Bernhard
Peter
Typisch
japanische Dinge: Tengu
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Tengu | Ko-tengu | Yokai |
Ten-gu bedeutet wörtlich soviel wie Himmels-Hund. Das überrascht und leitet irre, denn aufgrund der Vogelschnäbel assoziiert man Krähen und andere Vögel, aber nicht Hunde. Der Name leitet sich vom chinesischen Tiangou ab, mit dem kosmische Ereignisse bezeichnet wurden, die unerklärlich waren, wie Mond- und Sonnenfinsternisse: Ein Hund jagt hinter den Gestirnen her und frißt sie, daher die Verdunkelung. Auch Kometen waren ein Phänomen, das von Himmelshunden ausging. In Japan wurde daraus etwas ganz Anderes. Tengu sind Wesen, die zwar einen menschlichen Körper haben, der meist in die traditionelle Gewandung der Yamabushi (Bergasketen) gekleidet ist, insbesondere die charakteristischen Kopfbedeckung Tokin (eine Art Kopftuch mit Lappen über der Stirn) tragen, die aber auch Flügel besitzen, mit denen sie ganz flink von einem Ort zum anderen fliegen können. Im wesentlichen können Tengu daher der großen Gruppe der Yokai (Youkai, Dämonen und Fabelwesen) zugerechnet werden, aber sie haben nach heutiger Wahrnehmung kein böses Wesen. Sie sind einfach nur ein bißchen unheimlich und treiben Schabernack, sie sind aber nicht hinterlistig oder übelgesonnen. Sie stiften ein bißchen Unruhe, und das ist ein unangenehmer Gedanke im geordneten Japan. Im Laufe der Geschichte schwächten sich die mit Tengu assoziierten Fähigkeiten jedoch immer mehr ab, aus anfangs echt gefährlichen, grausamen und aggressiven Wesen, die Mönche und Kinder entführen und schädigen konnten und die auch mal Meister der Kampfkunst sein konnten, wurden weniger gefährliche Unruhestifter, die z. B. wertvolle Dinge stehlen und horten, und aus diesen wurden Wesen, die ein bißchen Schabernack treiben, und schließlich stehen in der Neuzeit die humoristischen Züge deutlich über der Anrichtung von möglichem echtem Schaden.
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Dai-tengu | Karasu-tengu | Hanataka-tengu |
Tengu leben abseits menschlicher Lebensräume in abgelegenen, dichten Wäldern und vor allem in Gebirgen, in kleinen Höhlen an Klippen und an steilen Abhängen sowie auf der Spitze hoher, heiliger Berge. Aufgrund der Kleidung gelten Tengu als Mönche, die Mist gebaut haben, in Sünde verfallen sind (viele entsprechende Legenden sind im Konjaku monogatari zu finden) und deswegen transformiert wurden, vermutlich, weil der normalen Bevölkerung die Yamabushi mit ihren anscheinend über die Fertigkeiten normaler Sterblicher hinausgehenden Fähigkeiten und ihrer Nähe zur Magie auch ein wenig suspekt waren. Tengu bringen auch mal gerne rechtschaffene Mönche von ihrem geraden Weg ab. Ein Mensch mit verdorbener Seele, mit einem Herzen voller antibuddhistischer Eigenschaften wie Wut, Rachsucht, Stolz oder Ketzerei kann nach dem Tod zum Tengu werden, weil die Seele aufgrund ihres Karmas nicht erlöst werden kann. Insofern sind diese mythologischen Figuren eine Manifestation intensiver menschlicher Gefühle weit abseits des buddhistischen Ziels. Die Verehrung von Tengu ist zugleich Ausdruck der Angst, zu fallen und vom rechten Weg abzukommen. Diese Mischung aus Furcht und Verehrung ist ein typischer Zug des Umgangs der Japaner mit den Tengu. Dazu verehren die Yamabushi selber esoterische Götter in Tengu-Gestalt, z. B. Izuna Gongen oder Akiba Gongen. Und Tengu sind auch ein Mittel der Bevölkerung, mit der Macht des Klerus umzugehen, indem man die Idee pflegt, auch auch diesen Herren was Unangenehmes passieren könnte und sie am Ende in einen Tengu verwandelt werden könnten, eine Art Ventil zum besseren Ertragen des Klerus und seiner Ansprüche.
Abb.: Karasu-Tengu in Kamakura, Kenchou-ji
Es gibt prinzipiell mehrere Arten von Tengu. Hier sehen wir die Karasu-tengu, kleine Krähen-Tengu mit Vogelschnabel. Der Schnabel unterstreicht die Vogelähnlichkeit und damit die Flugfähigkeit. Auch die Legende, daß alle Tengu aus Eiern schlüpfen, ist nichts anderes als eine weitere Unterstreichung der Fähigkeit des blitzschnellen Ortswechsels, vogelgleich eben. Sie werden auch als Ko-tengu (kleine Tengu) bezeichnet und stehen in der Hierarchie tiefer als die höhere Kaste der Dai-tengu, großen Tengu mit beeindruckender Gestalt und mit riesigen, langen, oft phallischen Nasen und rötlichem Gesicht. Sie werden auch Hanataka-tengu genannt, Langnasen-Tengu, wörtlich hana = Nase, taka = hoch, überdurchschnittlich, ten = Himmel, gu = Hund. Je länger die Nase ist, desto mehr Macht hat dieser Tengu. Karasu-tengu und Dai-tengu haben ein ganz unterschiedliches Wesen, und ihnen werden auch unterschiedliche bevorzugte Wohnorte angedichtet. Die Karasu-tengu leben eher in kleinen Höhlen an Felsen oder steilen Abhängen so wie auf den Abbildungen hier, und die mächtigeren Dai-tengu leben eher auf den Berggipfeln. Seit ca. 1600 wurden Europäer (Nanban, südliche Barbaren) in Tengu-Gestalt dargestellt oder Tengu als Europäer mit den langen Nasen und roter Gesichtsfarbe, auch dies eine Überschneidung des Unheimlichen, des Fremden und Neuen, des Unruhe Stiftenden. Eine andere eher niedrige Gruppe von Tengu sind die Baumblatt-Tengu (Konoha-tengu).
Abb.: Karasu-Tengu in Kamakura, Kenchou-ji
Tengu sind auch heute noch beliebte Figuren in Manga und Anime und wegen ihrer uneindeutigen Natur, ihrer Ambivalenz als Freund und/oder Feind des Menschen, ihrer magischen Kräfte und ihrer Ungezähmtheit und Wildheit ein gerne genutztes Stilmittel in der Populärkultur.
Abb.: Karasu-Tengu in Kamakura, Kenchou-ji, Kopfdetail
Literatur,
Links und Quellen:
Bernhard Scheid: Tengu -
japanische Vogelmenschen, im Projekt Religion in Japan https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Mythen/Daemonen/Tengu und https://religion-in-japan.univie.ac.at/Kamigraphie/Tengu
Sebastian Schuster: Japanische Yokai - der Tengu https://japanmeineliebe.de/2023/02/12/japansicche-yokai-tengu/
Japan Experience über Tengu: https://www.japan-experience.com/de/preparer-voyage/savoir/comprendre-le-japon/tengu-demon-japon
Japanwelt über Tengu: https://www.japanwelt.de/blog/tengu-japanischer-vogelmensch
Wikipedia über Tengu: https://de.wikipedia.org/wiki/Tengu - https://en.wikipedia.org/wiki/Tengu
Nadine Suchan auf Sumikai über Tengu: https://sumikai.com/japan-erleben/geschichte/tengu-japan-293278/
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