Bernhard Peter
Shintoismus: Shinshi


Shinshi sind tierische Begleiter shintoistischer Kami, Gehilfen der Götter in Tierform. Das Wort "Shin-shi" bedeutet "Götterdiener", und der wichtigste Dienst aus Menschensicht ist die Kommunikation zwischen ihnen und den Göttern, deshalb ist mit Götterdienst Begleit- und Botendienst gemeint. Shinshi werden auch "Kami no tsukai" oder "Tsukawashime" genannt. Die Tiere sind meistens als Statuen präsent und ersetzen die Komainu. Im Gegensatz zu diesen sind Shinshi auf shintoistische Heiligtümer beschränkt und tauchen nicht an buddhistischen Tempeln auf, weil eine enge Bindung an die im Schrein verehrte Gottheit Voraussetzung ist. Diese enge Bindung führt zu einer Spezifität der Assoziation von Gott und Tier. Das Motiv des jeweiligen wird auf dem Schreingelände auch für dekorative Zwecke eingesetzt, z. B. auf den Papierlaternen als Schreinsymbol. Als Bild werden sie gerne auf der Vorderseite der vom Schrein verkauften Ema dargestellt. In einigen wenigen Fällen begegnen dem Besucher die Shinshi in natura, z. B. in Nara die Sika-Hirsche, heilig und sich dessen bewußt, mehr oder weniger zahm und vor allem verfressen.

Was ursprünglich nicht Sinn der Sache war, ist später doch passiert: Die tierischen Begleiter wurden spirituell aufgewertet und als Stellvertreter der Kami verehrt. Manchmal tragen Shinshi wie die Inari-Füchse ein rotes Lätzchen; das hat eine gewisse Parallelität zu den populären Jizo-Figuren. Diese Behandlung von Statuen begegnet uns, warum auch immer der Brauch entstanden ist, immer dort, wo sich Gläubige direkte Hilfe vom Dargestellten erhoffen, und die rote Farbe soll böse Dämonen abschrecken (Dämonenabwehr = Mayoke).

Das Konzept eines tierischen Begleiters gibt es übrigens auch bei den sieben Glücksgöttern (Shichi fukujin): Ebisu mit einer Meerbrasse (Tai), Daikokuten mit einer Maus und Benzaiten mit einer Schlange.

Beispiele für Shinshi:

Fuchs (Kitsune): an Inari-Schreinen, ein Netzwerk von Schreinen mit dem obersten Schrein in Fushimi (Kyoto). Inari ist ursprünglich eine Reisgöttin und steht traditionell für gute Ernten, heute eher für geschäftlichen Erfolg. Der Hauptkami von Inari ist Uka-no-mitama-no-O-kami. Möglicherweise wurde der Fuchs mit der Göttin assoziiert, weil Füchse Tiere wie Mäuse etc. essen, die eine Gefahr für die Reisernte darstellen, also weil Füchse quasi die Ernte beschützen. Als Shinshi sind die Inari-Füchse in der Vorstellung der Gläubigen nicht rostrot wie natürliche Füchse, sondern weiß, denn es sind ja keine weltlichen Füchse, sondern solche in göttlichem Auftrag, und solche sind weiß oder transparent und damit unsichtbar.

 

Abb.: Kyoto, Fushimi Inari Taisha

Ihre Darstellung ist auch von besonderen Details geprägt, denn sie haben entweder ein kugelförmiges Wunschjuwel oder eine Sutrenrolle quer im Maul. Die Schwanzspitze kann zu einem Wunschjuwel verdickt sein. Manchmal tragen die Füchse auch Schlüssel im Maul, das sind Schlüssel von Reisspeichern. Alternativ wird er mit einem Büschel Reispflanzen im Maul dargestellt.

 

Abb.: Kyoto, Fushimi Inari Taisha. Die Fuchsstatuen tragen ein Büschel Reispflanzen im Maul. Die linke Schwanzspitze endet in einem Wunschjuwel.

