Bernhard Peter
Manhoru-no-futa: Kanaldeckel-Kunst in Japan


Designer-Kanaldeckel mit Schmuckmotiven:
Hierzulande sind Verschlüsse für Schächte von unterirdischen Versorgungsleitungen und Abwasserkanälen entweder einfach kräftig auf der Oberfläche profiliert oder, mit etwas mehr Glück, mit dem Wappen der jeweiligen Stadt oder einem anderen regionaltypischen Motiv versehen. In Japan werden typische Motive oder touristische Höhepunkte auf den sorgfältig gearbeiteten gußeisernen Abwasserschachtabdeckungen (Manhoru-no-futa) dargestellt. Manche davon sind sogar farbig bemalt und richtig bunt. Manche Städte haben mehrere verschiedene dieser künstlerisch gestalteten Deckel. Weil die bei uns typischen Abflußlöcher fehlen, nimmt in Japan das Motiv die gesamte Fläche ein, nicht nur das Zentrum. Und das Schönste an Japans Kanaldeckeln: Es liegen keine Kippenreste in den Fugen, weil die Städte einfach wesentlich sauberer sind als bei uns und die Japaner ihren noch so kleinen Abfall eben nicht in die Gegend werfen, sondern in einen tragbaren Aschenbecher tun. Japans Kanaldeckel haben noch zwei weitere Besonderheiten: Sie haben eine konische Paßform, damit sie beim Drüberfahren nicht rattern. Und sie haben ein spezielles Sicherheitssystem, damit hoher Wasserdruck von unten aufgrund heftiger Regenfälle sie nicht anheben, wegschwemmen und zur Gefahr für Fußgänger werden läßt, aber so, daß der Druck trotzdem entweichen kann. Das handhabt man so, seit 1998 zwei Menschen bei einem Sturm umgekommen sind, da sie in offene Kanalschächte fielen. Die hübsch gestalteten Manhoru-no-futa sind auch in Japan selbst eine kulturelle Attraktion, und die Begeisterung für sie wird mit entsprechenden Merchandise-Artikeln, Miniatur-Ausgaben, Anstecker etc. gepflegt. Der Name Manhoru-no-futa ist übrigens ein englisches Lehnwort, denn in Manhoru steckt das englische Wort "manhole", Mann-Loch, und R <-> L ist bei der Übernahme von Fremdwörtern ein häufiges Phänomen. Da das "e" am Ende von "manhole" im Englischen nicht ausgesprochen wird, erscheint hier eine typisch japanische Vokalisierung als Endsilbe mit kurzem, unbetontem "u". Eine kleine Zusammenstellung der liebevoll gestalteten Allerweltsdinge:

In der Stadt Uji (Präfektur Kyoto) wird die berühmte Brücke über den Fluß Uji-gawa dargestellt. Darüber schwingt sich ein Ahornzweig durchs Bild. Unten steht: Uji-shi - O-sui. O-sui bedeutet "Abwasser".

In der Stadt Nara sieht man einen der mehr oder weniger zahmen, jedenfalls sehr verfressenen und zudringlichen Hirsche aus dem Nara-Park dargestellt. In der Mitte steht "O-sui" = Abwasser, aber diesmal in Kanji geschrieben. Man sieht, daß dieses "O" nicht "groß" bedeutet". Das zweite Kanji bedeutet sui, mizu = Wasser, aber das erste Kanji ist das, was auch für kitana = schmutzig verwendet wird, kitanai = schmutzig, dreckig als Adjektiv. Korrekt würde "Osui" also "Schmutzwasser" bedeuten..

Und weil wir in Japan sind, gibt es das in Nara natürlich auch in Farbe.

Die Stadt Ikaruga (Präfektur Nara) wirbt mit einer dreistöckigen Pagode, wie sie im Hokke-ji und im Horin-ji zu sehen sind. Kiefern, Ahorne und Kirschbäume vervollständigen das Bild landschaftlicher Idylle. Unten steht: Ikaruga - Ge-sui. Auch Ge-sui bedeutet Abwasser, wobei das Kanji dafür das Zeichen für "unter" wäre, also unterirdischer (Ab)wasserlauf.

