Bernhard Peter
Kalender und Zeitrechnung:
Der Pawukon-Kalender in Bali

Name der Zeitrechnung: Pawukon-Kalender, traditioneller balinesischer Kalender, Permutationskalender, Uku, Wuku
Kalender-
Geschichte:
Eigenentwicklung der javanischen und balinesischen Kultur, wurde in Bali vom Majapahit-Reich aus Ostjava übernommen. Vermutlich entwickelt aus Reisanbau-Zyklen.
Zählung ab (Ereignis), Zählweise: Die Jahre werden nicht gezählt oder benannt.
Typ des Kalenders: 1 Jahr hat 210 Tage. Das Durchlaufen eines vollen Pawukon-Jahres markiert einen Geburtstag (Otonan) oder Jahrestag (Odalan, Rahinan).
Jahresbeginn am: Ein Jahresbeginn nach dem Pawukon-Kalender wird nicht gefeiert. Der Neujahrstag Nyepi wird nach dem Saka-Kalender begangen. Es handelt sich bei einem Jahr auch nicht um einen als separate Einheit wahrnehmbaren Abschnitt, sondern es laufen kontinuierliche Zyklen ab.

Wochenstruktur:

Jeder Monat zu 35 Tagen ist in mehrere Wochen unterschiedlicher Länge aufgeteilt. Es gibt Wochen zu 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 Tagen. Diese Wochensysteme greifen nach einem komplexen Schema ineinander, d.h. alle Wochensystem laufen parallel und produzieren mit Absicht Überschneidungen. Für jedes Pakuwon-Datum treffen also 10 Positionen in 10 verschiedenen Wochen zu.

Namen der Wochentage:

Jede Woche (Wara) hat abhängig von ihrer Länge einen eigenen vom Sanskrit abgeleiteten Namen. Jeder Wochentag in jeder unterschiedlich langen Woche hat einen eigenen Namen - insgesamt gibt es also:
  • 55 unterschiedliche Wochentagsnamen
  • 10 unterschiedliche Wochennamen
  • Jeder Tag kann 10 verschiedene Namen haben.
  • Dazu hat z. B. jede einzelne der 30 7-Tage-Wochen im Jahr einen eigenen Namen

Die unterschiedlichen Wochen bestimmen unterschiedliche Ereignisse:

  • Die 3-Tage-Woche bestimmt die Märkte. Märkte wechseln von Ort zu Ort in einem Dreitagesrhythmus.
  • Die 8-Tage-Woche spielt eine Rolle bei der Zuordnung einer Person zu vergangenen Existenzen im Wiedergeburtszyklus.

Die wichtigsten Wochen sind die 3-, 5- sowie die 7-Tage-Woche.

Eintages-Woche Ékawara
1 Luang

Die Eintageswoche findet nur statt, wenn die Zweitageswoche Pepet ist. Wenn die Zweitageswoche Menga ist, gibt es keine Eintageswoche.

Zwei-Tages-Woche Dwiwara
1 Menga
2 Pepet

Für die Zweitagewoche gelten besondere Regeln: Was sie ist, ergibt sich aus den kombinierten Urips (rituelle Nummern) der Tage der 5er- und der 7er-Woche.

  • Sie ist Menga, wenn Urip von Saptawara plus urip von Pancawara eine gerade Zahl ergeben
  • Sie ist Pepet, wenn Urip von Saptawara plus urip von Pancawara eine ungerade Zahl ergeben
Dreitagewoche (70 im Jahr) Triwara
1 Pasah = Busaya
2 Beteng = Pekenan = Galang Tegeh
3 Kajeng

-

Viertageswoche Caturwara
1 Sri
2 Laba
3 Jaya
4 Menala

-

Fünftagewoche (42 im Jahr) Pancawara
1 Umanis
2 Paing = Pahing
3 Pon
4 Wagé
5 Keliwon = Kliwon

-

Sechstagewoche Sadwara
1 Tungleh
2 Ariang = Aryang
3 Urukang = Urukung
4 Paniron
5 Was
6 Maulu

-

Siebentagewoche (30 im Jahr) Saptawara
1 = Sonntag Redite (indonesisch: Minggu)
2 = Montag Coma (indonesisch: Senin)
3 = Dienstag Anggara (indonesisch: Selasa)
4 = Mittwoch Buda = Budha (indonesisch: Rebo)
5 = Donnerstag Wraspati (indonesisch: Kumis)
6 = Freitag Sukra (indonesisch: Jumat)
7 = Samstag Saniscara (indonesisch: Sabtu)

