Bernhard Peter
Sprache: sich befinden, da sein (iru und aru)


Die Verben iru und aru: Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Beide Verben, iru und aru, bezeichnen ein Dasein, die Anwesenheit an einem Ort. Es gibt einen bedeutungsmäßigen Unterschied: Das Verb iru beschreibt die Anwesenheit von Lebewesen (Menschen, Tiere), das Verb aru bezeichnet die Anwesenheit von Unbelebtem (leblose Gegenstände, Sachen, Abstraktes, aber auch Pflanzen, die werden nicht zu den Lebewesen gezählt). Und es gibt einen grammatikalischen Unterschied: aru ist ein fünfstufiges Verb, iru ist ein dreistufiges Verb. Sätze mit diesen beiden Verben bezeichnet man als Existentialsätze (sonzaibun), weil sie sich mit der Existenz von irgend etwas / irgend jemand an irgendeinem Ort beschäftigen.


Satz-Muster mit iru und aru
1. Muster: Beschreibung des Daseins an einem Ort, Ort bekannt, Subjekt unbekannt:
[Ort] + KP ni + TP wa + [Prädikat]
[Ort] + KP ni + TP wa + [Nomen] + KP ga + [Verb]
Die Logik dieser Konstruktion ist, daß wir über einen bekannten Ort reden und die neue Information geben, was an diesem Ort zu finden ist. Beide Gesprächspartner kennen den Ort, darüber wird geredet, das ist das Thema, deshalb können wir die Themenpartikel wa benutzen. In Kombination mit ni bleibt die Kasuspartikel erhalten -> Ort + ni + wa. Das wa ist nicht zwingend, es geht auch Ort + ni. Dann folgt die Angabe neuer Details, die den Gesprächspartner interessieren könnten. Weil diese Details neu sind, lautet die Kasuspartikel ga. Und dann kommt die Fallunterscheidung, welches Verb benötigt wird:
[Ort] + KP ni + TP wa + [Nomen = Lebewesen] + KP ga + [iru]
[Ort] + KP ni + TP wa + [Nomen = Sache] + KP ga + [aru]

Beispiele:
In der Bibliothek gibt es Bücher -> toshokan ni wa hon ga arimasu.
In der Bibliothek gibt es eine Maus -> toshokan ni wa nezumi ga imasu.
Im Bahnhof Osaka gibt es Züge -> Oosaka eki ni wa densha ga arimasu.
Im Bahnhof Osaka befindet sich Herr Takeda -> Oosaka eki ni wa Takeda-san ga imasu.
Hier gibt es keine Bushaltestelle -> koko ni wa basu noriba ga arimasen.
Dort gibt es eine Katze -> soko ni wa neko ga imasu.
Im Restaurant gibt es zahlreiche Gerichte -> resutoran ni wa takusan no ryouri ga arimasu.

2. Muster: Beschreibung des Daseins an einem Ort, Subjekt bekannt, Ort unbekannt:
[Nomen] + KP ga / TP wa + [Ort] + KP ni + [Verb]
Die Logik dieser Konstruktion ist, daß wir über eine bekannte Sache/Person reden und die neue Information geben, an welchem Ort sie zu finden ist. Beide Gesprächspartner kennen die Sache, darüber wird geredet, das ist das Thema, deshalb können wir fakultativ die Themenpartikel wa benutzen. In Kombination mit KP ga bleibt die Kasuspartikel nicht erhalten -> entweder Sache + ga oder Sache + wa. Dann folgt die Angabe neuer Details, die den Gesprächspartner interessieren könnten. Weil diese Details neu sind, ist dort kein TP wa möglich. Da es sich um einen Ort handelt, lautet die Kasuspartikel ni. Und dann kommt die Fallunterscheidung, welches Verb benötigt wird:
[Nomen = Lebewesen] + KP ga / TP wa + [Ort] + KP ni + [iru]
[Nomen = Sache] + KP ga / TP wa + [Ort] + KP ni + [aru]

