das blaue Schwert der Weisheit zu sehen. Zu seiner Rechten Schlange und Dreizack.

Abb.: Der Bodhisattva Amoghapasha Avalokiteshvara. Er ist hier in silberner Farbe mit goldenem Gesicht dargestellt. Das rechte Bein ist etwas ausgestreckt, das linke dagegen dicht an den Körper gezogen. Die rechte Hand ist in einer Geste des Gebens ausgestreckt. Die linke Hand befindet sich etwa in Herzhöhe in einer Geste der Schutzgewährung. Man beachte die beiden begleitenden jeweils vierarmigen Figuren unten mit jeweils einem Perlenkranz in der Hand.

Dieser Raum birgt den schwarzen Hayagriva (Abb.) nebst roten Nebenformen. Hayagriva ist eine zornvolle, rasende Schutzgottheit mit wildem Gesichtsausdruck und hervorquellenden Augen. Er ist eine der vielen Manifestationen von Avalokiteshvara. Wörtlich bedeutet der Name "der Pferdeköpfige" oder "Pferdenacken", und beim genauen Hinsehen erkennt man in der Krone einen grünen Pferdekopf mit aufgerissenem Maul. Normalerweise ist Hayagriva von roter Farbe, hier haben wir eine schwarze Form. In der Rechten schwingt er ein Schwert, in der Linken hat er eine rote Fangschlinge.

Abb.: schwarzer Hayagriva und Begleiter. In der Vergrößerung wird der kleine grüne Pferdekopf gut sichtbar.

Die Vierarmige Kurukulla (tibet.: ku ru ku le) nebst Ekajati und der Khadiravani-Tara. Kurukulla ist ein weiblicher, gemischt friedfertig-zornvoller Yidam. Die Darstellung ist sehr ähnlich der einer Roten Tara, aber nicht identisch. Typisch sind als ikonographische Erkennungszeichen die knallrote Farbe und die vier Arme. Unter ihr zwei im wahrsten Sinne des Wortes plattgemachte männliche Figuren (Asura Rahu, Symbol für Ignoranz), deren Köpfe hier rechts und links hervorschauen. Ein senkrecht gestelltes drittes Auge, das Weisheitsauge, findet sich bei der Kurukulla auf der Stirn. Trotz ein bißchen grimmigem Aussehen mit gebleckten Zähnen und vergrößerten Eckzähnen reicht ihr Aussehen nicht an das der zornvollen Gottheiten heran, auch die Augenform bleibt mandelförmig und wird nicht kugelförmig, typisch für eine gemischt friedfertig-zornvolle Gottheit. Ein Armpaar wird dazu benutzt, einen Pfeil auf gespanntem Bogen zu fixieren. Die beiden anderen Hände sind frei und zeigen eine Mudra.

Der auf einem Löwen reitende Manjushri. Rechts und links befinden sich auf Kopfhöhe zwei Lotosblüten, zur Rechten der Figur ein Schwert tragend, zur Linken der Figur ein Buch. Schwert und Buch sind die typischen Attribute von Manjushri. Manjushri ist ein Bodhisattva und gehört zusammen mit Avalokiteshvara und Vajrapani zu den drei großen Bodhisattvas. Zugleich ist er eine Emanation Vairocanas. Er hilft, die Unwissenheit zu überwinden und Weisheit zu erlangen, und gilt so als Bodhisattva der Weisheit. Er wird auch Simhanada Manjushri genannt - Simhanada ist der, der auf dem Löwen reitet.

Abb.: Detail vom Löwen, Reitier des Manjushri

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2009
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