-

Achttagewoche Astawara
1 Sri
2 Indra
3 Guru
4 Yama
5 Ludra
6 Brahma
7 Kala
8 Uma

-

Neuntagewoche Sangawara, Nawawara
1 Dangu
2 Jangur
3 Gigis
4 Nohan
5 Ogan
6 Erangan
7 Urungan
8 Tulus
9 Dadi

-

Zehntagewoche Dasawara
1 Pandita
2 Pati
3 Suka
4 Duka
5 Sri
6 Manuh
7 Manusa
8 Eraja, Raja
9 Dewa
10 Raksasa

Jede einzelne der 30 Sieben-Tage-Wochen hat einen eigenen Namen:

1.  Sinta 11. Dunggulan 21. Matal
2.  Landep 12. Kuningan 22. Uye
3.  Ukir 13. Langkir 23. Menail
4.  Kulantir 14. Medangsia 24. Parangbakat
5.  Taulu 15. Pujut 25. Bala
6.  Gumbreg 16. Pahang 26. Ugu
7.  Wariga 17. Krulut 27. Wayang
8.  Warigadian 18. Merakih 28. Kelawu
9.  Jukungwangi 19. Tambir 29. Dukut
10. Sungsang 20. Medangkungan 30 Watugunung
Monate: Anzahl und Länge 1 Jahr hat 6 Monate zu je 35 Tagen
Ein Monat (bulan) ist ein voller Zyklus aus Fünftagewoche (Pancawara) und Siebentagewoche (Saptawara), 5*7 = 35. Diese Einheit ist wichtig für den balinesischen astrologischen Kalender Pelelintangan.
Monatsnamen: irrelevant
Ausgleich, Schaltjahre, -Tage, Monate Der Bezug zu einem Sonnenkalender oder Mondkalender ist ohne Bedeutung. Ebenso ist eine absolute Zeitmessung nicht wirklich wichtig. Angleichungssysteme entfallen daher.

Aber: 210 ist durch 1, 2, 3, 5, 6, 7, 10 teilbar, nicht aber durch 4, 8 und 9. Für die Wochen im 4er (Caturwara), 8er (Astawara) und 9er-Rhythmus (Nawawara) müssen Ausgleichstage her!

  • Viertagewoche: 2 Schalttage nötig. Werden zu Beginn der 11. Siebentagewoche (Dunggulan) eingeschoben. Die ersten drei Tage heißen Jaya.
  • Achttagewoche: 2 Schalttage nötig. Werden zu Beginn der 11. Siebentagewoche (Dunggulan) eingeschoben. Die ersten drei Tage heißen Kala.
  • Neuntagewoche: 3 Schalttage nötig. Werden am Beginn des Jahreszyklus an Redite, Coma und Anggara der 1. 7er-Woche (Sinta) als dreimal Dangu eingeschoben, so daß das Jahr mit vier Dangu beginnt. Dieses Ereignis heißt auch Dangupat = Dangu empat = viermal Dangu.
Umrechnung in christliche Zeitrechnung Es gibt keine allgemeine Korrelation zwischen dem Balinesischen Pawukon-Kalender und dem gregorianischen Kalender. Jedes Jahr wird der Pawukon von den religiösen Autoritäten der Insel neu festgelegt. Es ist außerdem möglich, daß zwei identische Pawukon-Tage verschiedene Daten im gregorianischen Kalender darstellen.
Besonderheiten, Bemerkungen: Jedes Datum im Pawukon Kalender wird eindeutig determiniert durch Angabe einer Kombination von verschiedenen Tagesbezeichnungen in den unterschiedlichen Wochen, z. B.
  • Kajeng Kliwon Menail = 3. Tag der 3er Woche und 5. Tag der 5er Woche in der 23sten 7er Woche

Der Kalender ist so zyklisch bzw. zirkular wie der Wiedergeburtsgedanke. Die Welt bewegt sich nicht linear von Erschaffung bis zum Ende der Welt, sondern sie durchlebt im Großen wie im Kleinen Zyklen und Rhythmen. Genauso ist balinesische Musik - sie erhält ihre Faszination erst durch Überlagerung verschiedener zyklischer Tonmuster. Kleine Zyklen sind wie sich schnell drehende Rädchen, große Zyklen sind wie langsam drehende Rädchen - erst das Ineinandergreifen verschieden großer Räder oder Zyklen unterschiedlicher Länge strukturiert die Zeit zu einer dreidimensionalen Gestalt: Eindimensional wäre ein einfacher Verlauf der Zeit von A nach B, zweidimensional wird die Zeit als Interferenzmuster von sich überlagernden Periodizitäten, und die dritte Dimension ist die kultische Bedeutung, die die Tage aus dem System und seiner Interpretation heraus erhalten. Der balinesische Kalender ist ein Mittel, um aus unstrukturierter Zeit aus dem System heraus Bedeutung und damit auch Handlungsaufforderung zu generieren.

