Bernhard
Peter
Materialien
für Tsuba und anderen Schwertschmuck
Entwicklung
der Materialien und der Vorliebe für bestimmte Materialien:
Die Materialien (Jigane-Zairyo)
für Schwertschmuck, insbesondere die Tsuba,
wandelten sich im Laufe der Jahrhunderte. Eiserne Tsuba
der Frühzeit waren noch frei von Motiven und wurden oft einfach
zum Schutz lackiert oder mit Leder überzogen. Mit der Idee, die
Flächen einer Tsuba künstlerisch zu nutzen, wurde diese Methode
hinfällig, auch wenn für Kampfschwerter bestimmte Tsuba auch in
späteren Jahrhunderten noch so ausgeführt wurden, aber dies aus
rein praktischen Zwecken.
Der Wechsel des Materials
liegt auch in der zunehmenden Arbeitsteilung bei der
Waffenherstellung begründet. In den ersten Jahrhunderten der
Entwicklung der japanischen Schwertkultur lag die Schmiedearbeit
lag in den Händen der Schwertfeger und Plattner (=
Rüstungsschmiede). Erst im 11. Jh. sind Fälle bekannt, bei
denen Silberschmiede Tsuba aus vergoldeter Bronze herstellten.
Das vorherrschende Material war aber noch lange das Eisen. Erst
im Laufe der nächsten Jahrhunderte bildeten sich auf
Schwertzubehör spezialisierte Künstler heraus.
Als Ita-Tsuba
= Brett-Tsuba bezeichnet man Tsuba der Schwertfeger; sie bestehen
nur aus einem einfachen Stück Eisen. Dagegen waren die
Plattner-Tsuba besser geschmiedet, hatten größere
Durchbrechungen und mehr Verzierungen, dazu leichter.
Die im sog. Ko-Katchushi-Stil
= Waffenschmied-Stil angefertigten Tsuba sind einfache
Eisentsuba; sie sind dünn und wie Rüstungen gefertigt. Die
durchbrochenen Motive ähneln den Öffnungen der Kopfbedeckungen
der Rüstungen. Der Rand wird nach oben geschlagen und rund nach
unten als Rand umgelegt. Katchusi-Tsuba entsprechen den
Tosho-Tsuba, haben aber einen erhöhten und ausgearbeiteten Rand.
Im Ko-Tosho-Stil
gefertigte Tosho-Tsuba = Schwertschmiede-Tsuba
gab es von der Kamakura-Zeit bis in die frühe Muromachi-Zeit. I.
d. R. handelte es sich um Auftragsarbeiten, bei denen der
spätere Besitzer die Motive anläßlich einer Schwertbestellung
vorgab. Oft sind sie sehr dünn und aus sehr hartem Eisen. Wegen
des ständigen Hämmerns und Faltens bei der Herstellung entstand
sehr dunkles Eisen, das oft zusätzlich schwarz lackiert wurde.
Es handelt sich stets um extrem gute Eisenqualität. Tosho-Tsubas
wurden aber auch bis in die Edo-Zeit angefertigt und kopiert,
sind dann aber meistens dicker, kleiner und stärker
durchbrochen.
Weichmetall und
Metall-Legierungen fanden seit dem 15./16. Jh. eine weitere
Verbreitung. Es entstanden Arbeiten aus neuen Grundmaterialien
wie Yamagane (unreines Kupfer, sog. Bergmetall,
Bronze mit hohem Anteil unraffinierten Kupfers) und Shakudo
(Kupfer mit Goldzusatz). Im Kagamishi-Stil =
Spiegelmacher-Stil angefertigte, sehr frühe Tsuba, sind aus
Yamagane gegossen. Messing (Shinchu, in der
Edo-Zeit als Sentoku bezeichnet) wurde zunächst
noch nicht für den Grundkörper eingesetzt, sondern für Ein-
und Auflagen. Später reihte sich Messing ein in die Grund- und
Trägermaterialien.
Die zunehmende
Entwicklung der künstlerischen und gestalterischen Raffinesse
ging einher mit dem Einsatz des ganzen metallurgischen
Repertoires. Beflügelt wurde diese Entwicklung im 16. Jh. durch
die Entwicklung besonders reich gestalteter Tsuba für
Zeremonialschwerter. Während in der Zeit der innerjapanischen
Kämpfe nie der praktische Aspekt außer Acht gelassen wurde,
schwang das Pendel nach der Beendigung der Bürgerkriege in die
andere Richtung aus, und Tsuba erhielten ihre Bedeutung vorrangig
nicht mehr als Handschutz, sondern als Schmuckelement, und vom
17. - 19. Jh. fand die Vorliebe für das Dekorative ihren
Höhepunkt.
