Bernhard
Peter
Kizugawa
(Präfektur Kyoto): Joruri-ji
Lage
und Erreichbarkeit
Der Joruri-ji (Joururi-ji) ist
ein abgelegener Tempel in den bewaldeten Bergen nordöstlich von
Nara. Er gehört zur Stadt Kizugawa (Präfektur Kyoto) und liegt
ganz nahe an der Südgrenze der Präfektur Kyoto (Futaba 40,
Nishio Kamocho Kizugawa-shi, Kyoto-fu). Die nächste
Eisenbahnstation ist JR Kizu, wo die Kansai Main Line und die
Nara Line halten. Es gibt keinen sinnvollen Bus zum Tempel hoch.
Die Entfernung beträgt 7 km; der letzte Abschnitt ist bergig.
Entweder nimmt man sich ein Taxi, oder es wird ein sportlicher
Tag mit jeweils 1,5 h Hin- und Rückweg. Alternativ fährt man
nach Umsteigen von der Nara Line in Kizu mit der Kansai Main Line
weiter nach Osten zum Bahnhof Kamo, dann sind es nur noch 5 km.
Da kann man mit der Tono Line bis zur Haltestelle Joruri-ji mae
fahren. Am besten fährt man nach Nara selbst und nimmt entweder
an JR Nara oder Kintetsu Nara den dort verkehrenden Expreß-Bus
zum Joruri-ji, der für die Strecke ca. 1/2 h braucht und nur ca.
1x pro Stunde fährt. Dieser Tempel ist aufgrund des Aufwandes
nur etwas für wirkliche Tempelliebhaber, dafür ist hier
garantiert kein Massentourismus, und man bekommt wunderbare alte
Bausubstanz und wertvolle Skulpturen zu sehen sowie einen der
wenigen erhaltenen, in der Heian-Zeit angelegten Paradiesgärten.
Dazu bilden ländliche Abgeschiedenheit, historische Gebäude und
gestaltete Natur eine schöne Einheit. Den Besuch des Joruri-ji
kann man gut mit dem des Gansen-ji kombinieren (Kaminomon 43,
Kamocho Iwafune, Kizugawa-shi, Kyoto-fu), 1,3 km Luftlinie nach
Nordosten oder 35 min. Fußmarsch über 2,2 km Straße, kein
sinnvoller Bus. Der Garten ist frei zugänglich, die Haupthalle
kostet Eintritt.
Geschichte
und Bedeutung
In diesem Odawara genannten Gebiet siedelten sich in der
Heian-Zeit asketische Mönche an und errichteten in den Bergen
Rückzugsorte. Bald bildeten sich zwei Zentren heraus, der
östlich in Higashi-Odawara gelegene und nicht mehr existierende
Zuigan-ji und der westlich in Nishi-Odawara gelegene Joruri-ji.
Der aus dem Taimadera stammende Mönch Gimei (Gimyo Shonin)
erbaute hier im Jahr 1047 (Eisho 2) einen kleinen überdachten
Pavillon, der zur Keimzelle des Tempels wurde, der zunächst
Nishi-Odawara-ji genannt wurde. Das Hauptkultbild war zunächst
ein Yakushi Nyorai (Medizin-Buddha, heilender Buddha). Davon
leitet sich auch der Name ab, denn das östliche Paradies, wo
Yakushi residiert, ist das des reinen Lapislazuli = Joruri.
Genau 60 Jahre später wurde die Haupthalle errichtet, und die neun Amida-Figuren wurden nun Hauptgegenstand der Verehrung. 1157 wurde die Haupthalle an ihren gegenwärtigen Ort versetzt; der vorherige Ort ist unbekannt. Der aus dem Kofuku-ji in Nara stammende Mönch Izu Sojou Eshin legte 1150 Teich und Garten an, und 1178 entstand der Glockenturm (Shoro). Ebenfalls 1178 kam die dreistöckige Pagode hierher, sie stand zuvor in Kyoto und wurde von Ichijo Omiya hierher transferiert. Kuri, Lehrhalle und weitere Gebäude entstanden in der Heian- und in der Kamakura-Zeit. Die Beziehung zum Kofuku-ji (Hosso-Schule) bestand fort, jedoch später wechselte der Joruri-ji die Richtung und wurde zum Shingon-Tempel, und er gehört dem Risshu-Zweig an. 1343 zerstörte ein Feuer alle Gebäude bis auf die separat stehende Haupthalle und die weit abseits stehende Pagode. Es war die Zeit, als sich nördlicher und südlicher Hof in Kriegen gegenseitig zerfleischten, und diese Region lag dazwischen.