Auf dem Kanaldeckel der Stadt Fukuchiyama (Präfektur Kyoto) wird die wiederaufgebaute Burg Fukuchiyama-jo dargestellt, davor eine Gruppe tanzender Menschen in traditioneller Kleidung, die mit den charakteristischen Kopfbedeckungen den Odori-Tanz aufführen, mit erhobener Hand und seitwärts schwingendem Bein, z. B. anläßlich des Festes Dokkoise Matsuri. Dieser Tanz hat seine Wurzeln in der Zeit, als die Burg der Stadt erbaut wurde. Unten steht: Fukuchiyama - Osui.

Dieser schicke Kanaldeckel befindet sich in der Stadt Himeji (Präfektur Hyogo). Unten steht: Himeji - O-sui.

In der Stadt Himeji (Präfektur Hyogo) darf natürlich die beste, schönste und hervorragend erhaltene Burg Himeji-jo, die Burg des weißen Reihers, als Motiv nicht fehlen.

Die Stadt Matsumoto (Präfektur Nagano) hat Matsumoto-Bälle auf ihren Kanaldeckeln. Oben steht: Matsumoto - Temari. Ein Temari ist ein handgefgertigter Ball aus komplex gewebtem Seidengarn.

Und weil wir in Japan sind, gibt es das in Matsumoto natürlich auch in Farbe, und davon gibt es viele Varianten, so bunt wie die Originale.

   

So sehen Matsumoto-Fadenbälle im Original aus (Stadtmuseum Matsumoto): Die mit Fäden verschiedener Farben in geometrischen Anordnungen bespannten Bälle entstanden ursprünglich als Spielzeug für Kinder der Herrscherfamilie auf der Burg und Töchter der zum Matsumoto-Clan gehörenden Samurai-Familien. Die Herstellung der Bälle begann im späten 17. Jh., also in der mittleren Edo-Zeit, als Baumwollfäden allgemein besser verfügbar wurden. Die Motive tragen Namen wie "achtblättrige Chrysantheme", Schildkrötenpanzer-Muster" oder "Spiel-Stern". Heute sind die Bälle das regionaltypische Kunsthandwerk der Stadt.

Kanaldeckel aus Otsu (Präfektur Shiga) mit allen Attraktionen der Stadt, vom Ruderachter auf dem Biwasee bis zu Möwen und Segelbooten.

Kanaldeckel in Okayama (Präfektur Okayama). Unten steht: Okayama - O-sui.

Ausnahmsweise kein Kanaldeckel: Hier weiß man in Okayama genau, daß die Feuerwehr hier Löschwasser zapfen kann. Links steht Okayama-shi (Stadt Okayama), rechts stehen die Kanji für Verschwinden links und Feuer in der Mitte.Shou-ka heißt Feuerlöschen. Das dritte Kanji wird Sen gelesen, Stecker oder Anschluß. Shou-ka-sen ist also der Feuer-verschwinden-Anschluß, vulgo Feuerhydrant.

Kanaldeckel in Kurashiki (Präfektur Okayama). Dargestellt sind die langen Blütenrispen der Wisterien.

Kanaldeckel in Kurashiki (Präfektur Okayama), andere Version. Hier steht unten wenigstens der Name der Stadt Kurashiki drauf.

Ausnahmsweise kein Kanaldeckel: Hier weiß man in Kurashiki (Präfektur Okayama) genau, daß die Feuerwehr hier Löschwasser zapfen kann. Unten steht wieder Shou-ka-sen, Feuerhydrant.

Kanaldeckel in Inuyama (Präfektur Aichi), Kormoran-Fischer auf dem Kiso-Fluß mit der Burg Inuyama im Hintergrund. Unten steht nur O-sui, Abwasser.

   

und natürlich gibt es den in Inuyama mit allen möglichen Hintergrundfarben.

Kanaldeckel in Nagoya (Präfektur Aichi)

Kanaldeckel in Nagoya (Präfektur Aichi)

Kanaldeckel in Nagoya (Präfektur Aichi)

Taimadera; Katsuragi (Präfektur Nara) mit Darstellung der Doppelpagode des Tempels. Unten steht Taima - Ge-sui, Abwasser von Taima.

Und weil wir in Japan sind, gibt es das in Taimadera (Katsuragi) natürlich auch in Farbe.

In Kishiwada (Präfektur Osaka) gibt es gleich viermal die Burg der Stadt zu sehen. Unten steht Kishiwada-shi - O-sui = Schmutzwasser der Stadt Kishiwada.

Dieses Exemplar ist in der Stadt Akashi (Präfektur Hyogo) zu finden. Dargestellt wird einer der beiden wiederaufgebauten Ecktürme der Burg Akashi. Unten steht: Akashi-Park Präfektur Hyogo. Hier ist aber kein Abwasser untendrunter im Schacht zu finden, sondern Kabel, denn die beiden Kanji rechts bedeuten "Elektrizität".

