Bernhard Peter
Stilepochen der thailändischen Kunst

Srividjaya
Stile der Völker der Halbinsel
8. - 13. Jh.
Keine einheitliche Kunst, sondern die unter vielfältigen Einflüssen stehende Kunst verschiedener selbständiger Stadtstaaten. Das Königreich Srividjava mit dem Zentrum auf Sumatra dominierte die Malaiische Halbinsel und das indonesische Archipel in der Kunst. Seine Ausläufer berühren Thailand bis zur Gegend um Nakhorn Si Thammarat in Süd-Thailand. Bekannt für mahayana-buddhistische Skulpturen, besonders frei stehende Steinarbeiten.
Dvaravati
Mon-Stil
6. - 11. Jahrhundert
Verbund von Stadtstaaten um Nakhon Pathom. Einwanderung der Thai-Völker aus Südchina. Indisch beeinflusster Stil, der ursprünglich durch die Mon verbreitet wurde. Typisch für die Architektur sind Ziegel und Laterit mit dekorativen Stuckelementen. Es gibt wenige Überreste von Architektur, von der die Bauten im birmanischen Bagan eine Vorstellung vermitteln könnten, dafür aber bedeutende Plastiken. Bedeutende Zentren: Prachinburi, Lupburi, Nakhon Pathom. Während der Stil im 11. Jh. an Qualität verlor, hielt er sich im Norden im Königreich Haripunchai bis zur Eroberung von Lamphun durch das Lanna-Reich im 13. Jh.
Khmer-Periode
Khmer-Stil
8.-13. Jahrhundert
Hauptstadt in Angkor (Kambodscha). Das Machtgebiet des Khmer-Reiches reicht weit ins nordöstliche und zentrale Thailand hinein und beeinflußt die Architektur nachhaltig (Lopburi, Prasat Hin Khao Phanom Rung, Prasat Phanom Wan, Prasat Hin Phimai etc.). Bis ins 12. Jahrhundert Verehrung der Hindu-Götter, danach wird Mahayana-Buddhismus Staatsreligion. Aus der Khmer-Kunst werden die Element des Prang und des Prasats, Galerien und Gopurams in die thailändische Sakralarchitektur übernommen.
Lop Buri
13. - 14. Jh.
Übergangsperiode vom echten Khmer-Stil zum reinen Ayutthaya-Stil. Die Meisterbauherren der Khmer hinterließen ihre Spuren in Lop Buri und andernorts im Nordosten. Die Architektur zeichnet sich durch Harmonie und Eleganz aus. Lopburi-Stil ist das Ausdrücken des „Thai-Gefühls durch Khmer-Idiome“. (Achtung: Dieser Lopburi-Stil hat nichts zu tun mit dem bedeutenden Mon-Königreich in Lopburi 7.-10. Jh.)
Lanna-Königreich
(Thai-Stil)
11. - 13. Jh.
Aus kleinen Fürstentümern am Mekong und dem in Chiang Mai entsteht das Königreich Lanna im Norden Thailands, das zeitweise zum mächtigsten Reich aufstieg. Lanna war während der Sukhothai-Periode das Machtzentrum des Nordens.
Architektur: Es wurde viel mit Holz gebaut, daher überdauerten nur wenige Originalbauten. Typisch sind die weit heruntergezogenen Staffeldächer und die meist prächtig geschnitzten Holzgiebel. In vielen Fällen hat der Viharn keine Seitenwände. Um den heiligsten Chedi wird oft eine Umzäunung gebaut, an deren Ecken filigrane Ehrenschirme stehen. Chedis haben meist nicht die Glockenform wie im übrigen Land, sondern folgen burmesisch-ceylonesischer Tradition. Wächterlöwen an Eingängen sind ebenfalls Ausdruck birmanischen Einflusses. Diese Merkmale prägen auch heute noch die Architektur in Chiang Mai und Umgebung.
Sukhothai
(Thai-Stil)
Mitte 13. - 15. Jh.
1238-1360
Abkoppelung von Angkor. Erstes echtes Thai-Königreich. Wichtige Städte sind Sukhothai und Si Satchanalai sowie Kampheng Phet.
Entstehung einer eigenständigen Thai-Kunst. Neue kulturelle, politische und religiöse Identität. Übergang zum Theravada-Buddhismus. Wertvollster aller Thai-Kunststile.
