Bernhard Peter
Typisch japanische Dinge (3): Byobu (Byoubu)


Der japanische Ausdruck "Byobu" ("Byoubu") für aufstellbare Faltschirme bedeutet wörtlich Windwand, denn "bu" oder "kaze" = Wind und "byou" oder "hei" = vorbeugen. In ihrer ursprünglichsten, aus dem China der Han-Dynastie stammenden Form sollten die Wandschirme tatsächlich Windschutz hinter offenen Fenstern bieten. Typisch ist die selbststabilisierende Konstruktion aus miteinander verbundenen vertikalen Paneelen, die gemeinsam den zickzackförmig aufgestellten Wandschirm bilden. Sie werden flexibel und bedarfsgerecht zum Unterteilen von Räumen oder zum Schaffen eines Bereiches größerer Privatheit in einem größeren Raum benutzt. Aus Symmetriegründen gibt es nur eine gerade Anzahl von Paneelen.

Im einfachsten Fall sind sie ohne Dekor, meist jedoch dienen die Paneele als Träger von Kunst. Dort kann entweder Kalligraphie aufgetragen sein, oder aber die gesamte Fläche wird szenisch bemalt ("Byobu-e"). Als Träger dekorativer Kunst können Wandschirme auch ohne abgrenzende Funktion allein als Träger dieser Kunst aufgestellt werden. Wandschirme werden auch als Paar gestaltet, wobei der rechte, wichtigere und oft auch künstlerisch herausragendere, den Szenenanfang enthält, so wie jeder Wandschirm von rechts nach links "gelesen" wird. Ob es sich um einen rechten oder linken Teil eines Paares ("Gu" oder "Sou") handelt, erkennt man an der Lage des künstlerischen Schwerpunktes, der in der Regel außen ist, also beim rechten rechts und beim linken links. In der Raummitte sitzende Personen sollen durch das Motiv eingerahmt werden und es nicht verdecken. Falls Signaturen vorhanden sind, befinden sie sich ebenfalls außen. Als "Hansou" bezeichnet man nur die eine Hälfte eines Schirmpaares; ein nicht zu einem Paar gehörender Schirm wird "Seki" genannt.

Ein allererster Prototyp in Form einzelner Paneele mit Seidenrändern kam im Jahre 686 n. Chr. aus Korea nach Japan, und damit begann der Siegeszug des Prinzips. Seit dem 8. Jh. sind die Wandschirme in Japan nachzuweisen. In der Mitte des 8. Jh. schenkte Kaiserin Komyo (Koumyou) einhundert Wandschirme dem Todai-ji in der damaligen Hauptstadt Nara, wovon 65 gefärbt waren. Die allerfrüheste Form während der Nara-Zeit (646-794) war die eines einzelnen Paneels auf Ständern oder Beinen. Es gibt sie noch heute in Geschäften und Restaurants als Sichtblende; sie werden als Tsuitate bezeichnet. Im Verlauf des 8. Jh. kam man auf die Idee, mehrere Paneele (früher als "Sen", heute als "Mai" oder "Kyoku" bezeichnet) mit Lederbändern oder Seidenschnüren zu verbinden - der Faltschirm war erfunden. Typischerweise hatte ein Wandschirm während der Nara-Zeit 6 Paneele (früher "Roku-Sen", heute "Rok-kyoku Byobu" oder "Roku-maiori Byobu"). Typische Abmessungen waren 1,50 m Höhe und 3,50 - 3,70 m Breite. Jedes Feld bildete für sich ein Bild und war innerhalb des hölzernen Rahmens mit Seidenbrokat eingefaßt. Der Gebrauch war noch weitgehend auf den kaiserlichen Hof beschränkt, wo sie eine Rolle bei wichtigen Zeremonien spielten. Die ältesten noch existierenden, mit Seide bezogenen Wandschirme der Nara-Zeit werden im dortigen Shoso-in (Shousou-in) aufbewahrt.