Der Kanaldeckel der Stadt Ako (Präfektur Hyogo) zeigt eine Kirschblüte, umgeben von mehreren Kirschzweigen, alles über Wellen vor der gezackten aufgehenden Sonne.

Der Kanaldeckel der Stadt Osaka bildet den wiederaufgebauten Hauptturm der Burg Osaka ab, umgeben von Kirschblüten.

Und den gleichen Kanaldeckel aus Osaka gibt es auch in Farbe. Unten links ist der Stadtbezirk angegeben. Osaka ist in insgesamt 25 Stadtbezirke eingeteilt. Hier handelt es sich um den Bezirk Mitte, Chuo-ku (Chuu-ou-ku). Das linke Kanji bedeutet "innen" oder "Mitte" und wird "naka" oder "chuu" gelesen. Das dritte Kanji mit dem "X im seitlich offenen Quadrat" kennen wir aus Adressangaben, "ku" ist immer der Bezirk und einer der "Marker" zur Aufschlüsselung von Adressen. Chuo-ku entstand am 13.2.1989 durch Fusion der bisherigen Stadtbezirke auch die Bezirke Ost (Higashi-ku) und Süd (Minami-ku).

Auch dieser Kanaldeckel wurde in Osaka verlegt. Die Schrift auf der Brust der Manga-Figur setzt sich zusammen aus einem Kanji "niku" = Fleisch in der Mitte und je zwei Katakana. Insgesamt lautet der Schriftzug "Kin-niku-man". Auf der Stirn hat die Manga-Figur ebenfalls das Kanji "niku", ebenso ist es im Muster des Hintergrundes an den Kreuzungspunkten des Schräggitters verteilt. Auch in Romaji tauchen die Initialen "KN" im Kreis auf. Kinniku-man bedeutet übersetzt "Muskelmann". So heißt eine 1979-1987 publizierte Manga-Serie von Yoshinori Nakai and Takashi Shimada, die unter dem Pseudonym Yudetamago auftreten. Suguru Kinniku ist der Superheld der Serie. Er ist ein Prinz des Planeten Kinniku, wurde irgendwie von seinen Eltern in Japan vergessen und muß ein Wrestling-Turnier bestehen, um Prinz zu bleiben. Nur durch das Fressen von Knoblauch wächst er zu Riesengröße heran. Auch für einen Anime-Film wurde die Figur adaptiert, mit 137 Episoden. 1998-2004 entstand als Sequel Kinnikuman - die 2. Generation. Ursprünglich nur als Parodie gedacht, wurde Kinnikuman eines der bestverkauften und erfolgreichsten Manga..

Lustig ist der Kanaldeckel der Stadt Takahashi (Präfektur Okayama), im Hintergrund der Hauptturm der Burg Bitchu Matsuyama, im Vordergrund der ikonische Kater namens Sanjuro, seit 2018 der wahre Herr der Burg. Die Schriftzeichen unten lauten: Takahashi-shi - O-sui, Schmutzwasser von Takahashi. Der Name der Stadt, Takahashi, steht unter dem Kater auch noch einmal in Kanji. Der Kater, der im San-no-maru-Bereich der Burg aufgefunden wurde und seitdem hier ein festes Zuhause hat, wurde nach Tani Sanjuro (-1866) benannt, dem Anführer der siebten Einheit der Shinsengumi, die aus dem Lehen Bitchu Matsuyama kamen. Auch die drei Tani-Brüder kamen aus der Stadt.

Ein Kanaldeckel in der Stadt Wakayama (Präfektur Wakayama) zeigt regionaltypische Bälle. Unten steht "O-sui" = Abwasser, aber diesmal in Kanji geschrieben. Das zweite Kanji bedeutet sui, mizu = Wasser, das erste Kanji bedeutet kitana = schmutzig. Korrekt würde "Osui" also "Schmutzwasser" bedeuten.

Die Stadt Wakayama (Präfektur Wakayama) hat die Bälle auch noch in einer anderen Variante auf den Straßen verteilt.

Kein Zweifel, wo man hier ist: Eine Flasche mit Soya-Sauce, Meerestiere, Kirschen und Pflaumen rings um eine historische Altstadt: Hier sind wir in der Meeresstadt Yuasa (Präfektur Wakayama), einem Zentrum traditioneller Herstellung von Soya-Saucen und des Fischfangs. Das Stadtname "Yuasa" steht in der Mitte unter den historischen Gebäuden.