Begleitend mit diesem
Bedeutungswandel verkomplizierte sich die Materialzusammensetzung
des Dekors im 18./19. Jh. Die Mode der Zeit war die Erzeugung
farbiger Bilder durch Kombination mehrerer Metall-Arten, um durch
unterschiedliche Farbabstufungen malerische Effekte zu erreichen.
Diese Technik nannte man Iro-e = farbige Bilder.
Grundmaterial waren neben Eisen auch Shibuichi
(Kupfer mit Silberzusatz) und Sentoku (Messing).
Die Reliefdarstellungen der Trägerplatte aus diesen Materialien
wurden teilweise noch versilbert oder vergoldet. Die Skala der
Dekormöglichkeiten wurde schließlich noch mit Email-Einlagen (Shippo
= Cloisonné) und Perlmutt ergänzt. Mit der Hinzunahme dieser
nichtmetallischen Materialien, die mangels Schlagfestigkeit für
den kämpferischen Gebrauch völlig ungeeignet waren, war der
Übergang zum rein Dekorativen vollständig vollzogen.
Eisen
als Material:
Tetsu =
Stahl, häufigstes Grundmaterial für Tsuba. Selten wurde eine
frisch geschmiedete Eisentsuba als blanke Oberfläche belassen.
Diverse Oberflächenbehandlungen dienen der Erzeugung einer
kastanienbraunen bis dunkelvioletten Färbung (Magnetiterzeugung
auf der Oberfläche) oder auch einer rostroten Färbung. Ziel war
es, durch forcierte Oxidation schnell eine kompakte Schicht
harter Eisenoxide zu erzeugen, um das langsame, aber
kontinuierliche Rosten zu vermeiden.
Spezielle Eisen-Techniken
und -Stile:
- Mokume-Tetsu = Stahl
mit angeätzter Oberfläche ähnlich Damaszenerstahl, die
Oberfläche lebt durch die reliefartige Betonung
einzelner Korngrenzen
- Kanayama-Tsuba:
typisch für diese Schule sind die Tekkotsu
= sichtbare Einschlüsse im Eisen; diese sind entstanden
durch Beimengung verschiedener Eisenqualitäten ->
Tiefenwirkung der Oberfläche. Nur in der Muromachi- und
der Momoyama-Zeit vorkommend. Meist mit großen
Durchbrechungen, wirken elegant und zerbrechlich.
Entspricht einer damals langen Friedenszeit.
- Namban-Tetsu =
Importstahl "von den südlichen Barbaren",
danach auch der Namban-Stil = Stil der südlichen
Barbaren (Portugiesen, Holländer). Der Begriff übertrug
sich auf importiertes Eisen von großer Härte.
Buntmetalle:
Kinko =
Buntmetall oder Legierung aus Buntmetallen
- Kin = Gold
- Gin = Silber
- Do = Kupfer
- Akagane =
Kupfer, wörtlich: rotes Metall, hat nach Beizen
ein gedämpftes Fuchsrot
- Suaka =
gereinigtes Cu von stark rötlicher Farbe, ohne
weitere Zutaten. Su = rein, Aka siehe Akagane,
also reines rotes Metall.
- Shudo = rotes
Kupfer = Hiiro-do =
scharlachrotes Kupfer, wobei der leuchtend rote
Effekt durch Beizen zustandekommt. Polieren der
Oberfläche führt zu einem Aussehen wie Suaka.
- Ro = Zinn, Lötzinn,
Zinn-Blei-Mischungen in verschiedenster Zusammensetzung,
nur als Beimischung zu Kupfer
- Shirome = Zinn mit
Beimengungen, nur als Beimischung zu Kupfer
Legierungen:
- Hauptbestandteil = Gold:
- Akakin =
Rot-Gold, Kupfer-Gold, besteht aus Au und Cu und
25-50% weiteren Beimengungen. Wurde jedoch selten
verwendet, da man die gleichen Farbeffekte mit
anderen Legierungen billiger hinbekommen konnte.
