Bernhard
Peter
Kyoto:
Kongo-ji (Yasaka Koshin-do)
Lage
und Erreichbarkeit
Dieser kleine Tempel namens
Kongo-ji (Yasaka Koushindou) liegt in Higashiyama, ca. 50 m
südwestlich der Yasaka-Pagode. Dieses Stadtviertel wird über
die Hauptverkehrsachse Higashi-oji Dori erschlossen, von dort
biegt man ostwärts am Laden Honke Yatsuhashi Yasaka in die
Yasaka Dori ab und findet nach 145 m den Eingang zum Tempel
rechterhand. Der Tempel (Adresse: 390-1, Kinen-cho,
Higashiyama-ku, Kyoto) wird am besten mit dem Bus erreicht, ab
Hauptbahnhof (Kyoto eki) kommen die Buslinien 206, 207 und 202 in
Frage. Die sinnvollen Haltestellen zum Aussteigen heißen
Higashiyama-Yasui, Higashi-oji-dori oder am besten
Kiyomizu-michi. Der Tempel liegt an einer von vielen Touristen
frequentierten Route durch Higashiyama, entsprechend voll ist der
für seine farbenfrohen Devotionalien berühmte und nicht sehr
große Hof des Tempels. Meist besucht man ihn im Verbund mit
anderen Sehenswürdigkeiten wie dem Kodai-ji und / oder dem
Kiyomizudera. Die Dichte an aufgebrezelten Klischeetouristinnen
in geliehener Yukata, die sich im klappernden Schlurfgang bewegen
und ein Selfie nach dem anderen für Instagram schießen, ist
hier entsprechend hoch. Wer sich an ihnen erfreuen will, ist hier
genau richtig. Der Eintritt ist frei.
Geschichte
und Bedeutung
Mit vollem, offiziellen Namen heißt der Tempel Daikokusan
Kongo-ji Koshin-do. Kongo-ji bedeutet "Tempel des Shomen
Kongo" (Shoumen Kongou), und Koshin-do bedeutet "Halle
des Koshin". Die synkretistische Gottheit Shomen Kongo, auch
als "grüngesichtiger Vajra" bezeichnet, wird auch
Koshin-san genannt. Im Koshin-Glauben (Koshin Shinko) verbinden
sich Elemente des Shintoismus, des Buddhismus und auch des
Taoismus miteinander. Dazu müssen wir etwas weiter in der
Mythologie ausholen:
Es gibt einen bestimmten kritischen Tag im chinesischen 60er-Zyklus, den Koshin-Tag (Koushin). Es ist der Tag mit der Wandlungsphase "Metall" und dem Tierkreiszeichen "Affe", oder salopp: Der Tag des Metall-Affen, der 57. Tag im 60er-Zyklus. Gemäß der traditionellen chinesischen Medizin wird der menschliche Organismus von vielen Geistwesen bewohnt. Es gibt darunter drei im menschlichen Körper existierende oder parasitär lebende Gewürme (Sanshi = die drei Würmer, taoistische Geistwesen), die fein säuberlich auf ihren Schriftrollen Notizen führen und in der Koshin-Nacht, also der Nacht des 57. Tages (Grund unbekannt), bei den Göttern über die Menschen petzen gehen, was sie alles angestellt haben. Wenn man zu viel Schlechtes getan hat, kann das durchaus mit Krankheit oder einer Verkürzung des Lebens bestraft werden. Die Menschen versuchten daher natürlich, negative Berichte zu verhindern, z. B. durch gesellig durchwachte Nächte jeweils in der betreffenden Koshin-Zeit. Das nannte man Koshin-machi, Koshin-Wache.
Der Buddhismus deutete den Kult um: Das Spionieren und das anschließende Petzen über die Menschen diente der Vergeltung über den Weg des Karma, und man schuf eine buddhistische Wächtergottheit, eben jenen Shomen Kongo. Dieser war ursprünglich ein Diener des Gottes Indra und wurde nun zum Zentrum des Koshin-Kultes gemacht, und durch entsprechenden Kult versuchten die Menschen nun, die Berichte der drei Gewürme aus ihrem Innersten zu beeinflussen. Man betete fortan zu Shomen Kongo, den Berichten des Gewürms keine Bedeutung beizumessen und das eigene Leben bitteschön unbehelligt von Vergeltung, Krankheit und Tod zu lassen. Oder anders ausgedrückt: Man war sich vollends der eigenen Handlungen bewußt und betete, daß es keine Konsequenzen haben möge. Das mit dem Gewürm trat zunehmend in den Hintergrund, und statt dessen traten seit der frühen Edo-Zeit (vorher keine Verbindung belegt) die drei Affen in den Vordergrund, die aus der Bezeichnung des Tages abgeleitet sind, dem Tag des Metall-Affen. Die drei Affen wurden zu Begleitern der meist grimmig dargestellten Wächtergottheit.