Hier sind wir in der Stadt Shizuoka (Präfektur Shizuoka). Der ganze Deckel ist mit einem floralen Muster überzogen. In der Stadt gibt es auch noch andere Deckeltypen. Die einzige Schrift befindet sich rechts unten am Rand, das Wort in Hiragana heißt Ta-chi-a-o-i, Tachiaoi, und das bedeutet Stockrosen (Alcea), die symbolische Stadtblume.

Diese Abwasserschachtabdeckung wurde in der japanischen Stadt Kakegawa (Präfektur Shizuoka) photographiert. Unten steht links in Hiragana "Ka-ke-ga-wa", rechts "O-su-i", also Schmutzwasser von Kakegawa. Dargestellt wird die von zwei Ballonblumen flankierte Burg Kakegawa. Der Tenshukaku ist zwar eine Rekonstruktion, aber es ist der erste solche Wiederaufbau, der mit traditioneller Holzkonstruktion durchgeführt wurde, und dieser Bau war der Auftakt zu einer neuen Serie von Rekonstruktionen, bei den die alten Materialien und Techniken zum neuen Standard wurden, nachdem man bis dahin mehr mit Betonkern gearbeitet hatte und das historische Aussehen sich nur auf die Außenhaut beschränkte.

Hier sind wir in der japanischen Stadt Odawara (Präfektur Kanagawa). Im Hintergrund erkennt man die Burg Odawara, deren Hauptturm aber wiederaufgebaut wurde. Im Hintergrund sieht man die Berge von Hakone, und ganz hinten rechts ragt der charakteristische Vulkankegel des Fuji-san empor. Neben dem Hauptturm der Burg wächst der symbolische Stadtbaum, eine bestimmte Schwarzkiefernart. Und die Szene rechts im Vordergrund erinnert daran, daß Odawara an der wichtigen alten Straße Tokaido lag, die Edo (Tokyo) mit Kyoto verband. Hier gab es aber damals keine Brücke über den Fluß Sakawa, sondern nur eine Furt. Hier tragen mehrere muskulöse Männer auf einer an zwei Tragstangen befestigten Plattform eine Frau durch die Furt. Die Beschriftung heißt wieder einfach Osui - Schmutzwasser.

Dieser Kanaldeckel aus der Stadt Odawara (Präfektur Kanagawa) ist gänzlich anders gestaltet: Der Pfeil unten ist mit "Vordereingang Burg Odawara" beschriftet. Die drei Dreiecke in der Pfeilspitze sind das Wappen (Kamon) von zwei Familien des Namens Hojo (Houjou). 1203-1333 waren Mitglieder der ersten Familie Hojo erbliche Regenten des Kamakura-zeitlichen Shogunats. Die zweite Familie Hojo kam während der Sengoku-Zeit zu großer Macht in der Kanto-Region und wurde 1590 durch Toyotomi Hideyoshi vernichtet. Die Burg Odawara war ihr Stammsitz. Erst nach ihrem Verschwinden wurde das Lehen Odawara 1590 geschaffen, aber an andere Familien vergeben. Ganz oben steht "Godai Hojo", bezieht sich also auf die spätere von beiden Familien dieses Namens. Die fünf Oberhäupter dieser Familie sind einzeln beschriftet: Links oben ist Hojo Ujimasa (1538-1590), rechts oben ist Hojo Ujinao (1562-1591), links unten wird Hojo Ujiyasu (1515-1571) dargestellt, rechts unten Hojo Ujitsuna (1487-1541) und in der Mitte Hojo Soun (1432-1519). Mit Ujinao endete die Familie.

Dieser Kanaldeckel stammt aus der Stadt Kamakura (Präfektur Kanagawa). Die drei Schriftzeichen in den Wellen bedeuten, daß hierdrunter ein Absperrschieber ist. Es gibt den gleichen Deckel auch mit der Beschriftung Shou-ka-sen = Feuerhydrant.

Auch dieser Kanaldeckel stammt aus der Stadt Kamakura (Präfektur Kanagawa). Die drei Kanji lauten kuu-ki-ben, das bedeutet "Luftventil". Das kleine weiße Monster in Form einen anthropomorphen Pflatschers wird Aquan genannt. Er kommt auch in der Stadt Yokosuka vor, und es gibt noch andere Designs mit diesem Maskottchen.


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