Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (39): Waraji


Waraji gehören zur traditionellen Fußbekleidung (Hakimono), sind aber außerhalb des religiösen Bereiches seit 1870 völlig außer Gebrauch gekommen. Waraji sind traditionelle japanische Sandalen aus Pflanzenfasern, typischerweise aus Reisstroh, Hanf oder Palmfasern angefertigt. Vom Typ her gehören sie zu den Zori, den Zehenstegsandalen. Und wie für alle Schuhe gilt auch für Waraji: Nie im Haus, auch sie müssen an der Schwelle zum Tempelinneren, zum Gebäudeinneren ausgezogen werden, auch wenn ihr Gebrauch religiös motiviert ist. Es fällt auf, daß der Ansatzpunkt der Schnüre, der zwischen Groß- und Zeigezehe zu liegen kommt, sehr weit vorne liegt, also die Zehen beim Tragen leicht überstehen, das wird üblicherweise so getragen, auch wenn es uns als "zu kurz" erscheint. Das unterscheidet sie von anderen Arten der Zori. Ein weiterer Unterschied ist, daß Waraji nie mit Tabi (den Strümpfen mit einer Einbuchtung zwischen erstem und zweitem Zeh) getragen werden, andere Zori schon. Waren sie früher die Fußbekleidung des einfachen Volkes, werden sie heute noch von Mönchen benutzt, insbesondere von Pilgern. Es gibt je nach Träger verschiedene Arten, die Strohsandalen zu binden; sie werden als Nakachi-nuki, Yotsu-chigake und Takano-gake bezeichnet. An Tempelgebäuden, vor allem an den Toren und Eingängen, kann man die aufgehängten Waraji bewundern. Nach erfolgreicher Pilgerschaft werden die Sandalen als Weihegabe am Zieltempel aufgehängt. Es gibt aber auch Schuhe als Votivgaben im Sinne von Ema, so am Ishite-ji auf der Insel Shikoku. wo ältere, insbesondere von Gehbeschwerden geplagte Herrschaften Strohsandalen an einer Art von Ema-Gestell aufhängen, verbunden mit dem Wunsch, daß ihre Mobilität möglichst lange erhalten bleiben möge.

 

aufgehängte Pilgersandalen am Kuri bzw. Kyakuden des Hoon-ji in Kyoto

aufgehängte Pilgersandalen am Niomon des Honpo-ji in Kyoto

Niomon des Honpo-ji in Kyoto: hier sind abwechslungsreich gestaltete Sandalen aufgehängt

Niomon des Honpo-ji in Kyoto: daneben finden sich auch die Klassiker aus beigem oder grauem Stroh

Kyoto: Sekizan Zen-in: Pilgern zum Berg Hiei.

Kyoto: Sekizan Zen-in. Hier stehen die Waraji für die Praxis des Sennichi Kaiho.

Onomichi (Präfektur Hiroshima): Niomon des Saikoku-ji mit Waraji in Normal- und Übergröße

Onomichi (Präfektur Hiroshima): Niomon des Saikoku-ji mit gigantischen Strohsandalen

Onomichi (Präfektur Hiroshima): Niomon des Saikoku-ji, Strohsandalen mit angehängter Zuschreibung.

Himeji (Präfektur Hyogo), Shosha-zan, Tempel Engyo-ji, am Niomon

Waraji bzw. Warazori im Kotoku-in (großer Buddha von Kamakura) in Kamakura (Präf. Kanagawa). Sie haben 1,8 m Länge und 90 cm Breite und wiegen 45 kg. Sie sind ein Geschenk des Matsuzaka Children’s Club der Stadt Hitachi-Ota (Präfektur Ibaraki), und die Sandalen werden von den Kindern in Handarbeit selber hergestellt. Die Tradition begann 1951, ein nächstes Paar gab es 1956, und seitdem gibt es alle drei Jahre ein neues Paar. Der usprüngliche Gedanke dahinter war, daß der Große Buddha darin symbolisch durch Japan wandert, um den Leuten Glück zu bringen. Der Hintergrund war 1951, daß Japan noch immer sehr unter den Nach- und Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs litt, und überall der Wunsch nach göttlichem Beistand übermächtig war.


Literatur, Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 64-65
Waraji auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Waraji - https://en.wikipedia.org/wiki/Waraji
Anfertigen von Waraji, Video:
https://www.youtube.com/watch?v=smCJ5NDcHJY - https://www.youtube.com/watch?v=Zd14b1pI6vg
Anziehen von Waraji, Video:
https://www.youtube.com/watch?v=bppXnSJp0RA


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