Der Garten ist ein typischer Paradiesgarten im Gokuraku-Jodo-Stil, wie er in Amida-Tempeln angelegt wurde, mit einem großen Teich, der den Ozean symbolisiert, der Diesseits und Jenseits, Geburt und Tod trennt, und mit der Amida-Halle auf der Westseite, denn Amidas westliches Paradies wurde dort inszeniert. Der Gegenpol auf der anderen Seite, verkörpert durch die Pagode, ist das östliche Paradies des heilenden Buddha (Yakushi Nyorai). Die Insel in der Mitte des Sees stellt in diesem Kosmos die Erde dar. Der Gläubige geht zunächst zur Pagode und verehrt dort Yakushi und erfährt dort Linderung der Leiden und Heilung der Seele, dann wendet er sich um und erblickt am anderen Ufer des Sees jenseits der Insel seines Irdendaseins Amida, zu dem er nun betet, daß er ihn zu sich in sein Paradies aufnehmen möge. Wegen dieser strengen Ost-West-Ausrichtung sind die Tag- und Nacht-Gleichen im Frühjahr und Herbst besondere Tage, weil hier die Sonnenstrahlen des Morgens bei Sonnenaufgang direkt von Yakushi zu Amida herüberleuchten, und die Sonnengöttin sendet von einem zum anderen quasi eine Botschaft. Deshalb werden diese Tage auch "Higan" genannt, was so viel bedeutet wie "das andere Ufer".
Rundgang
und Beschreibung
Die Gebäudegruppe des
Joruri-ji (Joururi-ji) liegt im Nordwesten eines Sees, der den
größten Teil des Gartens (Joruri-ji-teien) einnimmt. Der Zugang
erfolgt über den Sando von Nordosten, wo sich das Tor San-mon in
einem rückspringenden Abschnitt der nördlichen Außenmauer
befindet. Gleich hinter dem Tor steht linkerhand der Glockenturm
(Shoro), eine schlichte Konstruktion aus vier tragenden Pfosten
und einem Satteldach. Noch weiter links liegt ein
Hortensien-Garten (Ajisai). Die erste große Halle zur Rechten
nach Betreten des Tempelgeländes ist der Kanjo-do (Kanjou-dou,
auch: Kancho-do) mit übereinander gestaffeltem Dach. Weiter nach
Westen schließt sich, mit letzterer durch ein Zwischenstück
verbunden, die Halle Motobo (Motobou) an.
Im Süden steht am Westufer des Gartenteiches das größte, älteste und wertvollste Gebäude, die 16,5 m breite und 33,8 m lange Haupthalle (Hondo, Hondou) mit einem Walmdach (Yosemune-zukuri), das in der Mitte der Ostseite über dem Aufgang rechteckig vorgezogen ist. Das Dach ist mit Hongawarabuki-Ziegeln gedeckt. Die 1107 in der Heian-Zeit erbaute Halle mißt 11 x 4 Pfostenabstände, besitzt also 12 Säulen in der Breite und 5 Säulen in der Tiefe. Nachdem die Haupthalle bereits 1666 anstelle des bisherigen Hinoki-Daches ein Ziegeldach erhalten hatte, wurde sie im Jahr 1900 vollständig auseinandergenommen, restauriert, und wieder zusammengesetzt. Diese Haupthalle ist als Paradies- oder Amida-Halle in einem Atemzug zu nennen mit der Phönix-Halle in Uji und der Goldenen Halle des Chuson-ji. Auch der Hokai-ji im Norden von Uji besitzt eine Amida-Halle. Von diesen ist die Halle des Joruri-ji die einzige noch existierende Amida-Halle eines bestimmten, im 12. Jh. populären Typs, bei dem neun Amida-Statuen aufgestellt waren, welche die neun Ebenen des Nirvana symbolisieren. Deshalb ist die Halle auch so breit konzipiert. Von einst landesweit ca. 30 solcher Hallen ist diese hier die einzige noch existierende. Die Halle ist als Nationalschatz eingestuft, ebenso die neun (4-1-4) sitzend nebeneinander dargestellten Amida-Statuen (Mokuzo amida nyorai zazo, Kutai amida nyorai) aus der Heian-Zeit, die um 1100 entstanden sind. Sie sind aus Holz und wurden lackiert und anschließend vergoldet (Shippaku). Sie Figuren sind im Jocho-Stil (Jouchou) und haben Joroku-Größe. Die zentrale Figur ist 2,24 m hoch, die seitlichen 1,38 m bis 1,45 m. Die zentrale Figur ist mit der Raigo-Mudra (rechte Hand erhoben und die Innenfläche zeigend, linke Hand nach oben geöffnet auf dem linken Knie ruhend, beide Handflächen zum Betrachter weisend) dargestellt, die seitlichen in der Dhyana-Mudra (Samahita-Mudra, Hände auf die Knie gelegt, Daumen und Fingerspitzen berühren sich zu einer liegenden 8). Dieser vollständig erhaltene Satz macht die Halle einzigartig. Alternative Namen für diesen Tempel sind deshalb Kuhon-ji oder Kutai-ji, das ist von den neun Amida-Figuren abgeleitet, denn beide Namen bedeuten "Neunfigurentempel". Die Haupthalle wird auch Kutai-amida-do genannt, "Neunfigurenhalle".
