Anne Christine Hanser
Reportagen aus dem Jemen, Teil 12:
Über Perlen, genauer: Putzperlen

16. Dezember 2005

An einem Freitagabend im Monat Ramadan hatte Elke (eine Mitarbeiterin des Deutschen Entwicklungsdienstes) eine jordanische Bekannte von einer der UN Organisationen und mich zum Fastenbrechen ins Restaurant um die Ecke eingeladen. Das Fastenbrechen beginnt mit dem Ruf des Muezzins zum Sonnenuntergangsgebet. Beinahe wäre ich pünktlich gewesen, wenn ich nicht den kürzesten Weg gehabt hätte.

Elke war vor mehr als einem halben Jahr nach Sana’a gekommen und hatte bis dato in dem Gästehaus des DED gewohnt. Jetzt hatte sie in Hadda – einem Stadtteil von Sana’a, nicht allzu weit von meinem Bezirk – eine kleine Villa bezogen, ein kleines, mit Mauern vom Nachbarhaus und der Strasse abgegrenztes Häuschen, um - wie das hier im Jemen so üblich ist – die Blicke fernzuhalten.

Elke berichtete von ihren Anstrengungen, die verschiedenen Teppich- und Matratzenlagen aus dem Mafradsch (dem Wohnzimmer) zu befreien und den Teppichboden in der Küche sauberzuhalten. Allerdings - sagte sie – habe sie nicht ein einziges Mal selbst gekocht, seit sie hier im Jemen ist, was das Sauermachen der Küche selbstverständlich drastisch reduziert. – Ich stellte mir mit Entsetzen vor, wie MEINE Küche mit Teppichboden aussehen würde, und das bereits nach einer Woche.

Ich sinnierte im Innern über meine drei Versuche mit Haushaltshilfen, die jeweils kläglich gescheitert waren.

1. Perle
Dame Nummer 1 wurde mir von einem befreundeten Ehepaar empfohlen, die ihrer Haushalthilfe gerne ein Zubrot gönnten. Ich hatte mich in meinem neuen Bekanntenkreis nach einer Putzhilfe umgeschaut, weil ich mir etwas schöneres vorstellen konnte, als das nächste halbe Jahr Wochenende um Wochenende jeweils ein oder zwei meiner bunt-verglasten, mit Gips und Farbe verschmierten Oberlichter klarzumachen. – Ich habe mehr als dreißig buntverglaste Oberlichter (Kamaria), die bei Sonnenschein oder abendlicher Beleuchtung ihre farbigen Schatten werfen. – Ihnen sollte die neue Putzhilfe zu mehr Geltung verhelfen.

Das liegt nun schon ein Jahr zurück. Ich kann mich schon nicht mehr an ihr Gesicht erinnern, wohl aber, dass ich mich in keiner Weise mit ihr verständigen konnte, da mein Arabisch damals genau auf der Schnittstelle von Y- und X Achse befand.

Ich weiß auch nicht mehr, ob die Dame aus Somalia, Sudan, Äthiopien oder sonst woher stammte. Jedenfalls nicht aus dem Jemen, denn – wie mir später klar wurde –Jemenitinnen arbeiten nicht als Haushaltshilfen. An was ich mich umso besser erinnerte, war - wie ich Woche um Woche vergeblich darauf wartete, dass sie sich der Reinigung der Oberlichter annehmen würde, obwohl das ja der ursprüngliche Anlass der Anstellung war. Auch sah sie sich außer Stande, der zweiten Priorität nachzugehen, nämlich den gefliesten Hof draußen zu kehren. – Sie sagte, dass sie das unmöglich auch noch erledigen könnte. Sie kam zweimal die Woche für jeweils 4 Stunden. Dafür engagierte sie – für ein paar Mark extra, die ich bezahlte, einen Straßenkehrerjungen, die jeden Tag Straße kehrend an dem Haus vorbeisteuerten. –

Weil die Fensterreinigung nicht recht voranging, bat ich sie, sich der Wäsche anzunehmen. – Dazu muss man wissen, dass in meinem Badezimmer zwar eine sogenannte Waschmaschine steht, die aber nach unserer westeuropäischen Definition nach eher eine Wäscherührmaschine darstellt. – Ich war nicht wirklich erstaunt über den Anblick des Gerätes, hatte ich dort mehrere ähnliche Exemplare vor etlichen Jahren in der früheren Sowjetunion erblickt.

