Bernhard Peter
Thailändische
Tempelarchitektur
In Thailand gibt es über 30000 Tempel, die auch heute noch eine wichtige Funktion im täglichen Leben haben, sollte doch jeder Mann zumindest einmal im Leben eine Zeit in einem Kloster verbracht haben. Ein typischer Tempel in Thailand besteht aus mehreren Elementen ganz unterschiedlicher Architektur und Funktion, deren Bezeichnungen manchmal verwirrend sind:
Die Begriffe im Überblick:
Wat
Tempel als Ganzes,
umfasst einerseits den ganzen baulichen Bezirk des Tempels als
Platz des Gebetes und der Einkehr und kennzeichnet andererseits
auch den Tempel als Gemeindezentrum, sozialen Mittelpunkt für
Kult, Feste, Erziehung und Bildung. Den Begriff Wat einfach mit
Tempel zu übersetzen, wäre zu wenig. Es ist ein
ganzer Komplex von selbständigen Gebäuden, nicht ein einziges
Gebäude, und er kennzeichnet eine ganze soziale Substruktur in
einer Ansiedlung und zugleich einen kultischen und kulturellen
Mittelpunkt und auch, insbesondere bei den Stiftungen, eine
wirtschaftliche Institution. Ein Wat ist Waisenhaus, Schule,
Altenheim, Museum, Festplatz, Jahrmarkt an Festtagen etc. Die
Übersetzung mit Kloster wäre auch zu wenig, weil es
keine abgeschiedene Welt ist, sondern das kulturelle und
kultische Herz der Ansiedlung. Wat sind nicht mehr und nicht
weniger als Plätze, an denen das Volk sein geistiges Wohl
findet.
Kampeng
Kheo
Edelsteinmauer, das
ist die äußere Umfassungsmauer eines Wat, die alle Kultgebäude
umschließt. Wenn eine Anlage keinen Wandelgang (s.u.) besitzt,
ist auch eine innere Edelsteinmauer möglich, die den inneren
Bereich abschirmt.
Bot
(auch Ubosot)
Ordinationshalle,
Hauptgebäude eines Wat, große Versammlungshalle, benutzt für
religiöse Zeremonien und als Meditationsraum, meist von
rechteckigem Grundriß. Es ist das Gebäude, in dem religiöse
Riten und Dienste zu wichtigen Anlässen ausgeführt werden. Ein
Wat hat immer nur einen Bot. Der Bot enthält das wichtigste
Buddhabildnis des Wat, meist vor der Westwand aufgestellt (nicht
zwingend). Die dominierende Buddhastatue ist an einem Ende der
Halle erhöht aufgebaut und meist von mehreren kleineren Statuen
umgeben. Ein Bot ist durch die Einfriedung mit heiligen
Grenzsteinen von den anderen, oft ähnlichen Gebäuden (Viharn)
abgehoben. Das mächtige Satteldach ist meist mit rostroten bis
braunen, grünen oder blauen Ziegeln verziert, häufig finden
sich auch alle drei Farben.
Bai
Sema:
Grenzsteine, sehen
aus wie kleine Stelen oder Tabernakel, stehen um einen Bot und
halten die Geister von diesem fern. Es gibt insgesamt acht
Sema-Grenzsteine, die außen an den vier Ecken und an den Achsen
stehen. Ein weiterer ist unter dem Bau vergraben, um ihn nach
unten abzusichern. Ursprünglich waren es flache Steinplatten mit
Reliefornamenten. Im laufe der Zeit wurden die Bai Sema immer
prächtiger, über ihnen wurden Tabernakel errichtet, die
ihrerseits mit einem Phra Chedi bekrönt sein können, was
doppelten Schutz gewährt, denn Phra Chedis treten auch allein
als Grenzsteine auf.
Viharn
(oder Wihan, auch Sala Kara Parianya genannt)
Gebetshalle oder
Meditationshalle von rechteckigem Grundriß, enthält meist ein
Buddhabild und dient auch der Aufbewahrung heiliger Objekte.
Weniger bedeutungsvolle Zeremonien müssen nicht im Bot, sondern
können auch in einem beliebigen Viharn abgehalten werden. Hier
versammeln sich die Buddhisten üblicherweise, um Dienste zu
erbringen, z. B. um den Priestern Nahrung zu geben, zu beten oder
Predigten zu verfolgen (wenn dies nicht im Ubosot geschieht).