Ebenfalls zu den Nationalschätzen gehören die vier Standbilder der Himmelskönige (Shitenno, genauer: Mokuzo shitenno ryuzo), ebenfalls spät Heian-zeitlich (11.-12. Jh.) in der Haupthalle. Sie bestehen aus Holz und sind bemalt und stellenweise mit ausgeschnittener Goldfolie belegt (Kirikane). Jikoku-ten, Zojo-ten, Komoku-ten und Tamon-ten messen 1,67 m bis 1,70 in der Höhe. Sie stehen in den vier Ecken der Halle, entsprechen als nicht den Himmelsrichtungen, sondern sind nach Nordosten, Nordwesten, Südosten und Südwesten ausgerichtet. Sie beschützen die buddhistische Lehre symbolisch in alle Richtungen. Gegenwärtig sind zwei der Himmelskönige ausgeliehen: Komokuten steht im Nationalmuseum Tokyo, Tamonten mit der Pagode auf der erhobenen linken Hand steht im Nationalmuseum Kyoto. Vor Ort stehen noch Jikokuten mit Löwenmaske auf dem Bauch und Zochoten, letzterer mit dem Dreizack (Sankosho) in der Hand.
Vor der Haupthalle befinden sich in Richtung Seeufer eine steinerne Brunnenschale (Ishi-bachi) und eine auf das Jahr 1366 datierte Steinlaterne (Ishidoro, wichtiges Kulturgut); das Gegenstück ist auf der anderen Seite. Im Süden der Haupthalle ist ein steinernes Buddharelief (Sekibutsu-gun) zu finden. Weitere Steinbilder folgen entlang des Seeufers weiter nach Süden. Im See (Takara-chi, Aji-ike) liegt eine Insel (Nakajima), zu der im Süden eine Steinbrücke (Ishi-bashi) führt. Auf der mit einem Kiesufer versehenen Insel im See befindet sich ein kleiner, zinnoberrot leuchtender Shinto-Schrein für die Gottheit Benten (Benzaiten), die über den irdischen Bereich im Rahmen der Jodo-Kosmologie wacht. Der Nordzipfel der Insel besitzt ein paar interessante Steinsetzungen. Auf der Ostseite des Sees ragt eine markante Halbinsel in diesen hinein. Der Landschaftsarchitekt Mori Osamu hat 1976 den damals ziemlich verfallenen Garten restauriert, die Seeufer und Steinsetzungen wieder freigelegt und die Anlage wieder in die Form gebracht, die sie zur Heian-Zeit hatte, und Pflanzen angesiedelt, die zur Heian-Zeit bekannt waren. Seitdem zählt die Anlage zu den besten Jodo-Paradiesgärten in Japan. Ein anderes sehr schönes Beispiel ist übrigens der Paradiesgarten des Motsu-ji (Stadt Hiraizumi, Provinz Iwate, ganz grob nördlich von Sendai).
Am Ostufer des Gartenteiches steht auf einer kleinen Anhöhe die dreistöckige Pagode (Sanjunoto, San-juu-no-tou), zu der eine steile Steinstufentreppe hinaufführt. Sie ist 16,50 m hoch und stammt aus der späten Heian-Zeit (vor 1178), basiert auf einem 3x3-Schema und ist als Nationalschatz klassifiziert. Sie ist die einzige erhaltene dreistöckige Pagode der Heian-Zeit in der Präfektur Kyoto. Ihre Dächer sind mit Schindeln aus Zypressenrinde (Hinoki) gedeckt. Die sehr elegante und formschöne Pagode steht exakt gegenüber dem Eingang zur Haupthalle und dem darüber vorgezogenen Dach, aber von dieser 80 m Luftlinie quer über den See entfernt. Sie wurde im Jahr 1900 vollständig auseinandergenommen, restauriert, und wieder zusammengesetzt. Im Inneren befindet sich eine Figur des sitzenden Yakushi Nyorai (Medizin-Buddha, Bhaisajyaguru, wichtiges Kulturgut), was die Pagode zum religiösen und gestalterischen Gegenpol der Haupthalle macht: Im Westen Amida, im Osten Yakushi, dazwischen der Ozean, also der See. Die bemalten Wände stellen die acht Patriarchen der Shingon-Schule und die 16 Arhat (Gefährten Buddhas) dar. Zum See hin begegnet man einer Steingruppe (Ishigumi) und einer weiteren sehr alten Steinlaterne (Ishidoro), die das Gegenstück zu derjenigen auf der anderen See-Seite bildet.