Plastik: Der Buddha hat lange Ohrläppchen, eine gebogene Nase und ein entspanntes Lächeln. Radikale Wandlung bei der darstellenden Plastik. Alle Merkmale der Khmer-Kunst scheinen sich ins Gegenteil zu verkehren: Aus eckigen Gesichtern werden ovale, die geraden Brauen wölben sich zu einem hohen Bogen, die kräftige und gerade Nase wird zur schlanken Hakennase. Ohrläppchen werden leicht nach außen gebogen, um dem Winkel zwischen Hals und Schulter Rundung zu verleihen. Statt der kräftigen menschlichen Person liebt man nun idealisierte, weiblich-weiche Darstellungen von ätherischer Schönheit. Der schreitende Buddha wird beliebt als Darstellung. Vorliebe für weiche Kurven und surrealistische Eleganz der Figur.
Architektur: Sprunghafte Entwicklung der Baukunst. Entwicklung von Bot und Viharn. Pfeiler rund oder achteckig. Entwicklung glockenförmiger Chedis nach ceylonesischem Vorbild. Lotosknospen-Chedi und Komposit-Chedi sind zeittypisch.
Am Ende wurde Sukhothai verlassen.
Ayutthaya
(Thai-Stil)
14. - 18. Jh.
1350-1767
Um 1350 Gründung des Reiches von Ayutthaya durch einen U Thong-Prinzen. Später wird Lopburi zweite Residenz der Ayutthaya-Könige.
Selbstverständnis als Erben sowohl des Khmer- als auch des Sukhothai-Reiches. Entwicklung eines Nationalstiles, örtliche Schulen verschwanden fast völlig, der Geschmack der Hauptstadt wurde bestimmend.
Architektur: Behutsame Anpassung der Elemente Prang und Chedi. Charakteristisch wird wieder die gestreckte Bauweise. An die glockenförmige Anda des Chedi werden vier nach den Himmelsrichtungen ausgerichtete Kapellen angebaut. Seitdem ist am Chedi auch die quadratische Harmika mit säulenumgebenen Tambour typisch. Pfeiler rund oder achteckig.
Plastik: Das Bild wird beherrscht von einer gewissen stereotypen Massenproduktion von Buddhabildnissen, obwohl durchaus hervorragende Einzelstücke existieren. Besondere Bedeutung hat der geschmückte Buddha. Bevorzugung des Dekorativen. Klassische Statuen sind reich verziert.
Dekor: Lackarbeiten und Wandmalereien zeigen die Auseinandersetzung mit dem Ornament.
Ayutthaya wurde 1767 von den Birmanen erobert und zerstört.
Die Ayutthaya-Zeit wird nochmals in 3-4 Stilepochen unterteilt.
Thonburi-Periode
Rattanakosin-Periode
(Thai-Stil)
ab 1767
Nach Eroberung von Ayuttaya Verlegung der Hauptstadt erst nach Thonburi, dann (1 König später) nach Rattanakosin (Bangkok). Aufstieg der Chakri-Dynastie.
Zuerst Aufgreifen des Ayutthaya-Stiles, danach Entwicklung zum Raffinierteren und Großartigeren. Die besten künstlerischen Traditionen Ayutthayas werden aufgegriffen, ergänzt durch die Dynamik eines Neubeginns. Alle großen Tempelanlagen Bangkoks sind in diesem Stil errichtet.
Architektur: Bot und Viharn werden sich immer ähnlicher. Alle Mauern und Pfeiler verjüngen sich nach oben. Die langgestreckten Bauten haben nur einen Innenraum. Bei großen Bauten Abtrennung von zwei Seitenschiffen mit Pfeilerreihen. Ggf. außen Pfeilerreihen. Pfeiler viereckig. Holzkonstruktion des Daches erst frei sichtbar, erst später unter flachen Decken verborgen. Giebelfelder gern aus Stuck geformt, bunt gemalt, vergoldet und mit Spiegelmosaik eingelegt. Unter Umständen Verarbeitung westeuropäischer Elemente und Elemente des chinesischen Stiles in Architektur und Dekor. Prangs werden noch schlanker und gestreckter, der gestufte Unterbau immer höher und der eigentliche Aufsatz immer zierlicher.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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