Architektonisch gleich wie ein Bot, hat den gleichen Aufbau und
die gleichen Dächer, ist aber ohne die einen Bot sichernden
Sema-Grenzsteine. Ein Wat kann viele Viharn haben, aber nur einen
Bot.
Chedi
Stupa, Reliquienturm,
die großen mit Eingang, die kleinen ohne. Es handelt sich um
eine meist kegelförmige Struktur auf einem glockenförmigen, im
Querschnitt runden oder polygonalen oder vielfach getreppten
Unterbau mit immer kleiner werdenden Terrassen und einer hohen
Turmspitze, die meist die ganze Anlage des Wat überragt. Die
Außenfläche kann im einfachsten Fall weiß gekalkt sein, ist
aber häufig vergoldet, manchmal auch mit Keramik
überzogen. Die Spitze ist meist mit goldenen Ornamenten
verziert und enthält heilige Reliquien Buddhas, heilige
Schriften oder eine Statue. Chedis dienen auch als letzte
Ruhestätte für bedeutende Persönlichkeiten. Es ist aber nicht
zwingend, daß Chedis etwas enthalten, die große Masse der
Chedis sind Votivbauten. Manche Chedis wurden von Königen gebaut
oder von reichen Adligen zum Gedenken an verstorbene Ehefrauen
oder andere Verwandte gestiftet. Je nach Land hat dieses Gebäude
eine unterschiedliche Architektur und einen unterschiedlichen
Namen, aber die Funktion ist die gleiche: Chedi in Thailand,
Stupa in Indien und Nepal, Dagoba in Sri Lanka, Pagode in
Myanmar, Taht in Laos. Typisch für die thailändischen Chedis
ist die in allen Baustilen vertretene Säulenreihe der Harmika
(am Übergang zwischen glockenförmigem Unterbau und
nadelförmiger Spitze.
Wat
Phra Mahathat
Kloster der
erhabenen Reliquie - Das sind Klöster, die einen Chedi
besonderer Größe haben, der eine Buddha-Reliquie umschließt.
Eine Königsstadt hat traditionell immer einen Wat Phra Mahathat,
so in Ayutthaya, in Bangkok (sogar zwei), in Sukhothai.
Chofa
Zungenförmig
geschwungene und vergoldete Zierde am Ende jedes Dachfirstes,
Symbol für Garuda, das Reittier Vishnus, halb Mensch, halb
Vogel.
Mondop
quadratischer oder
besser kubischer Bau mit einem Staffeldach, dient der
Aufbewahrung von Schriften und Reliquien. Häufig überdacht ein
Mondop einen Fußabdruck des Buddha in Stein. Das Dach ist
charakteristisch pyramidenförmig und besteht aus vielen flachen,
übereinander geschichteten Dächern, die in einer langen Spitze
enden. Jede Stufe des Daches wird von dreieckigen Ornamenten
verziert. Die Ursprünge dieses Bauwerkes liegen in der
Mon-Architektur. Im Wat Phra Keo in Bangkok beherbergt der Mondop
eine Bibliothek.
Prang
ein länglicher Turm
mit maiskolbenförmigem Aufsatz und abgerundeter Spitze,
entstammt der Khmer-Architektur, frühe Khmer-Form des spitz
zulaufenden Turms, der zu einer buddhistischen Tempelanlage
gehört. ist aber im Profil schlanker und eleganter als dieser.
Der Prang ist ein öffentlich zugänglicher - mitunter auch
besteigbarer - Kultbau, der der Erinnerung an Buddha gewidmet
ist. Häufig enthält der Prang auch eine Reliquie Buddhas. Zu
besonderen Feierlichkeiten umlaufen die Gläubigen den Prang
mehrmals entgegen dem Uhrzeigersinn. Entspricht in seiner
Funktion einem Chedi, ist sozusagen eine zweite architektonische
Variante mit der selben Funktion. Der Prang ist aber auch Symbol
für den Weltenberg Meru, und entsprechend der klassischen
Mythologie ist er mit Göttern, göttlichen Wesen und Geistern
bevölkert.
Pinaka
Bekrönung eines
Prangs. Es handelt sich um eine Spitze in Form eines dreifachen
Dreizacks, Symbol Shivas.
Prasat:
Turmheiligtum in der
Khmer-Architektur, kann aber auch den gesamten Tempelkomplex
bezeichnen. In Thailand gehört der Prasat eigentlich zur
Palastarchitektur. Sein Grundriß hat die Gestalt eines
griechischen Kreuzes mit Vorhalle an der Frontseite. Am
Schnittpunkt der üblichen Staffeldächer (Teleskopdächer)
erhebt sich ein Aufbau, dessen Konstruktion der eines Mondop sehr
ähnelt, wenn das Bauwerk königlicher Repräsentation dient.
