Bernhard Peter
Yuasa (Präf. Wakayama), historisches Viertel der Soja-Saucen-Stadt


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Yuasa ist eine Kleinstadt an der Westküste der Halbinsel Kii und gehört zum Arida-Distrikt in der Präfektur Wakayama. Von Wakayama aus ist Yuasa bequem mit dem Zug zu erreichen, entweder mit dem Lokalzug (Kisei Main Line, Kinokuni Line) oder mit dem super-bequemen Kuroshio Limited Express, der sogar von/bis Osaka, Shin-Osaka und Kyoto durchfährt (cave: nicht jeder Kuroshio hält in Yuasa). Ab Wakayama fährt man mit dem Lokalzug in Richtung Gobou oder Shinguu ca. 40 min. Wer zuvor noch im Kimiidera Halt macht, bekommt einen Lokalzug nach Yuasa jede Stunde um 7 min. nach der vollen Stunde. Mit dem Kuroshio schafft man die Strecke Yuasa-Kyoto in etwas mehr als 2 h, ggf. mit Umsteigen in Shin-Osaka in den Shinkansen oder mit Umsteigen in Tennoji in den Haruka Express. Mit ca. 11400 Einwohnern ist Yuasa recht überschaubar. Erst seit 1896 hat Yuasa den Status einer Stadt. Die Altstadt ist durchweg gut ausgeschildert. Die zwei Flüsse im Norden und Süden, die Bahngleise im Osten und die Meeresbucht im Westen bilden gute Landmarken und verhindern ein Verlaufen.


Geschichte und Bedeutung
Seit der Heian-Zeit blühte Yuasa als Stadt an dem populären Pilgerweg, der nach Kumano führte, wobei die Pilger zu den heiligen Schreinen Kumano Sanzan sowohl auf dem Landweg als auch auf dem Seeweg ankamen und an dieser Wegestation übernachteten. Dazu war es eine durch Fischerei und Handel prosperierende Siedlung. Während der Kamakura-Zeit kam das Know-how zur Herstellung von Miso aus China. Auch die regionale Spezialität Kizanji-Miso wurde hier in Yuasa produziert. Es unterscheidet sich vom normalen Miso dadurch, daß es keine Kochzutat ist, sondern ein eigenes Gericht zum Essen. Für die Herstellung von Kizanji-Miso verwendet man Reis, Sojabohnen und Gerste sowie Koji-Schimmel und Salz. Das Gemisch wird zusammen mit Gemüse wie Kürbissen, Auberginen, Ingwer und Shiso-Perilla (= Sesamblatt) fermentiert. Zuerst wurde dieses Gericht im Tempel Kokoku-ji in Yura 8 km südwestlich von Yuasa (der sog. Tengu-Tempel, der Legende nach von einem Tengu in nur einer Nacht erbaut, JR-Bahnhof Kii-Yura) entdeckt, denn der Priester Kakushin hatte aus China kommend diese Technik mitgebracht und im Tempel zuerst nachgekocht.

Angeblich soll die Soja-Brauerei als Ableger der Miso-Herstellung entstanden sein, und die erste Soja-Sauce wurde aus dem Rückstand in einem Miso-Faß gemacht. Yuasa gilt als Geburtsstadt der Soja-Sauce, die vor über 750 Jahren hier zum ersten Mal hergestellt worden sein soll. Und von hier aus verbreitete sich der Gebrauch der neuen Sauce über ganz Japan. Seit der Edo-Zeit hat sich in dem zum Lehen Kishuu gehörenden Yuasa eine florierende Industrie der Herstellung von Soja-Sauce (Shouyu) entwickelt, für die die Stadt berühmt ist. Soja-Sauce wurde zur Hauptindustrie der Siedlung. Ausgangspunkt sind Sojabohnen und Weizen zu etwa gleichen Teilen, aber der Schlüssel der Fermentation sind salzliebende Milchsäurebakterien und salztolerante Hefen sowie bestimmte Schimmelpilze. Wegen der benötigten Salzlake haben sich die Betriebe in Meeresnähe angesiedelt, denn je höher der Salzgehalt ist, desto langsamer laufen die Fermentationsprozesse ab und desto besser entwickeln sich Geschmack und Geruch. Zahlreiche Betriebe haben sich in der Altstadt entwickelt und bestehen teilweise bis heute. Während der Bunka-Zeit (1804-1818) zählte man z. B. 92 Soja-Saucen-Herstellungsbetriebe in Yuasa. Erst nach den Meiji-Reformen sank die Bedeutung. Einige alte Soja-Saucen-Brauereien sind als Museum hergerichtet, in denen man die alten traditionellen Gerätschaften anschauen kann.


