Bernhard Peter
Meisterwerke der plastischen Kunst
im Museum von Patan (1)

Steinerne Statue des Bhairava, der schrecklichen Manifestation Shivas, aus dem 17. Jh. Das Sanskrit-Wort bedeutet "furchterregend". Shiva hat mehrere angsteinflößende und schreckliche Formen, in denen der das Böse und die Unwissenheit zerstören soll. Von diesen ist die Form des Bhairava in Nepal sehr populär und ist fast eine eigenständige Gottheit. Und damit nicht genug, die Erscheinungsform des Bhairava wird nochmals unterteilt; man unterscheidet traditionell 64 Varianten, ungezählt die zusätzlichen lokalen Varianten. Hier wird Bhairava als Rächer mit Dekorationen aus Schädeln und Schlangen dargestellt, mit einem kleinen Kopf oben auf dem Hauptkopf, und in den vielen Händen befanden sich einst viele Waffen, von denen das Schwert oben noch gut zu erkennen ist. Dabei steht oder tanzt er vor bzw. auf zertrampelten Dämonen, die er besiegt hat. Umgeben wird der tanzende Bhairava von einem Flammenkranz, in dem oben Garuda zu sehen ist. Der Bogen wird von zwei Säulen gestützt, die oben mit je einer Makara abschließen. Zu beiden Seiten des Gottes sind zwei weitere Figuren zu sehen, das sind Singhini und Baghini bzw. Simhavaktra und Vyaghravaktra, wie der Name schon andeutet, der eine löwenköpfig, der andere tigerköpfig, halbgottartige Wächterfiguren, die mythologisch Grenzgänger zwischen buddhistischem und hinduistischem Pantheon sind.

Abb. links: Kalksteinstatue aus dem 12. Jh, eine Uma-Mahesvara darstellend, das göttliche Ehepaar Shiva (= Mahesvara) und Parvati (= Uma), in friedlicher Zweisamkeit zu Hause auf dem Berg Kailash, den Thron miteinander teilend. Bei nepalesischen Künstlern war das ein sehr beliebtes Motiv. Das Paar, das hier in der speziellen Lalitasana-Pose dargestellt ist, wobei Shivas linkes Bein angezogen auf dem Thron liegt, während das rechte Bein von diesem herabhängt, wird umgeben von Familienmitgliedern, anderen Gottheiten, Dienerschaften und sonstigem "heiligem Volk". So sieht man auch auf der linken Seite neben Shiva sein reittier Nandu, den Stier. Ein weiteres Detail ist interessant: Shivas rechte obere Hand hänt eine Strähne seines Haares hoch, damit die darüber dargestellte Flußgöttin Ganga aus zusammengelegten Händen Wasser darüber strömen lassen kann.

Abb. rechts: Steinerne Vishnu-Darstellung aus dem 13./14. Jh. Vishnu in königlichem Schmuck steht in der Mitte und ist größer dargestellt als die beiden Begleiter zu seinen Seiten. Zu seiner Rechten steht seine Frau Lakshmi, und zu seiner Linken steht sein Reittier, der schlangenumgürtete Garuda, hier sehr schwer identifizierbar, mit zusammengefalteten Händen. Alle drei Figuren haben einen Flammenkranz um das Haupt und stehen gleichermaßen auf einer stilisierten und podestartig geformten Lotusblüte. Ein noch größerer stilisierter Flammenkranz umgibt die gesamte Komposition. Vishnu hat hier drei Arme, die beiden oberen Hände halten zwei seiner typischen Waffen, Diskus und Chakra (Streitkolben, Keule), der rechte untere einen Lotus, und der linke untere, verlorengegangen, hätte ein Muschelhorn (Shankha) gehalten.

Abb. links: Bronzestatue des Götterpaares Shiva und Parvati aus dem 13./14. Jh. Dieses Paar ist nur vordergründig liebevolle Harmonie, denn bei näherem Hinsehen erkennt man einen gespannten Bogen, Schädelverzierungen und Schlangen, die aus Shiva eine seiner zornigen Manifestationen machen. Die Figur weist Spuren von Vergoldungen und mehrere eingelegte Halbedelsteine auf.

Abb. rechts: Kopf eines Indra, mit einem horizontalen dritten Auge auf der Stirn.

