Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge: Sho (Shou)


Shou

Das Musikinstrument Sho (Shou) ist eine japanische Weiterentwicklung der chinesischen Sheng, die von der Form her verwandt ist. Während der Nara-Zeit wurde das Instrument in Japan eingeführt und baulich zur typisch japanischen Form modifiziert. Das Instrument ist im weitesten Sinne eine Mundorgel. Eine Sho besteht aus einer aus Holz gefertigten Windkammer mit dickem, kurzem Mundansatz als Basis und standardmäßig 17 parallel vertikal darauf im Kreis montierten, etwa gleich dicken, aber unterschiedlich langen Pfeifen aus Bambus. Ein Ring auf halber Höhe des Instruments hält die Pfeifen zusammen. Der Spieler bläst in die Windkammer hinein, und die Pfeilen erzeugen die Töne. Eine Besonderheit ist, daß das Instrument in beiden Richtungen funktioniert (wie eine Mundharmonika auch): Man bläst also nicht hinein, setzt ab, holt Luft und bläst wieder hinein, sondern man atmet praktisch durch das Instrument ein und aus. Dadurch werden kontinuierliche langgezogene Töne erzeugt mit charakteristischem, minimalen Nachlassen der Tonintensität und Wechsel der Tonhöhe beim Richtungswechsel der Luft. Salopp gesagt, eine Sho ist eine Kreuzung aus Mundharmonika und Orgel. Typisch für die Sho-Musik ist eine Abfolge verschiedener gedehnter Akkorde, eine Abfolge kontinuierlicher Harmonien (auch wenn es für unser Ohr nicht wirklich harmonisch, sondern eher schneidend-gänsehauterzeugend klingt) wechselnder Tonkombinationen, allenfalls mit wenigen melodietragenden Tonwechseln. Die Töne sind leise und durchdringend. Die expressiven Akkordfolgen werden Aitake genannt, der Wechsel zwischen den Akkorden Te-utsuri. Der Name des Instrumentes wird mit einem einzigen Kanji geschrieben (Shou), das sich aus den beiden einzelnen Kanji für "Bambus" (Take, bordeauxrot) in der oberen Hälfte und "Leben" in der unteren Hälfte zusammensetzt, merken wir uns: Bambus, der Töne zum Leben erweckt. Eigentlich sind es sogar noch mehr Radikale, denn "Leben" setzt sich aus "Mensch" (rot) und "Erde, Boden" (gelb) zusammen.

Shou

Die Pfeifen besitzen innendrin jeweils eine schwingende Metallzunge; es handelt sich also um ein sogenanntes Durchschlagzungeninstrument. Die Pfeifen besitzen außen jeweils ein Loch in der Nähe der Basis. Das Prinzip funktioniert so: Ist das Loch offen, geht die Luft einfach dort hinaus, und die Metallzunge schwingt nicht. Wird das Loch zugehalten, muß die Luft oben hinaus und bringt das Metallplättchen in Schwingung. Der Spieler umfaßt das Instrument mit beiden Händen, so daß die Finger die Pfeifenbasis wie ein Korb umfassen und die Luftlöcher zum Verschießen erreichen können. Zwei der Pfeifen sind von vornherein als stumm angelegt, traditionell werden sie aus ästhetischen Gründen beibehalten, vielleicht waren sie früher einmal tonführend. Nur 15 der Pfeifen sind also tonbildend. Die Länge der Pfeifen und damit der Luftsäulen entscheidet über den Ton; auch die Form der Plättchen (ggf. mit Schlitzen) entscheidet über die Stimmung. Die Plättchen werden durch Wachs oder Harz zum Stimmen modifiziert. Typischerweise werden die Pfeifen in zwei ungefähr symmetrischen Halbkreisen angeordnet, also abwechselnd rechts und links in der Tonhöhe auf- bzw. absteigend. Es werden nicht alle Finger benutzt, sondern nur Daumen und Zeigefinger der rechten Hand (nur zwei Finger wegen der stummen Pfeifen) und alle Finger der linken Hand außer dem kleinen Finger. Insgesamt werden also 2 + 4 = 6 Finger benutzt. Dadurch ergeben sich 15 verschiedene Griffe für ebenso viele Tonhöhen auf der Basis des Abdeckens nur eines Lochs, weil nicht jeder Finger jedes Loch bedienen kann. Es ist genau festgelegt, welcher Finger welches Loch von welcher Pfeife abdeckt. Der tiefste Ton wird mit dem linken Ringfinger erzeugt, der nächsthöhere mit dem linken Daumen, und der höchste Ton wird mit dem rechten Daumen gebildet.

Abb.: ein Shou-Spieler begleitet ein Opfer-Ritual im Maiden des Tsurugaoka-Hachiman-guu in Kamakura

Spieler benutzen entweder ein kleines Tongefäß mit brennender Kohle oder eine kleine elektrische Heizschlange, um in den Pausen die Feuchtigkeit aus dem unteren Teil zu entfernen, weil Kondenswasserbildung das größte praktische Problem darstellt, denn führt zum Schwingungsverlust. Die Sho gehört zur Instrumentierung der klassischen japanischen Hofmusik (Gagaku). Man kann Sho-Musik entweder bei traditionellen Ensemblen der Hofmusik oder bei bei bei von Musik begleiteten Veranstaltungen in Schreinen erleben. Die Tonstärke einer einzelnen Pfeife ist eher schwach, deshalb dient dieses Instrument vor allem der Erzeugung schwebender Akkorde, wobei 5-7 Pfeifen bzw. Tonhöhen kombiniert werden. Es gibt aber auch moderne Komponisten, die Solo-Musik für dieses Instrument entwickelt haben, allen voran die Musikerin Miyata Mayumi (1954-). Weitere bekannte Namen moderner Sho-Musik sind die Musikerinnen Sato Naomi und Nakamura Hanako.


Literatur, Links und Quellen:
Sho in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sh%C5%8D_(Instrument) - https://en.wikipedia.org/wiki/Sh%C5%8D_(instrument)
Sho in der Gagaku:
https://gagaku.stanford.edu/en/woodwinds/sho/
Sho:
https://zenmarket.jp/en/blog/post/12640/japanese-instrument-sho-flute
Sho-Musik auf Youtube mit Orchester:
https://www.youtube.com/watch?v=BA-KnBunboM
Sato Naomi:
https://www.youtube.com/watch?v=yUpr1F1dZt0&t=49s - https://www.youtube.com/watch?v=M1N50gjlmqc - https://www.youtube.com/watch?v=aI7FI7xZQ6w - https://www.youtube.com/watch?v=euHhTE0OS18 - https://www.youtube.com/watch?v=8Cmwz2pS3Nc
Nakamura Hanako:
https://www.youtube.com/watch?v=_MTzW1wQONE - https://www.youtube.com/watch?v=MjDAEYq12fE - https://www.youtube.com/watch?v=izFytVwVxN4


Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2025
Impressum