Rundgang und Beschreibung
Die Straßenzüge südlich des Yamada-Flusses sind insgesamt ein historisches, vom 17. bis 19. Jh. entstandenes und seit 2006 denkmalgeschütztes Quartier mit zahlreichen alten Häusern und vermitteln den Eindruck, als sei hier ein wenig die Zeit stehengeblieben. Die Denkmalzone ist 6,3 ha groß und mißt 400 m in West-Ost-Richtung und 280 m in Nord-Süd-Richtung. Sie erstreckt sich beiderseits der Straße Nakamachi-dori und reicht bis zum Daisen-bori, dem Wassergraben im Norden parallel zum Fluß, von wo aus früher die Zutaten angelandet und die fertige Soja-Sauce verschifft wurde. Es besteht aus den Bereichen Kita-machi, Kajiya-machi, Naka-machi und Hama-machi. Man erreicht dieses historische Stadtviertel mit traditionellen Wohnhäusern, Lagerhäusern und Herstellungsbetrieben ab Bahnhof zu Fuß in ca. 10 min. in nordnordwestlicher Richtung. Die traditionellen Machiya-Häuser sind typischerweise zweistöckig, mit engmaschigen Holzgittern vor den Fenstern im Erdgeschoß und verstäbten Fenstern (Mushiko-mado) im verputzen und weiß gekalktem, oft niedrigen Obergeschoß. Diese Mushiko-mado befinden sich typischerweise im Obergeschoß und haben ganz unterschiedliche Formen, zu mehreren einfach rechteckig, einzeln langgestreckt über fast die ganze Front, Mokko-Form (länglicher Vierpaß) oder andere. Zur Straße hin sind die Häuser schmal, dafür gehen sie weit nach hinten, wo meist ein Innenhof oder Garten ausgespart wird. Das Material der Häuser ist Hemlocktanne oder Zypresse für die tragenden Hölzer und ein Lehm-Stroh-Gemisch für die Wände. Typisch ist bei den Wohnhäusern ein Durchgangsbereich mit gestampfter Erde als Boden (Tooriniwa) vor den eigentlichen Räumen. Manchmal ist das Obergeschoß extrem niedrig, dann wurde es nur als Lagerraum oder als Schlafplatz für die Dienerschaft genutzt. Andere Häuser wiederum haben Obergeschosse mit normaler Höhe. Manchmal sieht man an den Häusern unter der Traufe vertikale Holzschindeln, das dient zusätzlichem Schutz vor Regen, eine Bauweise, wie sie in Regionen mit viel Niederschlag üblich ist. Viele Ladengeschäfte (Mise) sind vorne mit Koushi verkleidet, abnehmbaren gitterartigen Holzblenden, die Privatheit bei gleichzeitiger Durchlüftung garantieren. Die Lagerhäuser wiederum haben dicke, verputzte Wände und wenige Lüftungsfenster im oberen Bereich und tragen meist Giebel-Dächer in Kirizuma-zukuri mit Hongawarabuki.

Besonders hervorhebenswert sind z. B. die 1841 gegründete Kadocho-Brauerei, deren Betriebshaus mit zahlreichen ausgestellten Gerätschaften 1866 errichtet wurde. Das Akagiri-Haus ist eines der größten Brauerei-Häuser und wurde 1907 errichtet. Die Front besitzt Fenster vom Typ Mushiko-mado; das Dach ist im Stil Mukuri-yane. Das Suhara-Haus ist eine 1874 erbaute Brauerei. Das Takebayashi-Haus hat eine besonders breite Vorderfront mit 6 Mushiko-mado-Fenstern. Das Tsuura-Haus stammt aus dem Jahr 1878; dort wurde Koji hergestellt, das an die Soja-Brauereien verkauft wurde, eine wichtige Fermentierungszutat. Das Machinmi Kouryukan stammt aus der späten Edo-Zeit. Im Norden steht das Café Ippuku (Kitamachi Chaya), in einem spät Edo-zeitlichen Machiya-Ladengeschäft. Wenige Schritte die Straße weiter nach Westen steht das Kano-Haus aus dem Jahr 1921, hier ist der Putz im Obergeschoß schwarz. Jenseits der Kreuzung noch weiter westlich liegt die spät-Edo-zeitliche Brauerei Otakyusuke-ginsei, wo heute Miso hergestellt wird. Dieses Ensemble ist insgesamt ein wunderschönes Bild der Lebenskultur der Edo-Zeit und der Meiji-Zeit und hat noch die Atmosphäre des vormodernen Japans. Manche alte Gebäude erfuhren auch eine ganz andere Nutzung, so wurde aus einem alten Spirituosengeschäft ("Okasho") an der Kreuzung von Kajiyamachi dori und Kitamachi dori ein Rastplatz für Touristen mit Informationsangebot, und aus einem renovierten öffentlichen Badehaus aus dem 19. Jh. (bis 1985 in Betrieb) entstand ein Museum ("Jinburo"). Manche alte Häuser haben eine neue Nutzung als Unterkunft für Touristen erfahren. Viele Traditionsbetriebe sind aber auch nach wie vor im Geschäft.