Koshin-san, der denen hilft, die nach dem Guten streben, und diejenigen bestraft, die Schlechtes tun, wurde nun der Herr der "drei weisen Affen", Mizaru, Kikazaru und Iwazaru. Das Motiv der drei Affen (sanzaru/san-en oder sanbiki no saru), die für den Wunsch "nichts Schlechtes sehen, nichts Schlechtes hören, nichts Schlechtes sagen" stehen, begegnet uns im Tempel mehrfach. Mizaru ist der Affe, der sich die Augen zuhält, Kikazaru derjenige, der nichts hören will, und Iwazaru hält sich den Mund zu. Die Verbindung zu den Affen entsteht durch eine linguistische Anspielung, denn "zaru", eine Verneinung einer Tätigkeit, klingt ähnlich wie "saru", Affe. Diese drei Affen bekamen jetzt Aufgabe, an den Kalendertagen des Metall-Affen den Göttern über die Menschen zu berichten, oder aus Sicht des Menschen besser NICHT zu berichten.
Und den menschenähnlichen Affen konnten bildlich genau die Tätigkeiten zugewiesen werden, die man sich wünscht: Die drei sollen ja nichts Schlechtes wahrnehmen und schon gar nicht an Shomen Kongo weiterpetzen. Die Wurzel der drei Affen ist also gar nicht der weise und moralisch hochwertige Grundsatz "Nichts Schlechtes sehen, nichts Schlechtes hören, nichts Schlechtes sagen", wie wir das heute gerne im konfuzianischen Sinne (Analekten: "Nichts schauen, was nicht sittlich ist, nichts hören, was nicht sittlich ist, nichts sagen, was nicht sittlich ist, nichts tun, was nicht sittlich ist") interpretieren, sondern das schlechte Gewissen des Menschen und der stille Wunsch, seinen Lastern nachgehen zu können, ohne daß es weitergepetzt wird oder unangenehme Folgen hätte. Und durch die linguistische Assoziation war so mit den Affen ein Symbol mit vielen Bedeutungsebenen gefunden worden: Der Affe ersetzte das Gewürm und hatte die Vorteile, daß er sowohl den Tag als auch das Nichttun darstellerisch und linguistisch assoziieren konnte. Und so entstand der Kult um Koshin-san, den Herrn der drei Affen (wörtlich bedeutet Koshin-san "Herr über das Metall-Affen-Jahr"). Das wiederum führte zur Verbreitung des Motivs der drei weisen Affen in Kunst und Kult, während die Wurzeln des Kultes, die im regelmäßig petzenden Gewürm liegen, nach der Edo-Zeit immer mehr in Vergessenheit gerieten. Und neben dieser Verbindung aus Taoismus und Buddhismus trat noch als dritte Komponente der Shintoismus, weil Shomen Kongo bereits in der vormodernen Zeit auch mit Riten des Shintoismus verehrt wurde. Aber nach den Meiji-Reformen wurde der Koshin-Kult als Volksglauben zum Aberglauben herabgestuft und versank in der Vergessenheit. Die drei Affen als Symbol blieben, auch wenn kaum noch einer ihren Ursprung kennt.
Goshuin des Kongo-ji (Yasaka Koshindo) in Kyoto, Datum rechts unten als Stempel: 27.8.2019. Der zentrale rote Stempel zeigt die drei Affen, Ausschnittsvergrößerung rechts.
Rundgang
und Beschreibung
Das zinnoberrot gestrichene Tor des Tempels, dessen Wurzeln bis
in die Heian-Zeit reichen, befindet sich im Norden der Anlage,
die Haupthalle im Süden. An der Ostseite liegt das Tempelbüro,
wo Goshuin gewährt und Devotionalien verkauft werden. Der Tempel
ist berühmt für seine bunten Kukurizaru, das sind kleine
ballartige Stoffkugeln in allen möglichen Farben, die am
Devotionalienladen erworben werden, mit Wünschen beschriftet und
an den einschlägigen Stellen angeknüpft werden, so daß lange
Ketten dieser bunten Gebetsvehikel zu Bergen bunter Kugeln
anwachsen. Jede Kugel steht für einen an diesem Tempel
vorgebrachten Wunsch, auf dessen Erfüllung der Schreiber hofft,
so wie man das an anderen Glaubensstätten mit den Ema tut. In
Wahrheit ist es im Koshin-Kult aber noch etwas umständlicher:
Man schreibt auf die Kugel ein (schlechtes) Verlangen, das man
zur Erfüllung eines (guten) Wunsches aufgeben möchte.