Ochse: Tenmangu-Schreine, z. B. der Kitano Tenmangu in Kyoto, der Dazaifu Tenmangu in Fukuoka und das davon abhängige Netzwerk. Der Kami ist Michizane Sugawara, und er steht für das Lernen und Gelehrtentum.
Taube: Hachiman jinja, ein Netzwerk von Schreinen mit dem obersten Schrein in Usa (Oita). Dort werden Kaiser Ojin und Kaiserin Jingu verehrt. Es handelt sich um Schutzschreine der Samurai und des Staates.
Reh: an Kasuga-Schreinen, ein Netzwerk von Schreinen mit dem obersten Schrein in Nara (Kasuga Taisha). Im Nara-Park leben deshalb heute noch unzählige Sika-Hirsche. Kami: Takemikazuchi no Mikoto und andere Ahnengötter der Familie Fujiwara, Schutzschrein der Samurai und der Hauptstadt. Rehe sind auch am Kashima-Schrein und am Itsukushima-Schrein zu finden.

Abb.: zahlreiche Sika-Hirsche bewohnen den Nara-Park und haben Narrenfreiheit

Henne: am Naiku-Schrein (Kotaijingu) in Ise, wo Amaterasu Omikami eingeschreint ist, die Sonnengöttin und Mutter des Lebens, Ahnengöttin des Kaiserhauses.
Affen (Saru) als Götterboten sind im Hie Jinja in Tokyo (Stadtteil Chiyoda) zu finden. Dort wird Oyamakui-no-kami verehrt, der Gott des Berges Hie in der Präfektur Shiga, auch als Hie-no-kami bekannt. Affen gibt es auch am Hiyoshi-Schrein.
Hase: Der Hase begegnet uns an den Schreinen, die Okuninushi-no-mikoto gewidmet sind. Okuninushi-no-mikoto hatte einmal dem verwundeten Hasen von Inaba geholfen, nachdem dieser bei lebendigem Leib gehäutet worden war und um Hilfe flehte, und seit seiner Heilung steht der Hase an des Gottes Seite. Der Hase half Okuninushi auch, seine Prinzessin zu erobern. Hasen sehen wir auch am Tsuki jinja in Saitama.
Kaninchen: Als Tier mit bekannter Fruchtbarkeit findet man das an Schreinen, die für Nachwuchs und leichte Geburt besucht werden, z. B. am Okazaki-Schrein in Kyoto.
Bienen gibt es als Götterboten im Futarasan-Schrein (Nikko) und im Hiyoshi-Schrein.
Aale gibt es im Mishima-Schrein (in Izu) als Götterboten.
Wildschweineber gibt es im Wake jinja jeweils in Wake, Okayama, und in Kirishima, Kagoshima.
Yata-Krähe (dreibeinige Yatagarasu-Krähe): Kumano Sanzan (eine Dreiergruppe in der Präfektur Wakayama), mit einem Netzwerk von ca. 3000 Schreinen. Dort werden Ketsumiko no O-kami (im Kumano Hongu Taisha), Kumano Hayatama no O-kami (im Kumano Hayatama Taisha) und Kumano Fusumi no O-kami (im Kumano Nachi Taisha) verehrt; sie sind für Wohlergehen und Wohlstand allgemein und für Genesung von Krankheiten zuständig. Die dreibeinige Krähe begegnet einem auch im Morooka Kumano Jinja und im Kashihara-jingu  am Fuße des Berges Unebiyama in der Stadt Kashihara (Präfektur Nara), in letzterem als Shinshi des des Jimmu-tenno. Krähen findet man auch als Botentier im Suwa-Schrein von Shinano und im Hiyoshi-Schrein von Omi.
Den Japanischen Wolf (ausgestorben) gibt es am Mitsumine jinja in Chichibu, Saitama.

Abb.: Otsu, Hasen am Mio jinja

 

Abb.: Kaninchen am Okazaki jinja in Kyoto

Abb.: Kaninchen am Okazaki jinja in Kyoto


Literatur, Links und Quellen:
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13: 978-4093884785
Encyclopedia of Shinto:
http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=18
Shinshi:
http://zekkeijapan.com/article/index/46/?language=en


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