Bernhard
Peter
Typisch
japanische Dinge (14): Torii
Ein Torii ist ein typisches Merkmal eines Shinto-Schreines. Es handelt sich dabei um ein symbolisches Einzel- oder Außentor eines Schreines, das einen heiligen Bezirk von der profanen Welt abgrenzt. In der Regel steht das dachlose Tor frei, besitzt keine Torflügel und ist auch nicht in einen beiderseits angrenzenden Bretterzaun eingebunden, hat also keine tatsächlich physisch abschließende Funktion. Größere und bedeutendere Schreine besitzen mehrere Torii. Dabei ist das äußerste Torii (ichi no torii, erstes Tor) stets das höchste und größte. Für die Besucher markiert ein Torii einen symbolischen Übergang in einen heiligen Bezirk, deshalb halten Gläubige dort inne und verbeugen sich. Ein echtes Tor vom Typ eines ein- oder zweistöckigen Mon kann weiter innen im Schreinbezirk folgen. Innerhalb eines weitläufigen Schreinbereiches können weitere Torii den Übergang in einen Unterbereich markieren. Auch in manchen buddhistischen Tempelanlagen befindet sich auf dem Gelände ein Schrein; auch der Zugang zu einem solchen wird mit einem Torii markiert. Das Material eines Torii ist meistens Holz, aber es gibt auch solche aus Stein oder Zement. Holztore werden häufig zinnoberrot angestrichen. Torii sind so sehr mit Shinto-Schreinen assoziiert, daß sie auf japanischen Karten generell zur Markierung von Schreinen verwendet werden.
Die Pfosten eines Torii nennt man Hashira (= Pfosten, Säule). Zum Tor werden die Pfosten, indem ein Kasagi (wörtlich: Schirmholz) obendrauf kommt, ein oberer, kräftigerer Quersturz, der oben auf den beiden Hashira aufliegt und sie verbindet. Ein zweiter Quersturz, der ohne Lücke an der Unterseite des Kasagi entlangläuft und die Konstruktion verstärkt, wird Shimaki (wörtlich: Inselholz) genannt. Ein zweiter, schwächerer Quersturz, der etwas weiter unten die beiden Hashira verbindet und die Konstruktion versteift, hat eine deutliche Lücke zum Kasagi und verläuft gerade - das Element wird Nuki genannt (wörtlich: Durchstecher). Das letzte konstruktive Element eines Torii ist eine kurze vertikale Mittelstrebe, die Kasagi oder Shimaki mit dem Nuki verbindet, das Teil wird Gakazuka genannt (wörtlich: Rahmenbündel). Keile (Kusabi, wörtlich: Verbindung) halten den Nuki an Ort und Stelle. Unter dem Shimaki ist manchmal eine kapitellartige Verdickung, das ist der Daiwa (wörtlich: Basiskreis). Die vertikalen Pfosten stecken manchmal an ihrer Basis in einer farblich abgesetzten Hülse, diese wird Nemaki genannt (wörtlich: Wurzelrolle). Stehen die Pfosten nur auf einer flachen, konvexen Steinplatte, wird diese Kamebara genannt (wörtlich: Schildkrötenbauch) oder Dai-ishi (wörtlich: Basisstein).
Ein Torii ist nicht nur ein architektonischer Grundtyp, der zu jeder Schreinanlage gehört und eine Funktion im Kontext der Anlage hat, sondern auch ein Votiv-Objekt. Torii können als Votivgaben in Massen auftreten. Das berühmteste und extremste Beispiel ist der Fushimi Inari Taisha in Kyoto, wo die von Privatpersonen oder Unternehmen gespendeten Torii in engen Abständen hintereinander aufgereiht die Wege und Treppenanlagen bis auf den Berggipfel säumen und lange, gewundene Korridore bilden. Insgesamt ist ihre Anzahl auf den 4 km lagen Wegen leicht fünfstellig. Bergseitig sind die zinnoberrot lackierten Torii mit vertikalen schwarzen Schriftzeichenreihen beschriftet, um an die Stiftung zu erinnern (3. Abb.). Eine solche Reihe von Torii nennt man Senbon torii. Weiterhin können kleinere, lose Torii als Votivgaben gekauft und am passenden Ort niedergelegt werden (2. Abb.), wobei es jede Größe zu jedem Geldbeutel passend gibt, so daß die einzelnen kleinen Nebenschreine sowohl festinstallierte große Torii besitzen als auch jede Menge lose abgelegter kleinerer Modelle.