Ich muss zugeben, die Geräte sind eine echte Erleichterung gegenüber dem Waschen im Handwaschbecken. Falls jemand mal in Versuchung kommt, mich zu besuchen, hier die Instruktionen für den Wäscherührer:

Man befüllt ihn von oben mit Wäsche, lässt Wasser aus dem benachbarten Waschbecken ein (möglicherweise auch ZUERST das Wasser und DANN die Wäsche einfüllen…). Das Wasser führt man – in der gewünschten Temperatur (ich vergaß zu erwähnen, dass man selbstverständlich ein paar Stunden vorher den Wassererhitzer in Gang setzen sollte, es sei denn man hat Wollwäsche - was aber in einem sonnenverwöhnten Land wie Jemen doch eher die Ausnahme darstellt, selbst im Winter) - über einen an einem Ende trichterförmigen Schlauch vom Wasserhahn des Waschbeckens aus ein. Anschließend fügt man nach Belieben Waschpulver zu – aber Vorsicht: je mehr Waschpulver, um so aufwendiger das spätere Spülen. Bitte immer mal wieder – während des Wassereinfüllens nachschauen, ob das Limit erreicht wurde, damit nicht zwischendurch das Bad überschwemmt wird, weil man die Zulaufgeschwindigkeit des Wassers – was allerdings kaum vorstellbar ist – ÜBERSCHÄTZT hat. Wenn die Wäsche fröhlich im Wasser planscht, (ach so, ich hatte vergessen zu erwähnen, dass es noch einen Waschen-Drainschalter gibt, den man am Anfang auf ‚Waschen’ einstellen sollte, weil andernfalls das Wasser in die Schleuder gelangt und von dort aus durch den Überlauf auf den Badezimmerboden), kann man den Zeitwahlschalter auf eine beliebige Zeit zwischen 1 und 15 Minuten stellen – und sich für die Zeit bequem seinen anderen Hobbys zuwenden.

Fürs anschließende Spülen kann man sich wieder des Wäscherührers – aber bitte vorher das Waschwasser auswechseln! - bedienen oder die Badewanne benutzen. Das Schleudern erledigt eine besondere Vorrichtung – eine Art rotierender Korb – der als eine Art zweite Kammer neben dem Rührteil der Waschmaschine residiert. Aber bitte – nie zuviel Wäsche eingeben, immer vorher schon das Wasser aus der Wäsche auswringen, immer die jeweiligen Plastikdeckel benutzen und anschließend den Zeitwahlschalter auf den Maximalwert – 5 Minuten stellen. Wenn es beim ersten Mal nicht gleich funktioniert, bitte mit etwas weniger Wäsche probieren, am besten noch einmal versuchen, alles Wasser VORHER aus der Wäsche per Hand auszuwringen, die Wäsche möglichst zentriert in dem Wäschekorb positionieren und dann stark hoffen, dass es diesmal funktioniert…

Das austretende Wasser wird dann über den Wassereinlaufschlauch, den man für den Zweck des Wasserauslaufs natürlich tunlichst von dem Wasserhahn oben entkoppelt und mit dem Überlauf weiter unten verbindet, in das in den Badboden eingelassene Ablaufloch befördert. Bitte nicht zu lange unbeaufsichtigt offen stehen lassen, weil sonst (aber davon einander Mal….).

Es war an jenem Nachmittag, als ich den endgültigen Entschluss fasste... Ich hatte der Putzperle am Morgen zum ersten Mal die Aufgabe übertragen, die Gardinen zu waschen… Als ich von der Arbeit zurückkam, fand ich sie beim Fernsehgucken im Mafradsch, anstatt bei der Wäsche im Bad… Statt mir eine plausible Erklärung zu präsentieren, verlegte sich meine Perle auf Angriff und erklärte – wie schon in der Vorwoche, dass sie nichts zum Essen für sich in meinem Haushalt gefunden hatte. Verdutzt bewegte ich mich in die Küche, um ihr Spagetti und Tomaten zu zeigen, die sie sicherlich auch schon bei ihren eigenen Erkundungen gefunden hatte, genauso wie den Reis oder sonstige vegetarische Leckereien (O.K. Tofu ist nicht jedermann’s…). Zugegeben, sie hätte dafür den Kochtopf aus dem Schrank holen und das Gas anschalten müssen.

Ich half ihr geduldig beim Gardinenaufhängen - seltsamerweise stellt sich bei mir immer Nachsicht und Geduld ein, wenn ich nichts mehr von jemandem erwarte - und verkündete ihr dann, dass ich mich urplötzlich dazu entschlossen hätte, künftig wieder selbst das Putzen zu übernehmen. Sei ja auch gar nicht so viel Arbeit…