- Aokin =
Blau-Gold, Gold-Silber-Legierung mit 20-50%
Silberanteil, weicher als Akakin und leichter zu
bearbeiten
- Hauptbestandteil = Kupfer:
- zweitwichtigster Bestandteil =
Gold
- Shakudo
= wörtlich Rotkupfer, Synonyme: U-kin
(Raben-Gold), U-do
(Raben-Kupfer), 93-98% Kupfer + 2-7%
Gold, ergibt nach Beizen ein leuchtendes
Kohlrabenschwarz, alternativ eine tief
blauschwarze oder violett-schwarze
Färbung durch Ätzung in einer heißen
Salzlösung. Top-Skakudo hat 5% Au und
95% Cu, gutes Shakudo 3% Au, 97% Cu,
mittelmäßiges Shakudo hat auch mal 2%
Au, 2,9% As, 95% Cu. Die Kombination von
3% As mit 97% Cu wird Kuromido genannt.
Je geringer der Au-Anteil, desto brauner
nach Beize, je höher der Goldanteil,
desto schwärzer nach Beize. Wegen des
schwarzblauen Glanzes ergab sich der
Bezug zu Rabenfedern in den
Alternativnamen. Shakudo ist neben Eisen
und Shibuichi eines der am häufigsten
für Schwertschmuck verwendeten
Materialien und das am häufigsten
verwendete Kinko-Material.
- Einteilung
nach exakter Menge des
Goldanteils:
- Hachibu-Zashi
= 8% Gold, wörtlich 8%
Zugabe
- Gobu-Zashi
= 5% Gold, wörtlich 5%
Zugabe
- Sanbu-Zashi
= 3% Gold, wörtlich 3%
Zugabe
- Einteilung
nach Qualität (= Sho) des
Shakudo:
- Goku-sho
= höchste Qualität
- Chu-sho
= mittlere Qualität
- Murasaki
gane = Purpurfarbenes
Shakudo besitzt 15% Au und 85% Cu
und ist das mit dem
allerhöchsten Goldanteil.
- zweitwichtigster Bestandteil =
Silber
- Oborogin
= bevor sich der Name Shibuichi
durchsetzte, war der Name Oborogin (auch:
Rogin) gebräuchlich.
Wörtlich bezeichnet das ein stumpfes,
dunkles Silber wie von einem
verschleierten nächtlichen Mond. Es
handelt sich um eine
Kupfer-Silber-Legierung, wobei
typischerweise ein geringerer
Silberanteil enthalten ist als bei
späten Shibuichi.
- Shibuichi
= Viertelsilber, 95-75% Kupfer + 5 bis zu
25% Silber. Wörtlich heißt Shibuichi =
¼ und bezieht sich auf das idealtypische
Mengenverhältnis Cu 75% und Ag 25%. Wie
auch bei Shakudo variiert das
tatsächliche Mengenverhältnis jedoch
erheblich. Nach Beizen sind je nach
Zusammensetzung der Legierung viele
Effekte möglich: Die Farbtöne variieren
von dunkelolivbraun (wenig Ag) über
silbergrau bis zum blassen Farbton
oxidierten Silbers (viel Ag). Shibuichi
ist neben Eisen und Shakudo eines der am
häufigsten für Schwertschmuck
verwendeten Materialien und das am
zweithäufigsten verwendete
Kinko-Material. Seinen Siegeszug trat
dieses Material in der zweiten Hälfte
der Edo-Zeit an und ist vorher eher
selten anzutreffen. Im Vergleich zu
Shakudo ist Shibuichi härter.
- Shiro
Shibuichi = Weiß-Shibuichi,
Kupfer mit Silberanteil > 40%,
typischerweise 60% Ag und 40% Cu oder 50%
Ag und 50% Cu.
- Kuro Shibuichi
= Schwarz-Shibuichi, Legierung
von 80-60% Shakudo und 20-40% Shibuichi.
Das resultiert dann insgesamt in 1,8-2,4
% Au, 5-10% Ag, Rest Cu.
- zweitwichtigster Bestandteil =
Zink und/oder Zinn
- Yamagane
= Bronze, sog. Bergmetall, keine
absichtlich und kontrolliert hergestellte
Legierung, sondern eine eher unreine
Mischung, entsprechend variabel in der
Zusammensetzung, von grüner bis
braunschwarzer Patina, typischerweise 93%
Cu, 2% Zn, 1% Sn, 2% Pb
- Sentoku
= Messing- Varietät, frisch hellgelb,
aus Cu, Sn, Pb, Zn, je nach Beizen:
gelblich bis bräunlich, auch Shinchu
genannt
- Shinchu =
siehe Sentoku, Messing, Cu + Zn, auch O-do
genannt, Gelb-Kupfer
- Seido
= Bronze, wörtlich blaues
Kupfer, besteht aus Cu und Sn,
identisch mit Karakane. Wenn patiniert,
schwer von Yamagane zu unterscheiden.