Nationalschätze
und wichtige Kulturgüter
Zu den Nationalschätzen
gezählt werden die Haupthalle (Hondo), die Pagode (Sanjunoto),
die neun Amida Nyorai zazo und die vier Himmelskönige in der
Haupthalle.
Als wichtige Kulturgüter gelten die beiden Steinlaternen
(Ishidoro) vor der Haupthalle. Weiterhin ist die stehende, farbig
gefaßte Statue der Kisshoten oder Kichijo-ten (zushi iri mokuzo
Kisshoten ryuzo) aus bemaltem Holz als wichtiges Kulturgut
eingestuft. Kichijo-ten ist eine Himmelsgöttin für
Fruchtbarkeit und Schönheit; die 90 cm hohe und
Kamakura-zeitliche Figur ist auf das Jahr 1212 (Kenryaku 2)
datiert und in einem tragbaren Schrein mit bemalten Flügeltüren
untergebracht. Sie ist wie eine Aristokratin der chinesischen
Tang-Zeit gekleidet. Sie wird nur selten der Öffentlichkeit
präsentiert, einmal im Frühling, einmal im Herbst und einmal am
Neujahrstag. In diese Gruppe gehört auch die stehende Bato
Kannon, eine Pferdekopf-Kannon (Batou Kannon bosatsu ryuzou).
Diese 106 cm hohe Figur aus bemaltem Holz ist auf das Jahr 1241
datiert. Die Figur des Yakushi Nyorai in der Pagode gehört
ebenfalls in diese Kategorie von Kunstschätzen.
Der Garten (Joruri-ji teien) ist als nationale historische
Stätte und als Stätte besonderer landschaftlicher Schönheit
klassifiziert.
Literatur,
Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@34.7159703,135.8722433,18.26z - https://www.google.de/maps/@34.7158071,135.8728108,108m/data=!3m1!1e3
auf Kyotofukoh: https://kyotofukoh.jp/report759.html
auf Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C5%8Druri-ji - https://en.wikipedia.org/wiki/J%C5%8Druri-ji
Joruri-ji: http://www.eonet.ne.jp/~kotonara/jyorujiruji.htm
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(temples)
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(sculptures)
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Cultural_Properties_of_Japan_-_sculptures_(Ky%C5%8Dto)
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Special_Places_of_Scenic_Beauty,_Special_Historic_Sites_and_Special_Natural_Monuments
David Young, Michiko Young: The Art of the Japanese Garden,
Tuttle Publishing, Singapur, 2005
Auf Tale of Genji: http://www.taleofgenji.org/joruriji.html
Auf Travel-Navitime: https://travel.navitime.com/en/area/jp/spot/02301-2400228/
Auf Japanese Gardens: http://www.japanesegardens.jp/gardens/secret/joruri-ji.php
Auf Oriental Architecture: https://www.orientalarchitecture.com/sid/883/japan/kyoto/joruri-ji-temple
Bei Damien Douxchamps: https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/south/joruri-ji/
Auf Kyoto Tourism: http://www.kyototourism.org/en/sightseeing-info/48.html
Auf den Seiten der Stadt Kizugawa: http://www.city.kizugawa.lg.jp/index.cfm/12,32291,103,457,html
Seiko Goto, Takahiro Naka: Japanese Gardens: Symbolism and
Design, 200 S., Routledge 2015, ISBN-10: 0415821185, ISBN-13:
978-0415821186, S. 17-18
Filme auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=GeflksR4WgU und https://www.youtube.com/watch?v=1FDz0UYwcps
Alison Main, Newell Platten: The Lure of Japanese Garden, 224 S.,
Verlag W. W. Norton & Co. 2002, ISBN-10: 0393730913, ISBN-13:
978-0393730913, S. 76
Toshio Fukuyama: Heian Temples - Byodo-In and Chuson-Ji,
Heibonsha Survey of Japanese Art Band 9, 170 S., Verlag:
Weatherhill 1976, ISBN-10: 0834810239, ISBN-13: 978-0834810235,
S. 72-78, Grundrisse S. 152-153
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