2. Perle
Putzhilfe No. 2 lernte ich ein paar Monate später über unseren Fahrer kennen, doch machte er mir gleich klar, dass er die junge Dame persönlich nicht kannte und insofern nicht seine Hand für sie ins Feuer legen würde. Ich sah sie dreimal in meinem Haushalt. Sie half mir bei einer Feier, die ich für eine weibliche Bekannte (hier im Jemen geht ja alles streng getrennt zu) ausrichtete. Beim zweiten Mal sagte sie, ich sei ihre beste Freundin (gegenüber No. 1 hatte sie den deutlichen Vorteil, dass sie Englisch sprach – ich glaube, sie kam aus Somalia). Beim dritten Mal eröffnete sie mir, dass ihre Mutter die Telefonrechnung nicht aufbringen könnte und ich doch bitte die 10000 Rial (100 DM) übernehmen solle. Was mir nicht gleich in den Kopf ging, da ihre Mutter in Hadramaut lebte und ich ganz bestimmt nicht deren Telefon benutzt hatte. Als ich vorsichtig meine Verwunderung über ihr Ansinnen äußerte, meinte sie,

Ich erklärte ihr, dass ein netter Mensch wie sie sicherlich auch andere nette Freundinnen habe, die sie vielleicht sogar noch länger als mich kennt und die sicherlich genauso gerne bereit seien, einzuspringen… Nach ein paar Tagen rief sie mich an, um mir zu sagen, dass immer noch 20.000 Rial der Telefonrechnung offen seien, die sie heute noch bei mir abholen möchte. Ich stellte ihr die Auswahl, entweder die 20.000 Rial zu bekommen oder meine Freundschaft (ohne die 20.000 Rial). Sie entschied sich für die 20000.

Ich habe das Geld nie von ihr zurückgefordert, aber sie auch nicht wieder zum Putzen angestellt. Für mich war die Angelegenheit damit erledigt.

3. Perle
No. 3 wurde mir viele Monate später von meiner jemenitschen Kollegin Wafa aus dem Ministerium empfohlen. Es war ihre Haushaltshilfe, die die beiden Kinder beaufsichtigte, während sie tagsüber arbeitete. Ich hätte vorgewarnt sein müssen, hatte ich doch einmal über ein Telefonat, das Wafa führte, mitbekommen, dass ihr Mann die Putzhilfe wegen Unfähigkeit versucht hatte zu feuern… Aber was unterstellt frau Männern nicht immer für böse Absichten oder Unverstand. - Nach anderthalb Monaten überwog meine Verständnis für Wafa’s Mann beziehungsweise mein Respekt für dessen Leidenfähigkeit. Sämtliche Versuche, der Putzhilfe mit meinen inzwischen angewachsenen Arabischkenntnissen verständlich zu machen, dass sie doch irgendwann einmal die Vorhänge waschen könnte, endeten in einem verständnisvollen Nicken ihrerseits. Als ich Wafa entnervt fragte, wie sie sich denn mit ihr verständige, gab sie unumwunden zu, dass das in der Tat ein Problem darstelle. Die Dame spreche schließlich KEIN ARABISCH. Aber mit ein bisschen Geduld, Händen und Füssen – sowie beständigem Vorführen der gewünschten Handlung, schaffe Wafa es, sich ihr gegenüber zu verständen.

Es hat etwas Beruhigendes zu wissen, dass man/frau in seiner Ohnmacht nicht allein ist.

Als besagte Putzperle No. 3 dann im Ramadan ganz fern blieb beziehungsweise einmal irgendwann nach 20 Uhr abends vorbeischaute, in der festen Absicht spät abends noch den Besen zu schwingen, entschloss ich mich, zumindest bis auf weiteres den Besen wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Seitdem höre ich mich weiter in meinem Bekanntenkreis um, ob es nicht doch irgendwo im Jemen eine Menschin gibt, die des Putzens fähig ist und willens ist, sich meinen gehobenen westlichen Ansprüchen zu stellen.

Immer wieder einmal höre ich von solchen Perlen, die dann allerdings tatsächlich wie Perlen gehütet werden. Man reicht sie allenfalls weiter, wenn man das Land – weil der Einsatz zu Ende ist - verläßt, und auch dann nur an die engste Freundin. Elkes jordanische Bekannte beispielsweise hat ihre Philippina vom letzten Einsatzland mitgebracht. – Ich wundere mich über gar nichts mehr. Auch nicht, dass Jemen zu den ärmsten der armen Länder gehört, wo man doch erwarten könnte, dass sich eine Jemenitin über die Möglichkeit freuen sollte, ein Zubrot zu verdienen…

Irgendwann – das fühle ich in meinem tiefsten Inneren – werde auch ich meine Putzperle finden. Bis dahin versuche ich den Staubsauger wieder in Gang zu setzen, der leider gestern bei der samstäglichen Saugaktion den Dienst quittierte.

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© Text, Graphik und Photos: Anne Christine Hanser 2005
Autorin: Anne Christine Hanser, International Advisor, Support for Administrative Reform, Sana'a, Jemen
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