Der Pawukon-Kalender ist nicht dazu da, Zeit effektiv zu messen. Sein Sinn und Zweck ist es, bestimmte Tage herauszuheben und zu markieren. Zeit wird nicht als "verflossen" gemessen, sondern Zeitpunkte werden generiert. Auf der einen Seite zählt man die verflossenen Jahre nicht, auf der anderen Seite erhält man eine Fülle von wichtigen Zeitpunkten als Ergebnis der Interferenz der verschiedenen Zyklen. Dazu kommt die Bewertung der herausgehobenen Tage. So gibt es für alle täglichen Verrichtungen

  • dewasa luwung - gute Tage, geeignete Tage
  • dewasa jelek - schlechte Tage, ungeeignete Tage

Das Prinzip des Kalenders ist es nicht, kontinuierlich ein "Zeitkonto" zu erhöhen, sondern durch parallele kontinuierliche Abläufe einen Rhythmus über die verfließende Zeit zu legen. Wie ein Takt ein Musikstück, so gliedert der Pawukon das balinesische Jahr. Bestimmte Tage werden durch Koinzidenz der Wochenrhythmen, durch Interferenz sich überlagernder Periodizitäten herausgehoben. Z. B.:

  • Galungan ist, wenn 5er, 6er und 7er-Zyklus zusammenfallen - das passiert genau einmal in 210 Tagen (5*6*7 = 210)
  • Ein bedeutender Tag ist der Zusammenfall des 5er und des 7er-Zyklusses - alle 42 Tage
  • Ein weiterer bedeutender Tag ist der Zusammenfall des 5er und des 6er-Zyklusses - alle 30 Tage
  • Ein bedeutender Tag (Kajeng-Keliwon) ist, wenn der 3. Tag der 3er-Woche mit dem 5. Tag der 5er-Woche zusammenfällt - alle 15 Tage. Viele Tempelzeremonien finden dann statt, den Geistern wird besonders geopfert.
  • Ein Tumpek ist, wenn der 6. Tag der 7er-Woche mit dem 5. Tag der 5er-Woche zusammenfällt -6x im balinesischen Jahr von 210 Tagen. Diese Tumpeks dienen dazu, menschengefertigte Dinge wie Tempel, Häuser, Musikinstrumente oder Figuren einzuweihen.
    • 1 Tumpek Landep - Opfer für Waffen, Fahrzeuge
    • 2 Tumpek Uduh - Opfer für Kokospalmen
    • 3 Kuningan (s.u.) - Opfer für Ahnen
    • 4 Tumpek Krulut - Opfer für Tanzkostüme und Masken
    • 5 Tumpek Kandang - Opfer für Nutztiere (Rinder, Schweine)
    • 6 Tumpek Wayang - Opfer für Musikinstrumente und Schattenspielfiguren
  • Wenn der dritte Tumpek mit Kajeng-Keliwon (s.o.) zusammenfällt, ist Kuningan.

Welcher Wochentag tatsächlich eintritt, wird auch durch Berechnungen mit den Urips begleitender Zyklen festgelegt. Ein Urip ist eine rituelle Zahl, die einem Tag zugeordnet ist und Auswirkungen auf Eigenschaften anderer Tage hat..

In Bali sind drei Kalender parallel in Gebrauch:

  • Gregorianischer Kalender - offizieller Kalender, benutzt von der Regierung in Jakarta und offiziellen Stellen sowie im internationalen warenverkehr und Tourismus, seit der Besetzung durch Holland in Kolonialzeiten in Gebrauch
  • Pawukon-Kalender - traditioneller balinesischer Kalender, dient der Berechnung der meisten relevanten kultischen und religiösen Ereignisse wie Galungan, Kuningan oder Odalan-Feste.
  • Saka-Kalender, Sasih-Kalender, Hindu-Balinesischer Kalender, der in Südindien entwickelt wurde und dort noch unter dem Namen Shaka-Kalender bekannt ist.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004, 2005
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