Denkmalzone ist ein hoher Anspruch - tatsächlich sieht man auch, wie schwer das ist, in den Denkmälern denkmalgerecht zu leben, oder sagen wir sowohl die Denkmäler zu erhalten als auch einen typischen Lebensstandard für die Bewohner zu gewährleisten. Oberirdische Versorgung mit Elektrizität schafft Betonmasten und Kabelgewirr in der Luft vor den Häusern. Klimaanlagen sind im japanischen schwülheißen Klima nicht wegzudenken, natürlich außen an die Holzfassaden montiert. Und zwischen die alten Holzhäuser schiebt sich ein moderner Carport. Und vor dem wunderschönen Braunton-Verlauf der Holzwände ist ein knallroter Coca-Cola-Getränkeautomat montiert. Eine moderne Aluminium-Haustür ersetzt die alten Schiebtüren. Und wo man gar nichts tut, läßt die Witterung die Putzschichten abblättern und das Lehm-Stroh-Gemisch hervortreten. Es erfordert viel mehr Achtsamkeit, Rücksichtnahme, Investition und Verzicht, in den alten Häusern zu wohnen als in neuen. Die Realität ist daher immer ein Kompromiß, wenn man das Leben in den alten Häusern erhalten will. Die Alternative wäre, alles zum Museum zu machen - aber das wäre genau der Tod der bis dato lebendigen Altstadt.

Der einzige im historischen Quartier gelegene Tempel ist der 1573-1591 erbaute Honshou-ji mit Onigawara aus dem Jahr 1694. Im Westen des Quartiers liegt der nördliche Ebisu-Schrein, im Osten der Denkmalzone befindet sich der Tempel Hourin-ji. Mehr Tempel findet man im Süden der Denkmalzone, dort liegen der Shinraku-ji, der Fukuzou-ji, der Senkou-ji und der Jinsen-ji (Nishiyama-Jodo-shu, Amida-Buddhismus, Schule des Reinen Landes). In der Nähe der zur Nagi-o-hashi führenden Straße steht der südliche Ebisu-Schrein.


Photos aus der Denkmalzone


in einer musealen Soja-Saucen-Brauerei


in einer modernen Soja-Saucen-Brauerei


Photos des Tempels Jinsen-ji


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.0363981,135.1747357,18z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@34.0365311,135.174809,287m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Yuasa auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Yuasa,_Wakayama
Jian Jiao, Yasuhiro Nambu, Mina Sugino, Noriko Takiyama, Chiaki Watanabe, Yasuhiro Hayashi: Regional Structural Investigation on the Preservation Districts of Yuasa and Ine in Japan, in: Journal of Asian Architecture and Building Engineering/January 2017/200, S. 193 ff.
Webseite der Fluggesellschaft Ana:
https://www.ana.co.jp/en/in/japan-travel-planner/wakayama/0000012.html
Yuasa auf Walk-Guide:
http://www.wak-guide.com/2017/11/02/yuasa-town/
Stadtführer als pdf:
https://www.yuasa-kankokyokai.com/app/wp-content/uploads/2021/03/cb7015163d557f408b47bc05ba926b6d.pdf
Broschüre über die Präfektur Wakayama:
https://downloads.ctfassets.net/23rhb4p68w2r/4ej50SjFxCAgiCcqqkGkc8/558b0b25e75938a7cb4e838bcaaa848c/brochure_visitwakayama.pdf


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