Beispiele:
Das Französisch-Lehrbuch liegt auf meinem Schreibtisch -> furansugo no kyoukasho wa watashi no tsukue no ue ni arimasu.
Herr Takeda befindet sich gerade im Zug von Kyoto nach Osaka -> Takeda-san wa Kyouto kara Oosaka e densha ni notte imasu (notte = an Bord)
Natto gibt es im Restaurant -> nattou wa resutoran ni arimasu

3. Muster: Zugehörigkeit zu einer Kategorie
[Überbegriff] + KP ni + TP wa [Nomen 1 to Nomen 2 to Nomen 3] ga [Verb] für vollständige Aufzählungen
[Überbegriff] + KP ni + TP wa [Nomen 1 ya Nomen 2 ya Nomen 3 nado] ga [Verb] für unvollständige Aufzählungen
Die Logik dieser Konstruktion ist, daß man zuerst einen Überbegriff, eine Kategorie nennt, und daß man dann Dinge nennt, die dazugehören. Da eine Zugehörigkeit zur Kategorie ausgedrückt wird, folgt die einschließende KP ni. Da die Kategorie der Oberbegriff ist, wird sie zwingend zum Thema. Die TP wa muß also zwingend gesetzt werden. Je nach Art der Dinge unterscheiden wir:
[unbelebte Kategorie] + KP ni + TP wa [Nomen 1 to Nomen 2 to Nomen 3] ga [aru] für vollständige Aufzählungen
[unbelebte Kategorie] + KP ni + TP wa [Nomen 1 ya Nomen 2 ya Nomen 3 nado] ga [aru] für unvollständige Aufzählungen
[belebte Kategorie] + KP ni + TP wa [Nomen 1 to Nomen 2 to Nomen 3] ga [iru] für vollständige Aufzählungen
[belebte Kategorie] + KP ni + TP wa [Nomen 1 ya Nomen 2 ya Nomen 3 nado] ga [iru] für unvollständige Aufzählungen

Beispiele:
Zu den Tieren gehören Hunde, Katzen, Schlangen etc. -> dobutsu ni wa inu ya neko ya hebi nado ga imasu.
Zum Obst gehören Äpfel, Birnen, Orangen etc. -> kudamono ni wa ringo ya nashi ya mikan nado ga imasu
Die Anwesenden sind Herr Murakami, Herr Takeda und Herr Honda -> shussekisha ni wa Murakami-san to Takeda-san to Honda-san ga imasu.
Das Essen auf dem Tisch umfaßt Nudeln und Sauce -> teeburu no ue no tabemono ni wa pasuta to sosu ga arimasu.


Satzmuster und Fragewörter
Alle drei vorgestellten Satzmuster lassen sich in Fragesätze verwandeln. Das Fragewort ersetzt immer das unbekannte Nomen. Wir brauchen folgende Fragewörter:
dare/donata = wer?
nani = was?
doko = wo?
nie vergessen: an das Verb die Fragepartikel -ka anhängen

1. Muster: Ort bekannt, Subjekt unbekannt, Frage nach dem Subjekt:
[Ort] + KP ni + TP wa + [dare = gesucht wird ein Lebewesen] + KP ga + [iru]
[Ort] + KP ni + TP wa + [donata = gesucht wird ein Lebewesen] + KP ga + [iru]
[Ort] + KP ni + TP wa + [nani = gesucht wird eine Sache] + KP ga + [aru]
die TP wa ist fakultativ, denn der Ort ist ja das Bekannte und damit Thema. Nach Fragewörtern kann hingegen nie die TP wa stehen.

Beispiele:
was gibt es in der Bibliothek? Bücher! -> toshokan ni wa nani ga arimasuka
wer hält sich in der Bibliothek auf? Herr Honda! -> toshokan ni wa dare ga imasuka
was gibt es im Bahnhof Osaka? natürlich Züge! -> Oosaka eki ni wa nani ga arimasuka
wer hält sich im Bahnhof Osaka auf? Herr Takeda ist es! -> Oosaka eki ni wa donata ga imasuka

Es liegt in der Natur dieser Konstruktion, daß außer bei Nennung von Eigennamen die Antwort allgemein und unbestimmt ist. In der Bibliothek können also 1 Buch, 2 Bücher, viele Bücher, Malbücher und Lexika sein. Mit dieser Konstruktion kann man nicht nach bestimmten Büchern oder anderen Dingen fragen. Die Antwort wird immer lauten: Bücher allgemein, Mäuse allgemein, Essen allgemein.