- Karakane
= Bronze, wörtlich Metall aus
China, China-Metall, besteht aus Cu
und Sn, identisch mit Seido, von
dunkelgrünem Ton
- Nigurome
= Niguromi-do =
wörtlich ein schwärzliches Kupfer, eine
braunschwarze erscheinende
Kupferlegierung, die dunkler patiniert
als reines Kupfer, besteht aus 95-97%
Kupfer und 3-5% Lötzinn (Shirome, Zinn
mit Beimengungen). Die Übergänge zu
einem Shakudo schlechterer Qualität sind
fließend, und Niguromi-do wird diesem
oft beigemischt, hat aber einen
stärkeren Glanz.
- Sahari
= helle Glockenbronze, besteht
hauptsächlich aus Kupfer und Zinn,
typischerweise 87 % Cu, 9 % Sn, mit 4 %
Minderkomponenten Zn, Pb, Ag. Hat frisch
eine gelblich-weiße Farbe. Besonders ist
die Anwendung: Wegen des niedrigen
Schmelzpunktes der Mischung wird sie
erhitzt und in vorbereitete Aussparungen
der Trägerplatte gegossen
(Sahari-Nagashi, Sahari-Gießen). Deshalb
sind beim Abkühlen entstehende kleine
Bläschen typisch für die aus diesem
Material gemachten Oberflächen. Diese
Technik taucht besonders typisch auf sog.
Hazama-Tsuba auf.
- Hauptbestandteil = Silber:
- Shiro Shibuichi
= Weiß-Shibuichi, Kupfer mit Silberanteil >
40%, typischerweise 60% Ag und 40% Cu oder 50% Ag
und 50% Cu. Weil hier Silber zum Hauptbestandteil
werden kann, noch einmal separat unter dieser
Kategorie gelistet, ansonsten s. o. unter
Shibuichi.
Sonstige
Materialien:
- Shippo =
Emaille-Arbeit, Cloisonné
Komposit-Materialien:
- Mokume = Cu- und
Ag-Legierungen, manchmal auch Gold, werden
zusammengelötet, gefaltet, "geknüllt" wie bei
einer geologischen Faltung, dann glattgefeilt. Die
Oberfläche erscheint dadurch in verschiedenen
Legierungen gemasert. Zu Mokume-Tetsu siehe oben.
- Guri = Wie oben, nur
ohne Falten; mehrere verschiedene Lagen verschiedener
Metalle werden aufeinandergelötet oder geschmiedet.
Dieses Metall-Sandwich wird mit tiefen, V-förmigen
Schnitten verziert. An den Schnittkanten ist die Abfolge
der Legierungen und Metalle wie geologische
Sedimentschichten in einem Canyon zu sehen.
Literatur,
Quellen und Links:
B. W. Robinson: The Arts of the Japanese Sword, Faber and Faber,
London 1970.
Lydia Icke-Schwalbe: Das Schwert des Samurai, Exponate aus den
Sammlungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Dresden
und des Museums für Völkerkunde zu Leipzig, Brandenburgisches
Verlagshaus, Berlin 1990, ISBN-10: 3327007357, ISBN-13:
978-3327007358
Steffi Schmidt, Peter Bausch: Japanische Schwertzierate 1: Tsuba,
Museumspädagogische Schriften des Ostasiatischen Museums in
Berlin-Dahlem, Nr 533 a, Staatliche Museen Preußischer
Kulturbesitz Berlin, 1976
Günther Heckmann: Tsuba. Band I der Japan-Edition aus dem H.U.B.
Verlag, Nürtingen 1995, 176 S., Farbabbildungen von über 145
Tsuba in Originalgröße mit Vorder- und Rückseite, ISBN
3-931150-00-3.
Günther Heckmann: Kodogu. Band II der Japan-Edition aus dem
H.U.B. Verlag, Nürtingen 1996, 264 S., Farbabbildungen von über
200 Menuki, Fuchi-kashira, Kozuka und Kogai in Übergröße
1,3:1. ISBN 3-931150-01.1.
Markus Sesko: Handbook of Sword Fittings related Terms, Verlag:
Books on Demand, 1. Auflage 2011, ISBN-10: 3842364229, ISBN-13:
978-3842364226
Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home
©
Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard
Peter 2015
Impressum