Wenn nicht, dann hat der Aufbau die Form eines Prangs (wie im Wat
Phra Keo in Bangkok das Tep Bi Dong, königliches Pantheon).
Kambarien
Räume, in denen ein
Mönch um die Mittagszeit auf einer Kanzel sitzend Predigten
vorliest.
Sala
= Hallen, Rastplatz
für diejenigen, die zu einer Tempelveranstaltung gehen, meist
etwas abseits gelegen, Treffpunkt für Pilger, an den großen
Tempelfesten übernachten sie hier.
Ho
Trai
= Bibliothek: Zu
einer Tempelanlage gehören oft eine Bibliothek mit heiligen
Schriften. Traditionsgemäß insbesondere im ländlichen
Bereich - wurde die Bibliothek ca. 3 m erhöht auf Pfählen über
in einem Teich oder See errichtet, um die brüchigen Manuskripte
vor den gefürchteten Weißen Ameisen und anderen
Fraßschädlingen zu schützen. Eine umlaufende Galerie schirmt
die Bibliothek vor Regen ab.
Rabieng
Wandelgänge,
Umgänge: nach außen geschlossene, nach innen offene und von
langen Pfeilerreihen getragene Galerien mit endlosen Reihen von
Buddha-Bildnissen auf Sockeln, die den gesamten Tempel oder
innere Bereiche einfassen und auf diese Weise Bereiche der Stille
schaffen, die die heiligen Gebäude gegen die Außenwelt
abgrenzen. Meist sind diese Galerien rechteckig (es gibt aber
auch kreisrunde Ausnahmen, etwa um einen Phra Chedi). Der
Fußboden liegt immer ein oder mehrere Stufen erhöht über dem
Hofniveau.
Torgebäude
Torgebäude in den
Wandelgängen: Immer in der Mitte der Rechteckseiten gelegen,
immer mit Türen verschließbar, stark verziert, manchmal
flankiert von Wächterfiguren.
Vihan
Thit:
Manchmal anstelle der
Torbauten in den Wandelgängen, bei kreisrunden Wandelgängen
fast immer statt der einfachen Torgebäude.
Bodhi-Baum,
Bo-Baum
Nicht gerade
Architektur, aber dennoch ein wichtiges Element buddhistischer
Tempel, denn unter einem Bodhi-Baum (Ficus religiosus) gelangte
Buddha zur Erleuchtung. Uralte Bodhi-Bäume werden in hohen Ehren
gehalten, und in manchen Tempeln werden die Äste besonders alter
Bodhi-Bäume mit unzähligen Holzstangen gestützt, um ein
Abbrechen derselben zu verhindern.
Ho
Rakang
= Glockentürme: ein
offener Bau mit kreuzförmigem Grundriß und einer darin
aufgehängten Glocke, häufig zweistöckig. Hier schlagen Mönche
die Uhrzeit und rufen zum Gebet oder zu den Mahlzeiten. Bei
zweistöckigen Bauten steht im geschlossenen Unterbau eine
Trommel. Bekrönt werden die Ho Rakang von einem Phra Chedi bzw.
einem Phra Prang.
Phra = Ausdruck der Ehrfurcht erweckenden Erhabenheit
Sanghavasa,
Khana und Khuti
Wohnkomplexe für
Mönche (Khana) mit Mönchswohnungen (Khuti) und deren
Wirtschaftsgebäude, oft in Form eines abgeschlossenen
Wohnbezirkes (Sanghavasa) ohne Kultbauten. Manchmal sind
Tempel-Bereich und Wohnbereich deutlich voneinander getrennt,
manchmal verläuft sogar eine Straße zwischen beiden Bereichen,
in anderen Fällen gehen die Bereiche mehr fließend ineinander
über. Dabei leben die älteren Mönche meist in einem eigenen
Khuti, während sich die jüngeren Mönche und Novizen zu 5-6
einen Khuti teilen.
Dazu gibt es in einem Wat je nach Größe noch viele weitere Elemente, z. B. Zierteiche, eine Schule für Mönche, ggf. auch eine Schule für Laienkinder.
Andere Berichte aus Thailand lesen
Andere Reiseberichte lesen
Home
©
Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
Impressum