Ort unbekannt, Subjekt bekannt, Frage nach dem Ort:
[doko] + KP ni + [Nomen = Lebewesen] + KP ga + [iru]
[doko] + KP ni + [Nomen = Sache] + KP ga + [aru]
hier darf keine TP wa gesetzt werden, so wie wa NIE nach Fragewörtern auftauchen kann. Wonach gefragt wird, kann kein Thema sein.

Wo gibt es Bücher? In der Bibliothek! -> doko ni hon ga arimasuka?
Wo gibt es Mäuse? Im Weizenfeld! -> doko ni nezumi ga imasuka?
Wo gibt es Züge? Im Bahnhof! -> doko ni densha ga arimasuka?
Wo gibt es zahlreiche Gerichte? Im Restaurant! -> doko ni takusan no ryouri ga arimasuka?

Mit dieser Konstruktion fragt man allgemein nach Büchern, Mäusen, Gerichten, Zügen. Es ist immer unbestimmt. Ausnahme: Personennamen werden genannt, dann ist es natürlich eindeutig. Wenn man nach etwwas bestimmtem fragt, empfiehlt sich Satzmuster 2.

2. Muster: Ort unbekannt, Subjekt bekannt und bestimmt, Frage nach dem Ort:
[Nomen = Lebewesen] + TP wa + [Ort] + KP ni + [iru]
[Nomen = Sache] + TP wa + [Ort] + KP ni + [aru]

so wird nach etwas Bekanntem und Bestimmtem gesucht, deshalb ist die TP wa ideal.

Beispiele:
Wo ist mein Französisch-Lehrbuch? auf meinem Schreibtisch! -> watashi no furansugo no kyoukasho wa doko ni arimasuka?
Wo ist jetzt Herr Takeda? im Zug von Kyoto nach Osaka! -> Takeda-san wa doko ni imasuka?
Wo bekomme ich Pizza zum Essen? im Restaurant! -> piza wa doko ni arimasuka?
Wo ist mein Bilderbuch? auf dem Nachttisch! -> watashi no e-hon wa doko ni arimasuka?

3. Muster: Zugehörigkeit zu einer Kategorie, Frage danach, was dazugehört
was ist jetzt anders? Da wir fragen ist noch nicht klar, ob die Aufzählung vollständig oder unvollständig ist. Wir benutzen in der Frage weder to noch ya und nado.
[unbelebte Kategorie] + KP ni + TP wa [donna] ga [aru]
[belebte Kategorie] + KP ni + TP wa [dare] ga [iru]

Beispiele:
Wer gehört zu den Teilnehmern? -> Sankasha ni wa dare ga imasuka?
Was für Bücher gibt es? -> hon ni wa donna hon ga arimasuka? Oder kürzer: Donna hon ga arimasuka?
Was für Stühle gibt es? -> isu ni wa donna isu ga arimasuka? oder kürzer: Donna isu ga arimasuka?
Was für Tiere gibt es im Zoo? -> Dobutsu-en ni wa donna dobutsu ga imasuka?


Flexion von iru und aru
Tabelle der Formenbildung (viele andere Formen, insbesondere die negativen, sind etwas speziell):

MZ
Mizenkei
RY
Renyoukei
SS
Shuushikei
RT
Rentaikei
IZ
Izenkei
MR
Meireikei
SR
Suiryoukei
-a -i -u -u -e -e -o
Verneinung, Gegenwart, neutral:
nai
es ist nicht da (neutral)

negativ, Vergangenheit, neutral:
na-kat-ta
es war nicht da (neutral)

positiv, Gegenwart, höflich:
ari-masu
es ist da (höflich)

negativ, Gegenwart, höflich:
ari-masen
es ist nicht da (höflich)

positiv, Vergangenheit, höflich:
ari-mashita
es war da (höflich)

negativ, Vergangenheit, höflich:
ari-masen deshita
es war nicht da (höflich)