Weiterhin werden Torii auch alleine verwendet, um einen heiligen Platz des Shintoismus zu markieren, z. B. auf Bergen, auf großen Felsen, an Wasserfällen oder an anderen beeindruckenden Naturformationen, die so viel Schönheit ausstrahlen, daß man davon ausgeht, daß Kami hier ihren Sitz haben, und diese Orte deswegen als heilig verehrt.
Trotz der einfachen und nur aus wenigen Teilen bestehenden Bauart haben sich mehrere stilistische Varianten entwickelt. Die häufigste und eleganteste Form eines Torii, die auch unten auf den Abbildungen zu sehen ist, ist die eines Myojin torii (Myoujin torii): Die beiden Enden des Kasagi sind leicht nach oben gebogen, mit einem Shimaki darunter. Kasagi und Shimaki sind an den Enden leicht einwärts schräg geschnitten. Das Nuki steht beiderseits der Hashira über. Der Durchgang quadratisch bis trapezoid. Ein Gakazuka ist vorhanden. Keile (Kusabi) halten die Querverstrebungen an ihrem Ort.
Abb.: Kyoto, Fushimi Inari Taisha, Torii am Eingang zum Schreinbezirk, im Hintergrund das eigentliche Tor (Mon).
Abb.: Kyoto, Fushimi Inari Taisha, Gruppe von Votiv-Torii jeder Größe am Berg
Abb.: Kyoto, Fushimi Inari Taisha, sich den Berg hinaufziehender Tunnel aus Torii, eine Treppenanlage einfassend
Das größte Torii Japans und der ganzen Welt steht übrigens vor dem Kumano Hongu Taisha in der Kleinstadt Hongu in der Präfektur Wakayama. Es mißt fast 40 m in der Höhe und 42 m in der Breite. Es wurde im Jahr 2000 aus Stahl erbaut. Seitdem ist das bis dahin größte Torii auf den Rang 2 verbannt, das erste Torii des Omiwa-Schreines in Sakurai in der Präfektur Nara. Es wurde 1984 erbaut und ist 32 m hoch, womit es jetzt das zweithöchste Torii im Land ist. Das bis 1984 größte Torii, nun Rang 3, steht in Tokyo vor dem Yasukuni-Schrein im Stadtbezirk Chiyoda, besteht aus Stahl und 25 m hoch. Es wurde 1921 erbaut, 1943 eingeschmolzen und 1974 wiedererrichtet. Der obere Querbalken ist 34 m lang. Es ist im Shinmei-Stil errichtet worden. Das größte aus Bronze gefertigte Torii Japans steht am selben Schrein hinter dem vorgenannten und wurde 1887 erbaut. Das viertgrößte Torii Japans steht im Süden vor dem Heian-jingu in Kyoto, besteht aus Stahlbeton und mißt 24,2 m Höhe und besitzt einen 33,9 m langen Querbalken. Alle genannten Torii sind nicht schön, aber riesig. Das größte hölzerne Torii Japans wurde 1920 aus dem Holz einer 1200 Jahre alten taiwanesischen Zypresse angefertigt und steht, 1966 durch Blitzschlag zerstört und 1975 wiederum mit einer taiwanesischen Zypresse erneuert, vor dem Meiji Schrein in Tokyo. Es ist 12 m hoch und 17 m breit; die Pfosten haben einen Durchmesser von 1,2 m. Es ist im Myojin-Stil erbaut worden.
Daneben gibt es noch andere Bauweisen eines Torii: Ein Ise torii ist eine für den Schrein von Ise typische Form: Die Hashira sind nach innen geneigt, die Nuki stehen nicht über die Hashira über, und der schwere obere Balken hat einen fünfeckigen Querschnitt. Der obere Balken hat eine fast unmerklich konkave Oberkante. Die Enden sind schräg nach unten abgeschnitten. Ein Shinmei torii = Futabashira torii = ist ein Torii mit gänzlich geraden horizontalen Elementen. Davon gibt es mehrere Subtypen: Ein Kashima torii besitzt parallele, also genau vertikale Hashira, und kommt ohne Shimaki aus; der Kasagi ist rund und länger als der Nuki; es gibt auch keine Gakazuka. Ein Kasuga torii besitzt einwärts geneigte, also schräge Hashira, und ist mit einem Shimaki versehen; der Nuki steht beiderseits über die Pfosten über. Es gibt ein Gakazuka. Kasagi und Shimaki sind gerade abgeschnitten. Der simple Kuroki torii besitzt vier runde Elementen aus unbehandeltem Holz, ursprünglich sogar noch Stämme mit Rinde, und keine Neigung der Hashira. Der Hachiman torii ist die letzte Unterart eines Shinmei torii mit einwärts geneigten, also schrägen Hashira, mit Shimaki. Der Nuki ist quadratisch im Querschnitt und steht beiderseits über die runden Pfosten über. Es gibt ein Gakazuka. Kasagi und Shimaki sind schräg nach innen abgeschnitten.
