Bernhard
Peter
Typisch
japanische Dinge (2): Tatami
Tatami-Matten sind der traditionelle Bodenbelag japanischer Innenräume. Diese Matten werden erstmals im 712 verfaßten Kojiki ("Aufzeichnungen alter Geschehnisse") erwähnt, einer Überlieferung, die die Mythologie und legendäre Frühgeschichte Japans beschreibt. Ursprünglich war eine Tatami ganz früher einmal eine als Bettunterlage genutzte Einzelmatte (Okidatami), und daraus entwickelte sich ab der Kamakura-Zeit der Fußbodenbelag, um auch das Leben im Haus, das weitgehend stuhlfrei auf dem Boden stattfand, angenehmer und weicher zu gestalten. Seit der Muromachi-Zeit wurden dicht an dicht gelegten Matten (Shikidatami) auf dem gesamten Fußboden Standard. Die Dicke der Matten und damit ihre Bequemlichkeit entsprachen dem sozialen Stand und der Wohlhabenheit der Hausbesitzer.
Sie werden aus Reisstroh angefertigt. Da die Oberfläche solcher Matten recht empfindlich ist, dürfen sie nur barfuß oder mit Strümpfen betreten werden, auf gar keinen Fall mit Schuhen, auch nicht mit Hausschuhen. Auch wenn die wenigsten Japaner heute in traditioneller Holzarchitektur wohnen, so richten sie sich in ihren Wohnungen meistens mindestens ein Zimmer traditionell mit Tatami-Matten und weiteren typischen traditionellen Wohnelementen ein, wobei ein solches Zimmer Washitsu genannt wird und gerne zum Empfang von Besuch genutzt wird. Die Tatamis sind private Lebensfläche der Japaner; in ihrem traditionellen Lebensstil wird darauf gearbeitet, gegessen und geschlafen. Die Tatamis dienen als Sofa, Tisch und Bett, denn nachts rollt man den Futon auf den Matten ohne weitere Unterlage aus. Sie schaffen durch ihre Fähigkeit, Feuchtigkeit zu absorbieren, ein angenehmes Raum- und Schlafklima. Im Winter bieten die Matten eine gute Wärmeisolierung auf dem meist nur aus Brettern bestehenden Boden traditioneller Häuser. Dieser Bodenbelag besticht durch die Kombination aus haptischer Wahrnehmung, optischer Schönheit und dem besonderen Duft wie nach frischem Heu.
Eine Standard-Tatami-Matte ist einen Ken lang und einen halben Ken breit. Nur - je nach Region ist ein Ken unterschiedlich lang. Die Maße einer Tatami-Matte variieren dadurch je nach Region: In Nordjapan mißt eine Matte 91 cm × 182 cm, in Ostjapan (mit Tokyo) 88 cm × 176 cm (Kantou-ma), in Westjapan (mit Kyoto) 95,5 cm × 191 cm (Kyou-ma, Kyoumadatami), wohingegen die heutige Standardgröße für Wohn- und Bürogebäude 85 cm × 170 cm beträgt und damit einer Fläche von 1,45 Quadratmeter entspricht. Immer ist das Verhältnis aus Breite und Länge aber 1:2. Die Dicke beträgt standardmäßig 5,5 cm.
Eine Tatami-Matte wird durch die Standardisierung der Größe und ihr exaktes 1:2-Verhältnis der Seitenlängen zum architektonischen Modul, denn die Größe von Räumen wird nach Tatami-Matten bemessen. Das bedeutet, daß Tatamis als Flächenmaß genutzt werden können, denn typische Zimmer sind 6, 8, 10, 12 ... Matten groß. Ein Standardzimmer besitzt 10 Tatami-Matten, ist z. B. 2 Mattenlängen breit und zweieinhalb Mattenlängen lang. Nur für die kleinen Teeräume gibt es das Sondermaß 4,5 Matten; solche Räume werden als yojouhan bezeichnet. Dieses Maß hat seine Ursache in der abergläubischen Vermeidung der Zahl Vier (4 = shi = Tod). Diese Flächeneinheit "Matte" spricht man "jou" aus - es ist dasselbe Kanji-Zeichen wie für "Tatami". Ein 20 Matten-Zimmer wäre also 20 jou oder ca. 29 Quadratmeter groß.
Eine Tatami-Matte besitzt einen Kern aus fest zusammengebundenem Reisstroh (Tatami-Doko). Darauf kommt oben und unten eine Binsenmatte (Tatami-Omote), die aus Stengeln der Flatterbinse (Juncus effusus) gewebt wird. Seitliche Baumwollbänder (Tatami-Beri) fixieren an den Längsseiten das Sandwich, wobei die Qualitätsunterschiede der Matten auch durch die Kunstfertigkeit dieser gewebten Bänder deutlich werden: Bessere Matten nehmen Damast- oder Brokatbänder. Moderne Tatami-Matten können einen Kern aus Schaumstoff zwischen zwei Reisstrohlagen haben. Fabrikneue Tatamis sind heuartig graugrün und werden mit dem Alter zunehmend strohgelb.
Besonders kompliziert ist das System der Matten für Teehäuser bzw. Räume für die Teezeremonie (Chashitsu): Die Matte, über die der Gastgeber eintritt, heißt Fumikomidatami. Wo der Gastgeber sitzt, wird die Matte Shudatami, Temaedatami oder auch Dougudatami genannt. Der Gast hingegen sitzt auf der Kyakudatami, die sich hinter dem vom Gast benutzten Eingang befindet. Ist es ein Angehöriger des Adels, sitzt er auf der Kinindatami, die, wenn diese wie üblich vor der Tokonoma plaziert ist, auch Tokomaedatami genannt wird. Die Matte im Zentrum ist die Rodatami. Die Matte, auf der sich die Tee-Utensilien befinden, wird Dougudatami genannt, und auf ihr sitzt der Gastgeber bei der Zubereitung des Tees.
Kyoto, im Tempel Kennin-ji
Kyoto, im Tempel Kennin-ji
Literatur,
Links und Quellen:
Nicholas Bornoff, Michael
Freeman: Things Japanese - Everyday Objects of Exceptional Beauty
and Significance, 143 S., Verlag Periplus, 2014, ISBN-10:
480531303X, ISBN-13: 978-4805313039, S. 24-25
Tatami: https://de.wikipedia.org/wiki/Tatami
Tatami: ttps://www.japanwelt.de/tatami/tatami-matten/
Jaanus- Dictionary of Japanese Architectural and Art Historical
Terminology compiled by Dr. Mary Neighbour Parent: http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/, insbesondere: http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/t/tatami.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/t/temaedatami.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/d/dougudatami.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/f/fumikomidatami.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/k/kinindatami.htm - http://www.aisf.or.jp/%7Ejaanus/deta/k/kyakudatami.htm
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