Wollen (Volitional), Laß es.... (höflich)
ari-mashou
laß es da sein!

positiv, Vergangenheit, neutral:
a-t-ta
es war da (neutral)

neutral, Gegenwart: a-ru
ich bin da (neutral)

ich habe gehört, daß...
a-ru sou desu
ich habe gehört, daß es da ist

weil-Form:
a-ru-node
weil es da ist
Können-Form (Potential), positiv, höflich:
a-re-masu
es kann da sein (höflich)
Imperativ, positiv, direkter, unhöflicher Befehl
a-re! (keine Endung)
sei gefälligst da!
Wollen (Volitional), Laß es....
a-ro-u
laß es da sein!
Stamm-nix Stamm-nix Stamm-ru Stamm-ru Stamm-re Stamm-ro Stamm-yo
Verneinung, Gegenwart, neutral:
i-nai
er ist nicht da

negativ, Vergangenheit, neutral:
i-nakat-ta
er war nicht da (neutral)

positiv, Gegenwart, höflich:
i-masu
er ist da (höflich)

negativ, Gegenwart, höflich:
i-masen
er ist nicht da (höflich)

positiv, Vergangenheit, höflich:
i-mashita
er war da (höflich)

negativ, Vergangenheit, höflich:
i-masen deshita
er war nicht da (höflich)

Wollen (Volitional), Laß es.... (höflich)
i-mashou
laß ihn da sein!

positiv, Vergangenheit, neutral:
i-ta
er war da (neutral)

neutral, Gegenwart: i-ru
ich bin da (neutral)

ich habe gehört, daß...
i-ru sou desu
ich habe gehört, daß er da ist

weil-Form:
i-ru-node
weil er da ist
Wenn-Form (ba-Konditional), positiv:
i-re-ba
wenn er da ist
Imperativ, positiv, direkter, unhöflicher Befehl
i-ro! (keine Endung)
Sei gefälligst da!
Wollen (Volitional), Laß uns....
i-you
laß uns da sein!

Hier wurde bewußt auf die japanische Schreibweise (Kanji, Hiragana, Katakana) verzichtet. Dieses kleine Kapitel soll keinen Sprachkurs ersetzen, sondern ein Hilfsmittel und Rettungsanker für den Reisenden sein, dessen Hauptziel sein wird, höfliches Entgegenkommen durch einige wenige Kenntnisse zu signalisieren und das Gelingen der Reise zu gewährleisten. Alle vertiefenden Kenntnisse, zu denen ich ausdrücklich ermuntern möchte, inclusive der Schriftform, finden sich in der einschlägigen Literatur.

Literatur, Links und Quellen:
Martin und Maho Clauß: Japanisch Schritt für Schritt, Band 1, der Sprachkurs für Unterricht und Selbststudium, Book on Demands, 2014, ISBN: 978-3-7322-9974-4
Martin Lutterjohann: Reise Know-How Sprachführer Japanisch - Wort für Wort: Kauderwelsch-Band 6, 160 S., 2016, ISBN-10: 3831764859, ISBN-13: 978-3831764853
Kayo Funatsu-Böhler: PONS Grammatik kurz & bündig Japanisch, "die beliebteste Nachschlagegrammatik", Verlag PONS GmbH, Stuttgart 2021, 128 S., ISBN-10: 3125623723, ISBN-13: 978-3125623729, S. 77-81
Martina Ebi: Praktische Grammatik der japanischen Sprache, Verlag Gottfried Egert, Wilhelmsfeld 2020, 283 S., ISBN-10: 3936496455, ISBN-13: 978-3936496451 S. 121-124
Lern-Videos zur japanischen Grammatik von Dominik Wallner: Existentialsatz (1)
https://www.youtube.com/watch?v=g81ZXsieHMA - Existentialsatz (2) https://www.youtube.com/watch?v=Y0bP8IAGF-U - Existentialsatz (3): Fragesätze https://www.youtube.com/watch?v=wmTgbiwcYvk


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