Unter einem Shiromaruta Torii = Goryo torii (Goryou torii) = Shiroki torii = versteht man einen Eingang in Form eines Torii aus rohen, unbehandelten, unlackierten Stämmen am Eingang zu Gräbern der Kaiser bzw. der kaiserlichen Familie. Es wird der Typ Shinmei torii verwendet. Stößt ein Torii ausnahmsweise beiderseits an einen Bretterzaun und ist somit nicht nur ein symbolisches, sondern ein echtes, reales Tor, spricht man von einem Torii-mon, einem Schrein-Tor vom Typ eines Torii.
In der Regel ist ein Torii einteilig mit genau einem Durchgang, aber es gibt auch das Modell des Miwa torii = Mitsu torii = Sanko torii (Sankou torii), das ist ein Eingangstor zu einem Shinto-Schrein, das aus drei Abschnitten nebeneinander besteht: An ein zentrales Tor vom Typ Myojin torii (Myoujin torii), aber mit vertikalen Pfosten ohne Neigung, sind seitlich zwei kleinere Torii angebaut, die Waki torii = Eki dorii = Sode torii = seitliche Flügel oder Nebentore. Ein solches dreiteiliges Tor kann mit Türflügeln verschlossen sein. Ein hölzernes Beispiel eines dreiteiligen Torii steht beim Hibara Jinja, Nara-ken. Es beschützt den Zugang zum Berg Miwa. Ein dreiteiliges Torii ohne Türflügel steht im Westen Tokyos beim Mitsumine Jinja, Saitama-ken.
Eine Sonderform ist ein Mihashira torii mit drei Pfosten und triangulären Verbindungen, das durch seine Konstruktion das Tor-Prinzip ad absurdum führt. Ein steinernes Beispiel steht in Kyoto, das Sankei torii beim Konoshima Jinja.
Eine besondere Form ist weiterhin das Ryoubu torii mit parallelen Seitenteilen aus vier in Linie der Hauptpfosten davor und dahinter stehenden kurzen Nebenpfosten und verbindenden Horizontalelementen; zu diesem Typ gehört eines der berühmtesten und elegantesten Torii Japans, das im Wasser stehende hölzerne Torii vor dem Itsukushima-Schrein auf der Insel Miyajima (Präfektur Hiroshima), das es aufgrund seiner malerischen Position zu einem der bekanntesten Wahrzeichen Japans gebracht hat. Die Verstrebungen sollen das Tor gegen Wellenschlag und Tidenhub absichern.
Schließlich gibt es noch die Sonderform eines Shimetorii, bei dem nur zwei Pfosten existieren, die oben durch ein Shimenawa, ein Götterseil verbunden werden. Vielleicht handelt es sich bei den wenigen existierenden Torii dieses Typs an sehr alten Schreinen um eine entwicklungsgeschichtliche Frühform eines Torii. Ein Beispiel steht am Omiwa-Schrein, Präfektur Nara.
Literatur,
Links und Quellen:
Japanische Architektur auf
JAANUS: http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/t/torii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/h/hashira.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/k/kasagi.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shimaki.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/m/myoujintorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/i/isetorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shinmeitorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/k/kashimatorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/k/kasugatorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/k/kurokitorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/h/hachimantorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shiromarutatorii.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/t/toriimon.htm - http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/m/miwatorii.htm
Kenji Kato: Shinto Shrine, Bilingual Guide to Japan, Nippan
Verlag 2017, 128 S., ISBN-10: 4093884781, ISBN-13:
978-4093884785, S. 14-16
Torii: https://de.wikipedia.org/wiki/Torii und https://en.wikipedia.org/wiki/Torii
Mori Mizue: Torii, in: Encyclopedia of Shinto http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=280
Torii - Markenzeichen der kami: http://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Anm_torii
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