Beide Abb.: Diese Bronze stellt einen Shiva-Linga dar, einen sich aus einer Yoni erhebenden Lingam, der an vier Seiten mit je einer vollplastischen Shiva-Darstellung verziert ist. Die Bronze stammt aus dem 18. Jh. In der Linken halten die Figuren ein Wassergefäß. Schlangen verzieren die Darstellung und sind auch am Unterbau zu sehen.

Abb. links: Darstellung eines Ganesha, des elephantenköpfigen Sohnes von Shiva, hier mit mehreren Gesichtern auf zwei Ebenen und vielen Armen.

Abb. rechts: Maitreya, der Buddha der Zukunft, Statue aus dem 18. Jh. Wörtlich bedeutet sein name "der Liebende". Er ist nach der Mahayana-Lehre, in der er eine größere Rolle spielt als im Hinayana, der fünfte und letzte der irdischen Buddhas, und er gilt als die Personifizierung allumfassender Liebe und Barmherzigkeit. Er wird als kommender Weltenlehrer in einem nächsten Weltzeitalter erwartet. Er wird hier dargestellt mit der Dharmachakra Mudra, der Handstellung des Drehens des Rades. Im ihm zugeordneten Tushita-Himmel lehrt er himmlische Wesen bis der Zeitpunkt seiner Herabkunft auf die Erde kommt. Buddha Maitreya wird hier in kostbarem fürstlichem Schmuck (Pektoral, Oberarmspangen) dargestellt. Sein Haar ist zu einem Knoten aufgesteckt, der einen kleinen Stupa (Chaitya) trägt, das charakteristischste Attribut des Buddha Maitreya. Dies ist ein Hinweis auf die Überzeugung, daß Buddhas Kleider in einem Stupa bei Bodhgaya eingeschlossen sind und daß er bei seiner Herabkunft dort vorbeischauen wird, um sie sich wieder zu holen.

Abb. links: Darstellung eines Ganesha, des elephantenköpfigen Sohnes von Shiva, hier mit mehreren Gesichtern und vielen Armen, zu seinen Füßen sein Reittier, die Ratte.

Abb. rechts: Tara (tibet.: Dolma) mit den sieben Augen, tibetische Skulptur aus dem 17./18. Jh., vergoldete Bronze mit eingelegten Türkisen. Dies ist eine spazielle Manifestation der im tibetischen Buddhismus so populären Tara mit sieben Augen als wesentlichem Kennzeichen, zwei wie jeder Mensch, ein drittes auf der Stirn, und je eines auf den Handflächen und auf den Fußsohlen. Außerhalb des tibetischen Buddhismus kommt diese Form nicht vor.

Abb. links: Darstellung eines Ganesha, des elephantenköpfigen Sohnes von Shiva, hier mit nur einem Gesicht und vier Armen, eine Schlange wie ein Gürtel um den Bauch geschlungen. Seine Krone wird mit ein paar Schädeln verziert. Seine untere linke Hand hält ein paar Süßigkeiten, seine untere rechte Hand einen Rettich. Seine obere linke Hand hält ein kleines Beil, und die letzte, die obere rechts Hand ist in einem Erläuterungs-Gestus dargestellt.

Abb. rechts: Der Sonnengott Surya, von zwei seiner kleiner dargestellten Begleiter umgeben, leider mit zerstörter Nasenpartie. Die Personifizierung der Sonne steht aufrecht und hält in jeder Hand eine gestielte Lotusblüte, deren Blüte jeweils in Aufsicht über den Schultern zu sehen ist. Von der linken Schulter zum rechten Knie zieht sich eine Brahmanenschnur. Seine beiden Begleiter sind Pingala und Dandi.

Abb. links: Teil einer bronzenen Öllampe aus dem 17./18. Jh. Dieser Typ Öllampe wird Sukunda oder Dipa Bhanda genannt. Die Flamme brennt vor einer Ganesha-Darstellung, der hier der Herr der heiligen Lampe und damit auch der wegbereitende Begleiter des Rituals ist. Im Hintergrund ist der Vorratsbehälter für das Öl zu erkennen.

Abb. rechts: steinerne Darstellung von Vishnu aus dem 9./10. Jh. Königlicher Schmuck und eine imposante Krone verzieren die ansonsten durch schlichte Elegenaz bestechende Figur. Von seinen vier Armen ist nur noch der obere linke mit einer Art Streitkolben erhalten.

Literatur, Quellen und Links:
Legenden an den Exponaten im Museum Patan
Lexikon der östlichen Weisheiten, 1986 Scherz Verlag, 2005 Albatros Verlag, ISBN 3-491-96136-X

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2009, 2012
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