In der Heian-Zeit (794-1185) fanden die Wandschirme allgemeine Verbreitung in den Sitzen der Daimyo und in den Tempeln und Schreinen. Bei der Bemalung unterschied man den chinesischen Stil ("Kara-e") und den japanischen Stil ("Yamato-e"). Eine Neuerung dieser Zeit waren die münzenförmigen Metallscharniere ("Zenigata") zum Verbinden der Paneele anstelle der bisherigen Seidenschnüre. Diese Faltschirme werden entsprechend "Zenigata Byoubu" genannt. In der Kamakura-Zeit wurde eine Bemalung im Stile chinesischer Tuschezeichnungen bevorzugt. In der Muromachi-Zeit (1392-1568) erreichte der Gebrauch der faltbaren Wandschirme Geschäfte und Läden. Es kamen kleinere Faltschirme aus nur zwei Paneelen ("Ni-kyoku Byobu" oder auch "Ni-maiori Byobu") in Gebrauch. Zweipaneelige Faltschirme spielen auch heute noch bei der Teezeremonie eine Rolle, denn sie werden an der Kante der Gastgeber-Tatami-Matte zur Abgrenzung vom Gästebereich aufgestellt. Diese relativ kleinen, nur 60 cm Höhe und 85 cm Breite messenden Faltschirme werden im Kontext der Teezeremonie auch "Furosaki Byoubu" genannt. Vierteilige Wandschirme ("Yon-kyoku Byoubu") gab es ebenfalls. Die Zenigata wurden in dieser Zeit durch Scharniere aus starkem, mehrlagigem Washi-Papier ("Kami Chotsugi", "Kami Choutsugi") ersetzt, wodurch man unter Weglassen der bisherigen Seidenumrahmung störungsfrei die gesamte Fläche mit einer zusammenhängenden Komposition bemalen konnte, wovon man seit dieser Neuerung reichlich Gebrauch machte. In der Muromachi-Zeit kam auch die paarweise Herstellung und Verwendung von Faltschirmen in Gebrauch, wobei das Paar mit 6 Feldern "Ichijou Rokusen" genannt wurde. Führende Künstler kamen aus der Kano-Schule, allen voran die Meister Motonobu (1476-1559) und Eitoku (1543-1590), unter denen Elemente chinesischen und japanischen Malstils verschmolzen.

In der Azuchi-Momoyama-Zeit (1568-1600) und in der frühen Edo-Zeit (1600-1868) erreichte der Gebrauch der Faltschirme die breite Bevölkerung. Die gesellschaftliche Differenzierung fand nun vermehrt durch die Qualität und Opulenz statt. Insbesondere durch Hintergründe aus Blattgold und hochwertige Malereien ließ sich der Status des Besitzers wirksam in Szene setzen. In der Edo-Zeit ist die von Sotatsu gegründete Rimpa-Schule und ihr führender Vertreter Ogata Korin (1658-1716) hervorhebenswert. Auch Ito Jackucho wurde mit seinen Tier- und Vogeldarstellungen im 18. Jh. ein bedeutender Künstler. Der typische Aufbau bestand weiterhin aus 6 Paneelen. Kleinere von 4 Paneelen kamen in den Warteräumen der Teehäuser zum Einsatz. Auch bei Seppuku-Zeremonien nahm man als Hintergrund vierteilige Wandschirme. Die Tradition der Wandschirmherstellung ist auch heute ungebrochen. In der heutigen Zeit werden auch Wandschirme mit großen Abmessungen wie z. B. 10 Paneelen ("Ju-kyoku Byobu") hergestellt, um besonders große Räume bei Veranstaltungen, Empfängen etc. angemessen zu schmücken.

Kyoto, im Tempelbezirk Ninna-ji, sechsteiliger Faltschirm im Goten-Bereich

Kyoto, vierteiliger Faltschirm mit Kalligraphie im Tempel Shoren-in

Abb.: Kyoto, Funda-in-Tempel, ein Subtempel des Tofuku-ji-Tempels, sechsteiliger Stellschirm beim Genkan

Abb.: Kyoto, Funda-in-Tempel, ein Subtempel des Tofuku-ji-Tempels, sechsteiliger Stellschirm beim Genkan


Literatur, Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10: 480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 18-19
Byobu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Japanischer_Wandschirm - https://en.wikipedia.org/wiki/By%C5%8Dbu
Jaanus- Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent:
http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/, insbesondere: http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/byoubu.htm
Japanische Wandschirme:
http://artgallery.yale.edu/sites/default/files/files/Exh_2014_byobu_brochure.pdf
Wandschirme:
http://www.japanesescreens.net/making_of_byobu.html - http://www.japanesescreens.net/history_of_byobu.html


Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2017
Impressum