Koshin-san nimmt das Verlangen und gewährt den Wunsch und hilft
so den Menschen, besser zu werden. Es ist also das Opfern eines
Verlangens, um im Gegenzug einen Wunsch erfüllt zu bekommen.
Eigentlich stellen diese Kugeln die oben erwähnten Affen dar,
mit zusammengebundenen vier Zipfeln für Hände und Füße, und
"Kukurizaru" bedeutet "gebundene Affen". Das
Zusammenbinden der vier Extremitäten ist eine Art Kontrolle
über die Affen. Diese überwältigende Vielzahl bunter Behänge
macht den kleinen Tempel zu einem der meistphotographierten in
Higashiyama.
Zentral im Hof steht ein kleines, vorne offenes Gebäude mit einer Figur des Koshin-san im Inneren. Die Wände sind an den drei anderen Seiten so dicht mit Schnüren aus Kukurizaru behängt, daß man schon sehr genau in die Tiefe all der Buntheit schauen muß, um die Figur des Wächtergottes wahrzunehmen, die wie eine Jizo-Figur mit rotem Lätzchen und ebensolchem Mützchen ausgestattet ist. Linkerhand geht es zum Devotionalienverkauf, wo man die vorbereiteten, handgefertigten, aber noch unbeschrifteten Kukurizaru erwerben kann. Wenn man die Vielzahl sieht, ein einträgliches Geschäft mit der Photogenität des kleines Tempels: Die Betreiber verdienen sich vermutlich mit den farbenfrohen Gaben und der Berühmtheit der Lokalität eine goldene Nase.
Weiter hinten im Süden steht die eigentliche Haupthalle (Hondo) des Tempels, wo sich in der zentralen Öffnung auch eine geschnitzte Darstellung der drei Affen befindet. Beiderseits des Eingangs in die Halle ist alles vollständig von den Kukurizaru bedeckt, so daß die Affen kaum noch zu sehen sind. Auch wenn dieser Tempel meist wegen seiner überwältigenden Farbenfreude aufgesucht wird, besteht hier ein selten gewordener alter Volksglauben fort, und der Tempel ist einer der wenigen in Japan, in denen der alte Kult noch praktiziert wird, auch wenn den wenigsten Besucherinnen die Hintergründe bewußt sein dürften.
Die drei Affen begegnen uns noch mehrfach, z. B. auf einem Dachfirst sitzend, oder auf den Onigawara, den Endziegeln der Dachrippen der Haupthalle. Weiterhin sitzen sie als Stützen unter dem Bronzebecken für Räucherstäbchen vor dem Eingang der Haupthalle. Und man findet sie auf den Reliefflächen der Steinlaternen (Ishidoro). Das Symbol des Tempels, das auch auf den Papierlaternen zu finden ist, ist ein stilisiertes Kukurizaru, das wie eine Mondsichel aussieht, deren Spitzen sich berühren, mit mehreren angesetzten kleinen Halbkreisen. Auch in Holz geschnitzt kommt dieses Motiv vor. Wenn man genauer hinschaut und nicht nur auf die Yukata-gekleideten Besucherinnen achtet, die konzentriert ihre Kugeln mit Filzstift beschriften und dann unablässig Selfies vor dem bunten Hintergrund schießen, sind die drei Affen allgegenwärtig in diesem kleinen Tempel.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.998341,135.7787804,21z - https://www.google.de/maps/@34.998341,135.7787804,53m/data=!3m1!1e3
mythologischer Hintergrund: Bernhard Scheid: Affen, Würmer und
durchwachte Nächte. In: Religion-in-Japan: Ein Web-Handbuch.
Universität Wien, 2001: https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Mythen:Symboltiere/Drei_Affen?oldid=42799
die drei Affen bei Emil Schuttenhelm: https://www.three-monkeys.info/
die drei Gewürme: https://en.wikipedia.org/wiki/Three_Corpses
Koshin-Glaube: https://en.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dshin
die drei Affen: https://de.wikipedia.org/wiki/Drei_Affen
Tempel auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Yasaka_K%C5%8Dshin-d%C5%8D
Tempel auf Traditional Kyoto: https://traditionalkyoto.com/temples-shrines-and-palaces/temples/yasaka-koshin-do-2/
auf Sharing Kyoto: https://sharing-kyoto.com/see_yasaka-koshindo
auf Japankuru: https://www.japankuru.com/en/culture/e2215.html
auf Japan 365 days: https://www.japan365days.com/kyoto_yasaka_koshindo.php
auf Kanpai-Japan: https://www.kanpai-japan.com/kyoto/yasaka-koshindo
auf Jw-Webmagazine: https://jw-webmagazine.com/the-most-colourful-temple-in-kyoto-fdc601f69aed/
Tempel auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report279.html
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